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Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Monika Geier bleibt unangefochten auf Platz 1. Oder sollte man besser sagen Bettina Boll, ihre Protagonistin, die erstmals 1999 in Erscheinung trat und ein typisches Krimigewächs einer prosperierenden Gesellschaft ist, die kritisch mit sich und ihren gesellschaftlichen Widersprüchen umgeht.

Diese Bettina Boll war damals alleinerziehende Mutter der Kinder ihrer verstorbenen Schwester und nach den vielen Jahren und immerhin sechs Boll-Romanen kommt Boll/Geier mit einer Mädchengeschichte, die ineinander verwurschtelt eine weitere Geschichte im Schlepptau hat – oder umgekehrt. Es geht um die Suche nach einem Mädchen und die Suche einer Frau nach ihrer Identität. Mehr das nächste Mal von diesem Krimi ALLES SO HELL DA VORN, erschienen bei Ariadne im Argument-Verlag, ein Verlag, dessen Romane immer wieder auf der KrimiBestenListe landen.

Von den zehn nominierten Kriminalromanen sind diesmal sechs neu. Das ist eine Menge, weshalb Platz 2 Carsten Jensen, DER ERSTE STEIN aus dem Knaus Verlag uns auch erst vom Hörensagen bekannt ist. Da heißt es, daß es um Afghanistan geht, wo der dänische Autor die dänische Infantrie in Friedensmission agieren läßt. Allerdings spielt einer falsch und reißt alle anderen mit. Wie herauskommen aus dieser Lage von Krieg und Kriegsverbrechen? Das nächste Mal.

Auch Dons Winslows neuer Roman CORRUPTION aus dem Droemer Verlag ist neu, aber diesemr Autor, der mit den großen Drogenromanen TAGE DER TOTEN oder DAS KARTELL vor allem die mexikanische Mafia im Blick hatte, ist einfach so bekannt, daß man schon ahnt, daß neue Romane gleich Spitzenpositionen einnehmen. Diesmal ist es für Winslow ein Heimspiel. Es geht um New York, es geht um die NYPD, das ist das New York City Police Department, die als kommunale Polizeibehörde eng verbandelt ist mit den kommunalen Führern, also den Bürgermeistern und ihren Behörden. Da geht es in besonderer Weise um politischen Einfluß der Kommune, die nicht nach Recht und Gesetz vorgeht, sondern nach personellen Mauscheleien.

Von daher ahnt man schon, daß Don Winslow hier keinen Heldengesang auf einen Polizisten singen wird. Es geht nicht um Schwarz und Weiß, moralisch gesprochen, sondern eigentlich nur um Schwarz mit Einsprenkelungen von Grau. Es geht um Denny Malone, „Hero-Cop und Sohne eines Hero-Cops“. „Daß Denny Malone einmal im FBI-Gefängnis Park Row landen würde, hätte wohl kaum einer für möglich gehalten.“, heißt der erste Satz des Romans im ersten Kapitel, das Einführung heißt.

Und dann wird im Schachtelverfahren nach und nach aufgedröselt, wie es dazu kam, daß der Held der Kollegen, der nach aller Einschätzung nichtkorrupteste Polizist New Yorks dann doch ein schlimmer Finger iwird und eine Ratte dazu, wie diejenigen genannt werden, die eigene Kollegen verraten. Eigene Kollegen, die eben auch verbrecherische Täter sind. So ist das. Nicht derjenige, der Verbrechen begeht, ist der Böse, sondern der, der das verrät. Anlaß war ein regelrechter Mord der Malonetruppe an einem bedeutenden Heroindealer, dessen Stoff sie dann an sich nehmen und damit einerseits selbst Dealer werden, andererseits dessen Gefolgsleute auf sich hetzen.

Im Fall von Denny Malone kommt das noch schlimmer. Denn er, Detective bei der Manhattan North Special Taskforce, der absoluten unangefochtenen Elitetruppe der NYPD, hat immer wieder vor allem die Korruption bei der New Yorker Polizei und die Mittelsmänner zur Politik aufgedeckt und war deshalb der Held der Kollegen, auch sein eigener und vor allem der seiner Kinder. Ein Weißer, der keine Berührungsängste hat mit der schwarzen Bevölkerung, ja nach dem faktischen Ende seiner Ehe – die Frau lebt mit den Kindern und vielen dick gefüllten Umschlägen, die immer wieder abgegeben werden, friedlich und feudal außerhalb von New York in schönem Haus mit schöner Umgebung – sogar eine schwarze Geliebte hat, eine Krankenschwester, die heroinabhängig ist und für deren Entzug Malone mehrfach zigtausende finanzierte.

