Der rechtsgerichtete Antaios Verlag lotet auf der Buchmesse Möglichkeiten aus
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Rechtsradikale Verlage und Gruppen scheinen die Funktionsweisen der Frankfurter Buchmesse besser begriffen zu haben als die Mehrzahl der literarischen und wissenschaftlichen Verlage.
Anders lassen sich die Vorgänge am Stand des rechtgerichteten Antaios Verlags nicht bewerten. Denn die braune Kamarilla, angefangen von Jörg Kubitscheks Verlag über „Identitäre“ und „Querfront“ bis zur Postille „Junge Freiheit“, hat das Forum Buchmesse genutzt. „Wir haben unsere PR-Abteilung nach außen verlagert“, äußerte Kubitschek hoch zufrieden am Messe-Freitag. Instinktlos wie selten zuvor hat die Messeleitung dazu in erheblichem Maß beigetragen.
Diese Frankfurter Buchmesse GmbH ist eine hundertprozentige Tochter des „Börsenvereins des Deutschen Buchhandels“. Letzterer ist nominell ein Interessenvertreter seiner Mitglieder, die sich aus Buchhandlungen, Verlagen, Grossisten und Agenturen zusammensetzen. Die Mitgliedschaft findet in der so genannten buchhändlerischen Verkehrsnummer ihren sichtbarsten Ausdruck. Sie ist der Schlüssel zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zwischen Buchhandlungen, Verlagen und Buchgrossisten. Wer als Händler über keine Verkehrsnummer verfügt, hat es schwer, zu üblichen, die Rentabilität sichernden Konditionen einzukaufen; es sei denn, man ist Amazon.
Dieses Unternehmen fordert regelmäßig Bezugsbedingungen ein, die nach dem Preisbindungsgesetz verboten sind. Mit ähnlicher Absicht versendet die Thalia-Gruppe Kostenrechnungen an Verlage, um diese an aufwändigen Titelpräsentationen zu beteiligen. Auch das ist nicht erlaubt. Aber wenn die geltenden rechtlichen Bestimmungen mit Billigung der Verantwortlichen massenhaft überschritten werden, werden Justitia zur Karikatur und die Gesetze zur Makulatur.
Die Freiheit der Literatur einschließlich der Meinungsfreiheit beginnt mit der Durchsetzung der sie betreffenden Vorschriften. Weder Buchmessedirektor Jürgen Boos noch der Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller, haben eine diese bekannten sowie eine andere Ungerechtigkeit, die allesamt den Bestand der Kulturbranche Buchhandel bedrohen, thematisiert. Über einen Satz von 0,005 Prozent bei der Einkommen- bzw. Unternehmensteuer würden sich viele Buchhandlungen und Verlage freuen. Aber in diesen Genuss kommt lediglich Amazon.
Wer auf der Frankfurter Buchmesse ausstellen will, benötigt keine Verkehrsnummer, was mit Rücksicht auf die ausländischen Verlage, die sich einer Zwangsmitgliedschaft widersetzen würden, so geregelt ist. Hier gelten internationale Absprachen. Dies bedeutet auch, dass es keine verbrieften Rechte, weder von Mitgliedern noch von Nichtmitgliedern der Verbände, auf eine Messepräsenz gibt.
Folglich ist die Frankfurter Buchmesse nominell kein typischer öffentlicher Raum (an drei von fünf Tagen ist sie ohnehin den Fachbesuchern vorbehalten). Deswegen ist die Entscheidung der Buchmesse GmbH, dem rechtsgerichteten Antaios Verlag einen Stand zu vermieten, nicht nachvollziehbar. Dieser Verlag ist ausweislich seiner veröffentlichten Geschäftsdaten zudem kein Mitglied des Börsenvereins, sodass es keinen Anlass für eine besondere Rücksichtnahme ihm gegenüber gibt.
Somit sind die Verlautbarungen der Leitungsgremien von Buchmesse und Börsenverein, die Meinungsfreiheit gewährleisten zu wollen, nicht glaubwürdig. Zu offensichtlich werden kommerzielle Interessen verdeckt (Standgebühren, Erlöse durch Eintrittskarten, Besucherstatistik). Die offiziöse Demonstration von Börsenverein, Buchhändlern und Verlagen gegen rechtsradikale Verlage reicht deswegen über den Charakter einer Alibi-Veranstaltung nicht hinaus.
Die geübte Praxis verletzt zudem sämtliche Grundsätze, auf denen der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels beruht. Faktisch muss sich jede/r Geehrte darüber im Klaren sein, dass die Auszeichnung auch mit Gebühren finanziert wird, die von Verlagen/Ausstellern mit menschenverachtenden Programmen aufgebracht werden.
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Verlage und Börsenverein demonstrieren gegen rechtsradikale Verlage und deren rassistische Parolen © Börsenverein des Deutschen Buchhandels