KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für Dezember 2012


Elisabeth Römer

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –  Während wir noch immer von Merle Krögers GRENZFALL, der im November Platz 1 auf Anhieb erstürmte, begeistert sind und den Film, der nach den tatsächlichen Ereignissen gedreht wurde, unten auflisten, ist GRENZFALL auf den sechsten Rang abgerutscht und der November-Vierte, James Sallis DRIVER 2, hat die Spitze übernommen.

 

Wir erinnern uns an DRIVER, das von der damaligen KrimiWelt-Bestenliste zum besten Krimi 2007 gewählt wurde sowie den Deutschen Krimipreis erhielt. Seit damals ist der Name James Sallis synonym mit dem hintergründigen Action-Noir-Schreiben. Er gilt als eines der großen Talente und als sein Krimi so erfolgreich verfilmt wurde, rannte ihm Hollywood nach einer Fortsetzung die Bude ein. Hier ist sie also und Tobias Gohlis urteilt: „ Driver 2 verhält sich zu Driver wie zwei Live-Mitschnitte einer Jazzband: sieben Jahre mehr Erfahrung machen das zweite noch leichter, tiefer, wuchtiger, schneller.“ Diesmal dauerte es etwas, bis DRIVER 2 an die Spitze geriet. Das ist der dritte Auftritt. Erst auf den achten Platz. Vom achten auf den vierten Rang, nun ganz vorne.

 

Auch Robert Littells PHILBY: PORTRÄT DES SPIONS ALS JUNGER MANN aus dem Arche Verlag ist das dritte Mal dabei und fing bei Platz 7 an und hält sich jetzt auf Rang 2. Mit Recht. Ein kluges, ein politisches und dazu auch noch ein menschliches Buch. Littell ist ja nicht nur ein guter Schreiber, sondern ein besonders guter Kenner der Ost-West-Beziehungen, was Geheimdienste miteinschließt. Wir haben mindestens dreimal unsere Meinung beim Lesen geändert, für wen denn dieser Philby hauptsächlich spionierte, an wem wirklich sein Herz hing. Littell führt uns nicht nur durch die verwirrende Handlung zwischen Wien zu Zeiten des Austrofaschismus ins brave London, von dort ins durch den Bürgerkrieg aufgewühlte Spanien etc. , sondern er verführt uns auch mit Worten.

 

Also von vorne. Natürlich waren Kim Philby und seine englischen Gentlemen Spione für die Sowjetunion. Aber haben davon die Engländer nicht nur gewußt, sondern das initiiert? Und wußten das die Russen vielleicht und haben ihre Spione für was ganz anderes benutzt? Oder hat Philby die Engländer in dem Glauben gelassen, er sei für sie der Spion in der Sowjetunion, derweil er für die aber spionierte. Was hier in dürren Worten steht, kann dieser Thrillermeister mit dem politischen Hintergrund sehr viel durchtriebener darstellen.

 

Auf Anhieb und also ganz neu auf Platz 3 folgt SÜDEN UND DAS HEIMLICHE LEBEN von Friedrich Ani. Schon der Titel hängt sich an seine literarische Wiedergeburt des Ex-Kommissar Tabor Süden als Privatdetektiv in SÜDEN dran, der Platz 2 der KrimiZEIT-Bestenliste 2011 einnahm und den Deutschen Krimipreis 2012 erhielt. Auch diesmal arbeitet der Ex-Kommissar Tabor Süden als Privatdetektiv. Aktuell wollen die Gäste und Pächter der Kneipe „Charly’s Tante“ ihre vertraute Kellnerin Inka Sellner wiederhaben. Selten war Ani so gut wie in diesem kleinen starken Roman.

 

Ein neuer alter Autor ist auch Lee Child. Tatsächlich ist UNDERGROUND auf Platz 8 erstplaziert, aber es ist der 13. Roman um den Ex-Militärpolizisten Jack Reacher. Reacher-Romane sind bei aller perfekt inszenierten Action auch sehr spezielle Kommentare zum Zeitgeschehen. Diesmal geht es um Al Quaida und die Macht der Bilder in der psychologischen Kriegsführung gegen den Terror. Alles spielt in Manhattan, entweder in der U-Bahn oder im Dunkeln. Mehr demnächst.

 

So geht es uns auch mit Platz 10, den STILLER TOD von Roger Smith aus dem Tropen Verlag einnimmt. Bei jedem neuen Roger Smith denken wir, den kennen wir schon. Weil inzwischen sein Äußeres das dritte Mal so elegant in Schwarz weiß daherkommt, eine Gestaltung die einen Preis verdiente, und sich nur die Titel von einander unterscheiden. Zudem schreibt Smith auch schwarz-weiß in diesem, seinem vierten Roman aus Südafrika. In sozialer Konfrontation: die reichen weißen Ausländer und die armen schwarzen – oder wie in diesem Fall – farbigen Bewohner der Cape Flats. Keiner ist gut, alle sind nur mehr oder minder böse und auf den eigenen Vorteil bedacht, was wir im nächsten Jahr weiterführen.

 

Zuvor aber wollen wir ankündigen, daß noch Ende Dezember die KrimiJahresBestenListe erscheinen wird. Das ist immer deshalb spannend, weil der Einäugige ja leicht König ist, aber sich unter den Zweiäugigen behaupten muß und baß erstaunt ist, wenn es auf einmal sogar mehräugige gibt. Warten wir es also ab. Sie aber können die monatlichen KrimiBestenListen des Jahres durchschauen und sich Ihre eigene Liste machen.

