Ehrengast Frankreich (2017) übergab auf der Buchmesse die GastRolle an Georgien (2018)
Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zugegeben, eigentlich wären zwei Artikel über den gleichen Vorgang nicht nötig, vor allem, weil es überhaupt keine Widersprüche gibt. Hier gibt es ein anderes Motiv, nämlich die Bedeutung des Gastlandauftritts, der Auftritt des Ehrengastes auf der jährlichen Buchmesse in Frankfurt, der wahrnehmbar täglich wächst.
Wenn man sich die seit so vielen Jahren immer bedeutsamer werdenden Gastlandauftritte anschaut, dann erkennt man die wachsende Bedeutung an vielem. Das Forum hatte immer sehr interessante und sehr unterschiedliche Bespielung der Fläche im Obergeschoß für die Gastländer. Da braucht man nur an den weiten Horizont denken, den Flandern/Niederlande ins Binnenland nach Frankfurt brachte. Bücher sind Bücher und gleichzeitig gilt, Bücher sind anders als andere Bücher. Das Buch ist generall etwas so historisch Gewachsenes und gleichzeitig etwas so einfaches Ewigwährendes, so daß die erwähnte GastRolle sehr schön daran erinnert, wie in alten Zeiten Schriften gefertigt und aufgehoben wurden: in Rollen nämlich.
Wenn man nun offen sagen kann, daß die Literatur des Gastlandes immer wichtiger wurde, so korrespondiert das mit einem Rückgang der begleitenden Ausstellungen im Berich der Kunst und Kultur. Vergleicht man beispielsweise die diesjährige Situation, so gibt es zwar Ausstellungen, die französische Kunst im Mittelpunkt haben, aber ehrlich gesagt, ist französische Kunst in unseren Museen so ausgiebig verbreitet, daß es auch gar nicht nötig schien, zusätzlich Anstrengungen zu unternehmen. Das war dimetral anders, als Korea Gastland war. Da gab es ein großes Nachholbedürfnis, denn die koreanische Kultur ist nicht so präsent. So erinnert man sich gerne an die Überraschung so vieler Besucher, die zur Kenntnis nehmen mußten, daß der Buchdruck, den man als vom Deutschen Gutenberg in Mainz erfunden glaubt, schon einige Jahrzehnte früher in Korea entwickelt wurde. Das waren tolle Ausstellungen, die paßten.
Inzwischen ist der Ehrengast tatsächlich immer stärker über seine Literatur identifiziert. Da ging dieses Jahr die Post ab. Die literarische Beziehung zwischen beiden Ländern ist intellektuell funkelnd und bringt im Moment mehr auf der deutschen Seite, weil die französichen Literaten en masse ins Deutsche übersetzt, gekauft und gelesen werden. Diesbezügliche Lesungen waren ausverkauft und fanden in Bombenstimmung statt. Das macht einfach Spaß und wird über die Buchmesse hinaus wirken. Wir machten uns dennoch Gedanken, was die Franzosen eigentlich von deutscher Literatur wahrnehmen. Handke, der in Paris lebt, den kennen sie (aber nicht deshalb) und erst recht ist bekannt und beliebt der österreichische Obergrantler Thomas Bernhard sowie nach wie vor die deutschen Philosophen.
Aber kennen die Franzosen die Menasses aus Wien? Und wollen sie nun die beiden, sowohl Eva Menasse, die gestern zum Abschluß der Buchmesse die Laudatio auf die Friedenspreisträgerin Margaret Atwood hielt, wie auch Robert Menasse, der am Vorabend der Buchmesseneröffnung den Deutschen Buchpreis erhielt für seinen EU-Roman DIE HAUPTSTADT. Sicher wird dieser in viele Sprachen übersetzt werden - für solches Marketing wurde der Preis ja vorwiegend geschaffen, wir haben keinen Einwand dagegen - und sicher auch ins Französische. Aber wie sieht die Präsenz deutscher Literatur im Nachbarland wirklich aus. Wir haben uns geschworen, die nächsten Aufenthalte in Frankreich nicht so überwiegend in den Museen, sondern auch in den Buchhandlungen zu verbringen.
Nun also die Übergabe. Mein Kollege hatte ja schon die jeweilige Gastlandzitate aufgeführt und auch übersetzt.
Georgien, Ehrengast 2018, präsentiert sich auf der GastRolle mit einem Auszug aus dem Nationalepos „Der Recke im Tigerfell“ von Schota Rustaweli aus dem 12. Jahrhundert. Auch über den Auftritt der britisch-georgischen Sängerin Katie Melua wurde schon berichtet und über ihre liebenswert blumige Ansage: „Georgien ist stets in meinem Herzen. Mein Schaffen ist ein Teil meines Charakters, der nicht zuletzt aus georgischen Buchstaben geformt wurde.“
Medea Metreveli, Leiterin des Ehrengastkomitees Georgien 2018, versprach für das nächste Jahr weitere spannende und ungewöhnliche Begegnungen. „Unter dem Motto ‚Georgia - Made by Characters‘ wollen wir die große literarische Tradition des Landes, die bis ins 5. Jahrhundert zurückreicht und so reich an Genres ist, und die einzigartige Schrift präsentieren, in der sie niedergeschrieben wurde“, erklärte Medea Metreveli. „Wir wollen zeigen, wie sich die georgische Literatur seit der Unabhängigkeit Georgiens auf eine ganz andere und experimentelle Weise etabliert und wieder ihre eigene Identität entwickelt hat. Und schließlich möchten wir unsere historischen und kulturellen Erfahrungen und unsere Antwort auf die Herausforderungen der modernen Welt mit der ganzen Welt teilen.“
Foto: Medea Metreveli und Paul de Sinety © Marie Preaud