Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 11/30

 

 

Rebecca Riehm

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir machen bei der Unterscheidung von Religion und Kultur weiter. Eine Kultur christlich zu nennen, bedeutet also nicht, daß hier Gläubige am Werk sind, sondern daß mit den Mythen, den Bibelinhalten, den Glaubensvorschriften in Literatur und Musik, in Philosophie und Kunst umgegangen, sich auf sie bezogen wird, wie Brecht/Weills hinreißende DIE SIEBEN TODSÜNDEN.

 

Die Bibel irrt

 

Christian Schüle setzt mit DIE BIBEL IRRT: Die sieben großen Mythen auf dem Prüfstand aus dem Rowohlt Verlag fort, was so viele schon begonnen haben, nämlich die Heilige Schrift auf ihren Wirklichkeitsgehalt zu überprüfen. Das ist heute weder ein Sakrileg, noch neu, denn selbst die Katholische und die Evangelische Kirche haben ihren Frieden damit gemacht, daß wissenschaftliche Erkenntnisse eine andere Lesart von der Entsteh8ung der Erde und der 'Erschaffung' des Menschen gebracht habe, als es die Schöpfungsgeschichte vorgibt. Und sie können dies gelassen tun, ohne an ihrer Glaubensintensität Abstriche zu machen im Gegensatz zu diesen Kreationisten, die die Bibel wörtlich nehmen und ihren Kindern verbieten wollen, in der Schule Naturwissenschaften zu lernen.

 

Dieses Buch ist besonders für Einsteiger sehr geeignet, weil Christian Schüle zwar nicht mit Adam und Eva anfängt, aber erst einmal eine 'kurze Biographie' dieser sieben Mythen vorstellt, auf daß sie im Hauptheil, DURCHBLICK genannt, 'entlarvt' und dann im AUSBLICK wieder 'integriert' werden. Nehmen wir DAVID GEGEN GOLIATH heraus. Jeder kennt die Geschichte. Der kleine Hirte David, 1,50 Meter groß, besiegt den mit 2, 36 Meter großen Riesen Goliath mit einer Steinschleuder im Kampf der Israeliten gegen die Philister. Der Kleine hat nur die Schleuder, der Große ist als Krieger gerüstet. Der Sieg des Kleinen, der diesen Koloß Goliath mit der Schleuder an der Stirn zu Boden wirft, daraufhin dessen Schwert zieht und ihm den Kopf abhaut, wurde immer als Intervention Gottes erklärt, der seinem auserwählten Volk hilft.

 

Was ändert sich in diesem Buch? Aha, liest man genau, erfährt man daß beide Personen historisch nicht nachweisbar, sondern eine Konstruktion aus verschiedenen geschichtlichen Größen sind. Das ist ein übliches Verfahren bei Mythenbildungen. Aber vor drei Jahren fand man bei Ausgrabungen eine Scherbe aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. in der ehemaligen Philisterhauptstadt Gath, auf der tatsächlich, wenn man so will (es geht um die verschiedenen Schreibweisen und Schriften), GOLIATH steht.

 

Dann beschreibt der Autor sehr anschaulich, die möglichen Namensvarianten, seine Reisen in die Gebiete, untersucht die Rolle Davids und kommt zum Schluß, daß dieser Goliath eine literarische Phantasiegestalt sein könnte, und die Rolle des David die Sehnsucht der Israeliten nach einem Helden und einem Goldenen Zeitalter sei. Ja, das dachten wir uns auch zuvor. Aber es war sehr interessant, auf diese Weise tiefer einzusteigen.

 

 

 

Info:

 

Christian Schüle, DIE BIBEL IRRT: Die sieben großen Mythen auf dem Prüfstand, Rowohlt Verlag 2010