Paul Temple als Jubiläums Kult-Edition im mp3-Format im Hörverlag, Teil 2/2

 

Elisabeth Römer

 

Köln (Weltexpresso) – Die Geschichten von Paul Temple konnte man auch in Romanen lesen, in Fernsehfilmen verfolgen, wir aber folgen jetzt den 1 263 Minuten der fünf Mal Paul Temple Sonderedition, die zum 100sten Geburtstag des Autors im Hörverlag als mp3 Version herauskamen.

 

Kleine Analyse der fünf Hörspiele

 

Als erstes: „ Wie antiquiert!“, denkt man, wenn man die Aufnahme zu hören anfängt, „Welche wunderbare Wiedergabe der Welt von gestern, der Ehe von gestern, des Lebens von gestern“, kommt bald dazu. „Wie gut ging es diesen Leuten!“ Welch Hobbydetektiv hat schon zu Hause einen etwas gutmeinenden und dummdreisten Butler Charlie? Und eine Frau, die keine andere Funktion hat, als an seiner Seite seine beste Mitarbeiterin zu sein und ihn ansonsten glücklich zu machen, seine Koffer zu packen, ihm Kaffee einzuschenken und für ihn mitzudenken.

 

Ja, das ist eine kulturgeschichtliche Erfahrung, die man beim Hören macht, eben auch zu erfahren, wie sehr sich Ehen und gesellschaftliches Umfeld gewandelt haben, auch in den besseren Kreisen, denn um die geht es, wenn Paul Temple ermittelt. Faszinierend aber bleibt vor den Verbrechen und ihrer Aufklärung durch die Temples, die Binnenbeziehung dieses Ehepaares. Wie auf dem Tablett serviert, könnte man nach den ersten Takten den Eheplausch von alleine weiterführen. Eine stets loyale Ehefrau, die sich andererseits in jeder Beziehung durchsetzt. Das sieht der Ehemann auch so, der dennoch leicht gönnerhaft sie an seinen Aufträgen teilhaben läßt.

 

Die Stimmen

 

Das Herrliche an dieser Grundkonstellation sind die Stimmen. Annemarie Cordes ist so sehr die taffe, vorherdenkende, sich aber immer wieder als Naive anbietende Ehefrau, daß wir ihr noch weitere Stunden hätten zuhören können. Und haben sie immer noch gehört, als längst zwei andere die Rolle übernommen hatten: Margot Leonard und Elisabeth Scherer. Nein, die Damen nehmen sich nichts, weil sie genau wissen, wie sie diese Steve Temple zu spielen und zu sprechen haben. Gerade weil sie immer wieder nervt und so gut gelaunt daherkommt. Und was dieser Ehemann an mit Fürsorge verbrämter Arroganz so alles daherredet, das geht auf keine Kuhhaut. Es ist das genau Voraussagbare, was nach ein paar Stunden das Hören nicht langweilig, sondern lustig macht. Insbesondere, wenn es um Hüte geht. Die findet sie schön. Jeden. Und die findet er häßlich. Jeden, den sie trägt oder neu kauft. Es stecken alle Hörspiele voll von Stereotypen.

 

Wir hatten diese fünf Hörspiele begonnen, als wir krank im Bett lagen, nicht lesen wollten und etwas angeschlagen waren. Wir waren nicht lange alleine. Die Stimmen haben eine unglaubliche Wirkung auf Jugendliche. Die lachen sich schief, wenn sie erst einmal die heute exaltiert klingenden Stimmen hören, und nehmen doch alles todernst. Die Hörspiele sind nämlich handwerklich auf höchstem Niveau gemacht. Da stimmt alles an Tönen, an Geräuschen, an Musik, an Hintergrund und der Text ist völlig verständlich – sowohl phonetisch, wie auch semantisch. Und dann waren sie vom Abspielgerät gar nicht mehr weg zu bekommen, liehen es sich in ihre Zimmer, luden Freunde ein und hörten im Jahr 2012 Paul Temple aus den Sechziger Jahren!

 

Kleine Analyse der Kriminalhandlungen

 

Sicher hat das auch mit den Geschichten selbst zu tun. Die sind typisch englisch, denkt man, und bilden doch ein weites Feld ab. Im Fall Lawrence geht es um eine Fahrt an die englische Küste, aus der sich ein ungeheures Kuddelmuddel entwickelt und viele Leichen den Weg pflastern. Nein, wir wollen nicht die Hörspiele darstellen, was den Inhalt angeht, aber doch das Feld abdecken, das vom Land spricht, gleichzeitig die Großstadt London zeigt, die in feinen Kreisen spielt, aber auch zwielichtiges Gesindel präsentiert und tatsächlich geht die Suche nach dem Mörder so weit, daß er einmal – nein, wir verraten nicht, in welchem Fall! - sogar der ermittelnde Kommissar selbst ist. Ganz schön systemkritisch für die damalige Zeit, denkt man. Der Kommissar der Mörder? Nein, natürlich nicht Sir Graham Forbes von Scotland Yard, der meint es immer sehr gut mit unserem Temple und zeigt keinen Neid.

 

Wir wollen stattdessen berichten, was uns beim Hören auffiel, was auch leichter passiert, wenn man die fünf Hörspiele hintereinander weg hört, immerhin diese 1 263 Minuten. Es gibt keine Krimihandlung ohne einen Autounfall! Das Auto spielt eine zentrale Rolle, denn es wird bei der Mördersuche vom Gegner, also dem Mörder, jedes Mal als Waffe gegen unseren Paul Temple und seine nette Steve eingesetzt. Manchmal pro Hörspiel sogar zweimal. Die angeblichen Unfälle, denn sie passieren auch anderen. Vor allem dann, wenn sie den Wagen des Hobbydetektivs geklaut haben und nun erschossen werden, weil die Mörder dachten, sie hätten Paul Temple auf dem Fahrersitz.

So viel Glück, wie die beiden Temples haben, geht ebenfalls auf keine Kuhhaut, aber wir gönnen es ihnen. Und die Toten werden erschossen oder ertränkt!

 

Ach, wir haben so viel beim Hören mitgeschrieben, wollten das Typische herausstellen, diese Stereotypen noch genauer untersuchen, welche Rolle beispielsweise andere Frauen in den Krimifällen haben. Sie sind leicht am Rand des Nervenzusammenbruchs, diese Frauen generell. Und da ist immer wieder Steve, die wie ein Fels in der Brandung durchhält und nur an der Seite ihres Pauls dann hin und wieder – sehr selten! - schwach wird und ängstlich. Trinkfest ist sie auch noch. Zwar lehnt sie meistens den Alkohol des Tags ab, aber dann trinkt sie auf den Schrecken schon mittags einen Whisky. Und Paul Temple? Ja, auch er ist trinkfest und bestellt nicht immer einen trockenen Martini. Und nichts da mit geschüttelt oder gerührt! Hier geht es schon ordentlicher zu.

 

 

INFO:

Die Sonderedition enthält folgende Kurzhörspiele: Der Fall Lawrence, Der Fall Curzon, Der Fall Alex, Der Fall Gilbert, Der Fall Genf, 3 CD im mp3-Format, Gesamtlaufzeit ca. 1. 263 Minuten. Die Edition basiert auf Produktionen des Westdeutschen Rundfunks aus den Jahren 1951 bis 1968