Bildschirmfoto 2025 01 15 um 02.17.44Die Zahl streunender Katzen überfordert Tierheime auch in Hessen. Tierschützer sprechen vom "größten unbemerkten Tierschutzproblem" und fordern eine Kastrationspflicht

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vorneweg die Mitteilung an die Leserinnen und Leser, daß Weltexpresso das Problem kennt, aber für eine einzelne Katze bewältigt hat. Denn im Mai 2015 stand eine junge schwarzweiße Katze vor der Gartentür, wollte aber nicht hinein, sondern lief beim Türaufmachen weg, kam aber immer wieder.  Eine wildlebende Katze. Drei Jahre fütterten wir die Katze, bis wir sie entgegen dem unteren Rat, selber einfingen. Das war ein Ding!! Es gelang nur mit Netzen und List eines Sommerabends und die arme Katze schrie wie am Spieß. Aber wir wußten ja, warum und fuhren sie um 21 Uhr in ein Frankfurter Tierheim, was länger schon ausgemacht war. Denn dort wurde sie kastriert, die Katze, die sich als Kater herausstellte, geimpft und gechipt. Nach 2 Tagen holten wir sie wieder ab und sollten sie an der Stelle, wo eingefangen, wieder aussetzen. Das war der Garten im Haus der Redaktion. So geschehen. Die Katze blieb zwei Tage verschollen, dann stand sie wieder vor der Tür, die in den Garten führt, und verlangte Fressen. 
Es dauerte zwei weitere Jahre, bis man den Kater, BURLI genannt, weil er ein Naturbursche ist, anfassen durfte. Ein kurzes sprödes Fell, knöchern das Gefühl beim Darüberstreicheln. Und dann nach ca. fünf Jahren betrat er erstmals das Haus und wurde der vielgeliebte Redaktionskater, der von allen verwöhnt wird. Inzwischen hat er ein wunderschönes dichtes und glänzendes Fell und einen durchaus gepolsterten Körper, auf jeden Fall lebt er tags im Haus und ist nächtens meist unterwegs im großen Gartenareal. So gut geht es nicht jeder streunenden Katze, um die es jetzt geht. 


Leidende Tiere, überfüllte Tierheime - immer wieder senden Vereine Hilferufe, weil die Situation im Katzenschutz nicht mehr beherrschbar ist. "Die Situation ist dramatisch", meldete der Deutsche Tierschutzbund vergangenen Oktober. Die Population an Straßenkatzen steige immer weiter an, das Elend der Tiere sei groß. Die Situation sei im neuen Jahr unverändert, erklären die Tierschützer.

Das hat ein Audiobeitrag  "Volle Tierheime, hohe Kosten - mehr Katzenschutz gefordert" im Hessischen Rundfunk gebracht, Auch in Hessen ist die Lage vielerorts schwierig. Unter anderem im Tierheim in Frankfurt-Fechenheim landen Katzen, die medizinische Behandlung brauchen. "Wir sind voll", sagt Simone Faust von der Leitung des Tierheims. Die Zahl verwilderter, unkastrierter Hauskatzen steige an.

"Unkontrollierte Fortpflanzung"

"Es gibt in Deutschland und damit auch in Hessen sehr viele Populationen freilebender Katzen, die sich unkontrolliert fortpflanzen", sagt Sigrid Faust-Schmidt vom Landestierschutzverband Hessen. Die freilebenden Katzen befänden sich oft in einem schlechten Gesundheitszustand. In vielen hessischen Tierheimen besteht ein Aufnahmestopp. Im Gegensatz zu Wildkatzen können sich Streunerkatzen laut Tierschutzbund nicht ausreichend selbst versorgen. Viele der Tiere seien deshalb unterernährt und krank.

Deutschlandweit werde von einer siebenstelligen Zahl von Streunerkatzen ausgegangen. "Genau kann man das nicht schätzen, denn die Katzen sind sehr scheu und leben sehr zurückgezogen in Schrebergärten, in verlassenen Gehöften, auf Firmengeländen oder im Industriegebiet, im ländlichen Raum auf Bauern- oder Reiterhöfen", sagt Faust-Schmidt.

