c claraweissc hultnerNeue deutsche Krimis, Teil 4

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Uns war Clara Weiss kein Begriff, auch wenn sie für ihren ersten Roman MILCHSBLUT den Friedrich Glauser-Preis in der Sparte Debüt erhalten hatte, was man nach dem Lesen des zweiten Romans sehr gerne glaubt. Denn sie hat etwas, diese Clara Weiss.

Sie hat ein Gespür für dramatisches Geschehen, was auch heißt, daß sie eine verwirrende, verwickelte Situation zum Ausgangspunkt nimmt, wo der Leser – hier eigentlich bis zum Schluß – elegant und schlüssig in die Irre geführt wird, aber im Nachhinein sich alles logisch und psychologisch auflöst, was beim ersten Betrachten eben ganz anders wirkte - und vor allem ganz andere Verdächtige vorführt, die der Leser brav als solche auch annehmen muß, so gekonnt hat ihn die Autorin hierhin geführt.

Klar, daß man jetzt die Geschichte nur andeuten kann: Unsere Sympathien ruhen auf Juli, die als Studentin aus Berlin, wo sie ihren Freund zurückließ, mit dem sie nun dauernd telefoniert, nach München gekommen, ein Zimmer sucht und auf merkwürdigem Weg eines findet, ein bezahlbares Zimmer, zu schön um wahr zu sein, im teuren München, noch dazu bei einer bekannten Schauspielerin, eine absolut interessante Frau, deren Freund gerade beruflich nach Hamburg wechselte. Versteht sich, daß es in einer schönen gutbürgerlichen Gegend ist, ein richtiges feudales Mietshaus mit Keller und Dach. Doch als sie aus gewissen Gründen auf den Dachboden geht, bricht ihre bisherige überschaubare Welt zusammen.

Sie sieht dort etwas, was auf einmal weg ist, dann gibt es eine Leiche, auf jeden Fall ist allein das Wort Dachboden ein Menetekel, das zum Palimpsest wird, auf dem ab jetzt viel geschrieben wird. Mit Juli begeben wir uns auf einen Weg durch Gefahren, was einige Begleiter mit dem Leben bezahlen müssen. Hier stimmt was nicht, das atmet aus jeder Pore und schreit jede Zeile einem ins Hirn. Aber was? Sie werden sich wundern.

Ernst gemeint. Wenn ein Buch, ein Kriminalroman gut ist, kann man sich kurz fassen. Darum haben wir diese beiden zusammengebunden. Im Gegensatz zu Clara Weiss ist Robert Hültner, nein, kein alter Hut, aber ein bekanntet Kriminalromanautor. Auch er lebt wie Clara Weiss in München, aber seine Geschichten müssen dort nicht spielen und der Verlag sagt, daß vor allem seine Inspektor Kajetan Reihe hervorragend ‚läuft‘, auf jeden Fall hat er ebenfalls den Glauser-Preis erhalten, zudem schon dreimal den Deutschen Krimipreis.

Dieser Krimi spielt in Frankreich, der zweiten Heimat des Autors. Zwei Vergangenheit kommen sich hier ins Gehege, die bittere Gegenwart wird. Einerseits siedeln hier immer wieder die Gitans, wozu man früher als Oberbegriff Zigeuner sagte, was heute verpönt ist, aber durch Roma auch nicht korrekt wiedergeben wird. Wohl darum sind sie als Gitans auch hier dabei und besiedeln eine leere Gegend am Wasser. Andererseits sind vor allem ‚leere Gegenden‘ für Grundstücksspekulanten hochinteressant. Billig erworben kann man dort Gewerbegebiete oder anderes ausweisen und dicke verdienen. Die Gintans werden schon wo anders unterkommen.

Als ein toter Mann am Strand gefunden wird, ist das erst mal nicht ungewöhnlich. Die einfachen Leute - und die Gitans erst recht - gießen sich oft einen hinter die Binde, bevorzugt am Wochenende und verlieren dann den Halt am Wasser. Warum sollte das hier anders sein? Und vor allem, warum wird aus dem fernen Paris dieser Lazare geschickt? HALT. Hier müßte man jetzt erst einmal die schwierigen französischen Differenzierungen der Polizei erklären, wer wofür zuständig ist und woran man das merkt. Eigentlich geht Hültner darüber hinweg und nach und nach findet man auch, daß man das gar nicht wissen muß, sondern viel eher auf die Interessen derer achten sollte, die hier die verschiedenen Bataillone in Gang setzen. Zwar ist der Sumpf hausgemacht und die Region durchwoben von Korruption und Betrug, aber wer von oben mitmauschelt, darum geht es dann.

Als Brigadier Georges Jeanjean ganz am Anfang aufnimmt, was Bäcker Maurice als verdächtig beobachtet hat, stellt sich das schnell als ein Tote heraus. Aber es ist erst der zweite, denn der am Strand wird zuerst gefunden, ist aber eigentlich der richtige zweite. Doch dabei bleibt es nicht.

Am Besten überläßt man sich bei diesem Krimi dem Lokalkolorit, der sich vor einem ausbreitet, denn mitzudenken und Verdächtige auszumachen, bringt hier wenig. Ehrlich gesagt, wird einem jeder dieser Holzschädel auf dem Land und in den Bergen verdächtig. Aber so sind sie, die angeblich einfachen Leute, die es faustdick hinter den Ohren haben. Wer mehr über ländliche Sitten und Unsitten hören will, sollte diesen Roman sowieso goutieren.

Außerdem glaubt man, eine Übersetzung aus dem französischen zu lesen, so gut kann Hültner die Gegend und die Leute vermitteln. Aber es hat ja auch mit Deutschland zu tun, denn dann kommen zwei unsägliche Gestalten – geheim, geheim! ganz offiziell aus München geschickt - daher, sind siebengescheit, potentiell arrogant, auf jeden Fall unverschämt, mit noch mals geheimen Privatinteressen. Daß das alles übel ausgehen wird, ahnen wir bald. Aber wie übel, bleibt kein Geheimnis, sondern am Schluß wissen es alle.


Info:

Clara Weiss, Ich will brav sein, Goldmann Verlag 2017

Robert Hültner, Lazare und der tote Mann am Strand, btb 2017