Sozialpolitik aktuell12Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 930

Redaktion

Berlin (Weltexpresso)  - Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung einen Wechsel von aus der Ukraine geflüchteten Personen aus dem Bürgergeld in das Asylbewerberleistungsgesetz verabredet, sofern diese zum 01.04.2025 eingereist sind. Dieses Vorhaben soll nun mit dem sogenannten "Leistungsrechtsanpassungsgesetz" umgesetzt werden. Der Paritätische hat im Rahmen der Verbändebeteiligung zum Referentenentwurf des Gesetzes Stellung genommen. Den geplanten Rechtskreiswechsel lehnt er grundsätzlich und mit Verweis auf eine Vielzahl von Problemen ab. Mit den geplanten Regelungen werden aus Sicht des Verbandes Armut gravierend verschärft und vulnerable Personen besonders getroffen, für die Arbeitsmarktintegration sind hingegen Rückschritte zu erwarten. Zudem ist mit Mehrausgaben und zusätzlichem Verwaltungsaufwand für die Kommunen zu rechnen.


Mit dem Rechtskreiswechsel von aus der Ukraine geflüchteten Menschen soll der Kreis der Bezieher*innen von Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ausgeweitet werden. Der Paritätische Gesamtverband hat sich seit seiner Einführung gegen das sozialrechtliche Sonderregime des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. Mit seiner Vielzahl an Benachteiligungen wie bspw. der Höhe der Leistungssätze, dem Sachleistungsprinzip oder einer deutlich eingeschränkten Gesundheitsversorgung, sorgt es für Armut und Leid bei Betroffenen und verhindert soziale Teilhabe und nachhaltige Integration. Er hat daher auch die damalige Entscheidung begrüßt, Geflüchtete aus der Ukraine von Beginn an in den Anwendungsbereich der regulären Sozialleistungssysteme aufzunehmen.

Den Rechtskreiswechsel lehnt der Paritätische daher ab. Er fordert stattdessen die Aufnahme aller vom AsylbLG erfassten Personen in die regulären Systeme der sozialen Sicherung.

Aus Sicht des Paritätischen war die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine gerade deshalb so erfolgreich, weil durch wenig Bürokratie und den direkten Zugang zu den regulären Sozialleistungssystemen für eine große Zahl an Menschen und insbesondere vulnerable Gruppen eine effiziente und humane Aufnahme ermöglicht wurde. Der Rechtskreiswechsel stellt somit einen gravierenden Rückschritt für eine humane und nachhaltige Aufnahmepolitik dar.

Dabei wird mit dem Vorhaben absehbar keines der Ziele erreicht, die in der Debatte häufig genannt wurden. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration wird erschwert, indem die Betroffenen von Eingliederungsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass durch den Rechtskreiswechsel, selbst aus Sicht der Bundesregierung, kein Geld eingespart wird. Stattdessen wird die soziale Schlechterstellung von Geflüchteten aus der Ukraine mit Mehrkosten verbunden sein, die letztlich vor allem die Kommunen zu tragen haben dürften.

Die nachfolgend genannten Probleme des Rechtskreiswechsels in das AsylbLG gelten in der Regel für alle Bezieher*innen von AsylbLG-Leistungen. Bei den Geflüchteten aus der Ukraine kommt hinzu, dass hiervon ein vergleichsweise großer Anteil an besonders vulnerablen Personen, wie alleinerziehenden Frauen mit ihren Kindern sowie älteren, kranken und pflegebedürftigen Personen sowie mit Menschen mit Behinderungen, betroffen ist.

 

Mit Blick auf den geplanten Rechtskreiswechsel warnt der Paritätische insbesondere vor folgenden gravierenden Problemen:

  • Armut und finanzielle Unsicherheit durch niedrigere Leistungssätze und fehlendes Schonvermögen
  • Eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung
  • Rückschritte bei der Arbeitsmarktintegration
  • Benachteiligungen besonders vulnerabler Gruppen wie Familien, Kinder, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen
  • Bürokratie und finanzielle Kosten für die Kommunen
  • Abschaffung von Elementen einer nachhaltigen Aufnahmepolitik, u.a. durch mögliche Einschränkungen bei der privaten Wohnungssuche

Sollte der Rechtskreiswechsel umgesetzt werden, hält der Paritätische zumindest die Umsetzung der folgenden Punkte für unabdingbar:

  • Verlegung des Stichtags auf den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes
  • Abstellen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Einreise als maßgebliches Datum für den Stichtag
  • Anpassung der Übergangsregelung
  • Verbesserungen beim Zugang zu Gesundheitsleistungen
  • Wohlwollende und sensible Vermögensprüfung
  • Gesetzliche Klarstellung, dass ab Äußerung des Schutzgesuchs ein Anspruch auf Leistungsgewährung besteht
  • Gesetzliche Regelung zum Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Wechsel in das AsylbLG

Darüber hinaus weist der Paritätische darauf hin, dass es angesichts der geplanten Änderungen besonders schwer wiegt, dass es nach wie vor an einer Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fehlt, wonach die pauschale Einstufung in die Regelbedarfsstufe 2 für Analogleistungsbeziehende in Sammelunterkünften verfassungswidrig ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 1 BvL 3/21 -). Ähnlich problematisch stellt sich auch das weitere Festhalten am Leistungsausschluss in Dublin-Fällen dar, der mittlerweile von einer Vielzahl von Gerichten als evident verfassungs- und/oder europarechtswidrig betrachtet wird und Betroffene mit extremer Armut und Obdachlosigkeit bedroht.

Die vollständige Stellungnahme kann rechts heruntergeladen werden.

Dokumente zum Download

Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbands zum LeistungsrechtsanpassungsG (332 KB)

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