Die Katzen pflanzen sich auch mit unkastrierten Tieren fort, die einen Halter haben. "Vielen ist vielleicht gar nicht bewusst, was es bedeuten kann, eine unkastrierte Katze in den Freigang zu geben", sagt Faust-Schmidt.

Katzenbabys kommen krank im Tierheim an

Es gebe immer wieder und zu jeder Jahreszeit irgendwo kleine Katzenbabys, die fast immer krank im Tierheim ankämen. Die kleinen Katzen könnten mit viel Einsatz an den Menschen gewöhnt werden, damit eine Chance auf Vermittlung bestehe. Erwachsene und scheue Streunerkatzen werden im Tierheim kastriert, gechippt und in der Regel wieder in Bereichen ausgesetzt, in denen es betreute Futterstellen gibt.


Tierschützer fordern Kastrationspflicht

Tierschützer fordern Verordnungen, die die Halter zur Kastration ihrer Tiere verpflichten. "Jede kastrierte Katze ist eine gute Katze", sagt Faust-Schmidt. Katzenschutzverordnungen geben auch den Tierheimen Rechtssicherheit, wenn bei ihnen eine nicht kastrierte und nicht registrierte Katze abgegeben wird.

 
Streunerkatzen erkennen

Wer eine Straßenkatze sieht, sollte sich zunächst vergewissern, dass es sich nicht um eine Nachbarkatze handelt und dann am besten das Ordnungsamt oder das örtliche Tierheim verständigen. Von eigenständigem Fangen rät der Tierschutzbund ab, da es sich um sehr menschenscheue Tiere handeln kann.

Viele der Tiere seien unterernährt und krank, erklärt der Tierschutzbund. Zu erkennen seien sie, weil sie oft abgemagert sind und verfilzte oder kahle Stellen in ihrem oft stumpfen Fell haben. Unbehandelte Verletzungen oder verklebte Nasen und Augen sind ebenfalls Hinweise.
 
Die Verordnungen werden bisher auf kommunaler Ebene erlassen, vergangenes Jahr auch in Frankfurt - eine Stadt, in der es geschätzt rund 18.000 freilebende Katzen gibt. Seit Oktober dürfen Katzenhalterinnen und Katzenhalter im Stadtgebiet nur fortpflanzungsunfähigen und gekennzeichneten Katzen unkontrollierten freien Auslauf gewähren.

Ziel sei, die Vermehrung streunender Katzen einzudämmen, deren Population in vielen Städten zunehmend zum Problem werde, hieß es zur Erläuterung der Maßnahme.


"Größtes unbemerkten Tierschutzproblem in Deutschland"

"Hessenweit gibt es noch einiges zu tun", sagt Faust-Schmidt. 99 von insgesamt 442 Gemeinden und Landkreisen in Hessen hätten eine Katzenschutzverordnung. "Positiv ist, dass die Zahl ständig steigt. Es gibt aber noch Landkreise, in denen keine einzige vorhanden ist, der Landkreis Fulda etwa."

Am besten wäre eine Bundesverordnung, fordert auch der Deutsche Tierschutzbund. Eine Umfrage hatte dessen Angaben zufolge im September 2024 ergeben, dass 97 Prozent der Tierschutzvereine bei der wachsenden Aufnahme von Katzen an ihre Grenzen kommen. Der Verband sprach von einem "der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland".

 Auch die Hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin betont auf Anfrage, der Kampf um die Verordnungen in einzelnen Kommunen dauere oft Jahre. "Katzen halten sich nicht an Gemeindegrenzen", erläutert Faust-Schmidt. Sie engagiert sich auch im Verein Tiere in Not im Odenwald. Ein ländliches Gebiet, ebenfalls mit Katzenproblem: "In Hochphasen haben wir im Tierheim bis zu 100 Katzen."

Foto:
Tierärztin Stefanie Bissbort fesselt eine Katze für die Kastration an den Operationstisch. Das Tier ist bereits betäubt
© Michael Pörtner
 
Info:
Quelle, Hessenschau, hr, Veröffentlicht am 12.01.25 um 07:40 Uhr