 

KrimiBestenListe für Dezember 2012

 

 

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(4)

James Sallis: Driver 2

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt

Liebeskind, 160 S., 16,90 €

Phoenix. Die Angreifer kann Driver töten. Aber Elsa verblutet, angeschossen. Driver wird gehetzt, wehrt sich, tötet, will nur fahren, mit Spaß an 180-Grad-Wenden. Irgendwer aus der Vergangenheit des Fluchtfahrers gibt keine Ruhe. Das Leben: Fahren, Irren, Kämpfen. Sallis: einzigartig, erneut in Driver 2.

2

2

(2)

Robert Littell: Philby. Porträt des Spions als junger Mann

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence

Arche, 288 S., 19,95

Europa 1938-1963. Voll Hintersinn ruft Littell die Zeugen des größten Spionagefalls im 20. Jahrhundert auf: Kim Philby und vier andere Cambridge-Boys waren Sowjet-Agenten. Und verwandelt, als Autor, der alle Spionagewitze kennt, die alte Geschichte mit leichter Hand in eine neue. Bravourös.

3

3

(-)

Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben

Knaur, 206 S., 8,99 €

München. Als der Kellnerin Ilka Senner angeboten wurde, die Kneipe zu übernehmen, in der sie jahrelang gearbeitet hatte, verschwand sie fast spurlos. Tabor Süden soll sie wiederfinden. Er hat es nicht weit, und schon stöbert er in ungelebten Leben, verschluckter Gewalt, logischem Irresein. Ani in großer Form.

4

4

(8)

Don Winslow: Kings of Cool

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Suhrkamp, 356 S., 19,95 €

Laguna Beach/Baja California. Ben, Chon und O vor Zeit des Zorns. Revierkriege zwischen mexikanischen Fraktionen stören Frieden und Gewinne der lässigen Hydro-Dope-Farmer. „Leck mich am Arsch“, an allem sind die Eltern schuld. Winslow betört durch verfeinerte Technik und fixe Pointen.

5

5

(3)

Carl Nixon: Rocking Horse Road

Aus dem Englischen von Stefan Weidle

Weidle, 240 S., 19,90 €

Christchurch, Neuseeland. Weihnachten 1980 wird Lucy Ashers Leiche an den Strand gespült. Und alles wird anders. Durch die Gewalt, den Mord. Eine Gruppe von Jungen verfällt der großen Suche nach dem Täter. Und der romantischen Liebe. Der stärkste Kriminalroman aus dem Gastland der Buchmesse.

6

6

(1)

Merle Kröger: Grenzfall

Argument/Ariadne, 352 S., 11,00 €

Mecklenburg-Vorpommern/Rumänien, 1992-2012. Wie Wildschweine erschossen beim Grenzwechsel: Marius und Nicu. Die Jäger freigesprochen. Marius’ Tochter Adriana kehrt zurück, um sie zu stellen. Kluge Kriminalerzählung zum Dokumentarfilm Revision. Empathisch scharfer Blick in europäische Angstzustände.

7

7

(10)

Anila Wilms: Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens

Transit, 176 S., 18,80 €

Albanien 1924. Eine Schande, unduldbare Verletzung der Gastfreundschaft: Im Bergland werden zwei amerikanische Touristen erschossen. Von Tirana, der provisorischen Kapitale, dringen Schockwellen bis London und Washington. Leidenschaftlich klug: Parabel über erzwungene Modernisierung und Staatenbildung.

8

8

(-)

Lee Child: Underground

Aus dem Englischen von Wulf Bergner

Blanvalet, 448 S., 19,99 €

New York City. Nachts in der U-Bahn: eine vermeintliche Selbstmordattentäterin. Als Ex-Militärpolizist Jack Reacher sie anspricht, erschießt sie sich. Reacher und ein Haufen Agenten suchen nach dem Geheimnis der Toten. Mitten in Manhattan tobt Schattenkrieg gegen den Terror. Intelligent, schnell, hart.

9

9

(6)

Petros Markaris: Zahltag

Aus dem Griechischen von Michaela Prinzinger

Diogenes, 518 S., 22,90 €

Athen. Trilogie der Krise Band 2: Die Armen bringen sich um, die Bourgeois hinterziehen Steuern, der Staat jault. Ein Erpresser wird Volksheld. Als „nationaler Steuereintreiber“ zwingt er die Reichen zu Nachzahlungen. Und straft mit Schierling, Pfeil und Bogen. Böse, komisch, traurig: Pflichtlektüre in finsteren Zeiten.

10

10

(-)

 

Roger Smith: Stiller Tod

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Tropen, 382 S., 19,95 €

Kapstadt. Am Reichen-Strand ertrinkt Sunny, dieweil Vater Exley kifft, Mutter Exley vögelt und Wachmann Vernon glotzt. Roger Smith packt wieder den Hammer aus. In den Cape Flats regieren Armut, Gewalt und Kindesmissbrauch. Die Weißen kommen davon. Und Vernon verliert sein Spiel.

 

 

 

Info:

Rund 1200 neue Kriminalromane erscheinen pro Jahr in Deutschland. Selbst ausgefuchste Leser verlieren angesichts dieser Masse den Überblick. Orientierung bietet aktuell die Dezember-Ausgabe der KrimiZeit-Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio. 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.



Vorgestellt wird die KrimiZeit-Bestenliste

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 6. 12. 2012 mit Tobias Gohlis gegen 8.50 Uhr im Nordwestradio Journal und in den Sendungen der Literaturzeit, nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

  • in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 6.12.2012 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste

  •  

Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.



 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR

Gunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DRadioKultur

 

http://www.revision-film.eu