Insofern ist der Höhepunkt des Romans, also eigentlich der Tiefpunkt, die Passage am Schluß, als Denny Malone seiner Geliebten gestehen muß, daß er selbst den Stoff in großen Mengen und mit Millionengewinn unters Volk brachte, den er ihr verwehrt und für dessen Entzug bei der Süchtigen er dann das gewonnene Geld verwendet. Die Katze beißt sich nicht nur in den Schwanz, sondern Don Winslow schildert eine so ausweglose Situation in New York, das man in tiefste Depression verfällt. Es ist nämlich alles in seiner Schizophrenie von angeblichem Gut und Böse so überzeugend, daß man als Leser ständig auf der Seite von Denny Malone steht, selbst dann, wenn man schon längst weiß, daß er aus Gewinnsucht seine eigenen Ideale ständig verrät. Denn schlimmer, als die anderen zu verraten, wäre doch, seine eigenen moralischen-ethischen Grundsätze zu verraten. Dazu schweigt der Roman, aber die tiefe Depression, die spätestens ab Mitte des Romans über Denny Malone liegt, spricht für genau diese Einschätzung, die Malones eigene ist.

Was lernt man daraus? Daß einer, der es eigentlich genau nimmt und aus ethischen Gründen Polizist wurde, im System seine Grundsätze verlieren muß? Also ein depressives Weltbild? Ein wenig schon. Aber es kommt noch schärfer, denn es geht nicht nur um die Polizei? Denn die interne Ermittlung ist genauso korrupt wie das FBI und andere Behörden. Mit Korruption ist dabei nicht nur Geld gemeint, sondern das Getue und Gemache, wie ich um des eigenen Einflusses wegen andere ans Messer liefere. Ein regelrechtes Geschachere um den Einfluß, sowohl in der eigenen Behörde wie auch Konkurrenz zwischen interner Vermittlung und FBI. Im Kern geht es darum, daß keiner seine Arbeit machen kann, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Nicht die einzelnen sind die korrupten Schweine, sondern das System selbst ist korrupt, das ist die Botschaft, der man als Leser nichts entgegensetzen kann.

Dazu kommen ethnische Hierarchien und Streitigkeiten. Nach wie vor ist schwarz zu sein, ein Nachteil und weiß ein Vorteil, dazwischen liegen braun und gelb mitsamt aller Schattierungen. Das alles ist folgerichtig, aber nach so vielen Don Winslows weht es einen schon ziemlich sozialromantisch an. Irgendwie findet in der Personalisierung der Situation durch Denny Malone auch ein Heldenepos statt. Ein männlicher darüberhinaus. Das ist einem immer wieder über, diese armen Männer, die immer die Frauen, die guten, aushalten und die Welt am Laufen halten.

Im übrigen, ist der deutsche Titel albern. Im Original heißt es The Force, das ist der umgangssprachliche Begriff für die NYPD. Wenn man, da wir trotz aller Weltbürgerleien immer noch nicht New Yorker oder Amerikaner sind, schon nicht den Originaltitel nimmt, sondern vom Inhalt ausgeht, also der Korruption auf allen Ebenen, sowohl auf Verbrecher- wie auch Gesetzeshüterseite. Also hätte natürlich der Titel Korruption lauten müssen. Dann aber gefällt bei der schlichten Gestaltung des Covers - in Schwarzweiß der Autor in Rot der Titel - oben rechts die Abbildung einer Polizeiplakette, wo man lesen kann „5089 Sergeant“, auf der oben die Blutspritzer runterlaufen. Keine Ahnung, ob die Plakette original ist, wir haben echt recherchiert, aber nichts gefunden. Aber dieses Blut auf der Plakette kann sehr gut das Dilemma dieses Romans darstellen, daß diejenigen, die Verbrecher jagen und bei den Festnahmen auch Blut lassen müssen, auch diejenigen sind, die von den Verbrechern und von den eigenen Kollegen gejagt und erlegt werden.

Fortsetzung folgt.