Die Aushöhlung des Rechtsstaats am Beispiel des KPD-Verbots, Teil 1/2
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nicht die Partei, sondern das Verbotsverfahren gegen die KPD war verfassungswidrig, weil es nicht nach rechtsstaatlichen Regeln durchgeführt wurde.
Zu dieser Überzeugung gelangt der Freiburger Historiker Josef Foschepoth und belegt dies in einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie, die im Herbst 2017 erschienen ist. Denn die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer und das Bundesverfassungsgericht hatten sich inhaltlich über das gewünschte Ergebnis abgestimmt. Das Ermittlungsverfahren verlief nicht ergebnisoffen, die höchstrichterliche Entscheidung orientierte sich an fragwürdigen, teils manipulierten Fakten. „Es gab in diesem Verfahren keine getrennten Gewalten mehr, sondern nur noch einen Staat, der unter dem Druck der Bundesregierung darauf bestand, dass die KPD verboten wurde“, schreibt Foschepoth. Und er erläutert: „Die neuen historischen Dokumente stammen überwiegend aus Geheim-Archiven der Bundesregierung, die nur mit einer Sondererlaubnis aufgesucht werden konnten.“
Der »Staatsprozess« gegen die KPD war das größte, längste und umstrittenste Parteiverbotsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Nach fast fünfjähriger Prozessdauer verkündete das Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 das Urteil. Die KPD, alle Neben- und Nachfolgeorganisationen wurden verboten, ihr Vermögen eingezogen. Der größte Teil wurde vom Bundesinnenministerium zur Finanzierung des Vollzugs des KPD-Verbots in Anspruch genommen. Der Rest in Höhe von 4,83 Millionen DM wurde 1976/77 der Conterganstiftung überwiesen.
Im ersten Kapitel zeichnet der Historiker den Weg der KPD nach und beschreibt detailliert die historischen Voraussetzungen, die zu ihrer Gründung führten. Nämlich die sich von der SPD abgespaltene USPD sowie den Spartakusbund vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs. Während der 1920er Jahre fand die Partei ihre gesellschaftliche Verankerung und formulierte ihre politischen Nahziele. 1929 errang sie mit 17 Prozent der Stimmen ihren größten Wahlerfolg. Foschepoth dazu: „Charakteristisch für das kommunistische Milieu war eine enge Verbindung von Alltags- und Arbeitswelt, von bestimmten Stadtteilen und industriellen Großbetrieben, etwa der Kohle- und Stahlindustrie des Rhein-Ruhr-Gebietes, der Chemischen Industrie des Rhein-Neckar-Raumes oder der Schiffs- und Werftindustrie in Hamburg, Bremen, Rostock oder Kiel.“ Keimzelle der Partei waren klassenbewusste Arbeitern und Handwerker, die seit dem frühen 20. Jahrhundert eine entsprechende Tradition entwickelten, sich zunächst in der SPD, später in der USPD und im Spartakusbund organisierten und ihre Überzeugungen an die jeweils nächste Generation weitergaben.
Ihre Unbeugsamkeit gegen den NS-Staat, der sowohl sie als auch die SPD verbot, viele ihrer Funktionäre in Haft nahm und in Konzentrationslagern drangsalierte und schließlich ermordete, kostete sie 100.000 Todesopfer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es ihr erneut, innerhalb der werktätigen Bevölkerung Fuß zu fassen. Im Jahr 1947 zählte sie in den Westzonen 325.000 Mitglieder und war bis 1948 außer in Württemberg-Hohenzollern in allen Landesparlamenten und den meisten größeren Gemeinden durch Mandatsträger vertreten. In zahlreichen Betriebsräten der Großindustrie war sie präsent und stellte auch etliche Betriebsratsvorsitzende.
Im zweiten Kapitel geht Foschepoth auf den politischen Niedergang der KPD vor dem Verbot ein. Die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 in der sowjetischen Besatzungszone wirkte sich prägend auf die KPD im Westen aus und schuf eine Abhängigkeit, die weder von allen Funktionären noch von allen Mitgliedern und Wählern gewünscht war. Die Partei musste sich allein aus finanziellen und organisatorischen Gründen der SED unterordnen, die sich ihrerseits an den strategischen Interessen der Sowjet Union zu orientieren hatte und einen eigenständigen deutschen Weg zum Sozialismus, wie ihn beispielsweise der SED-Politiker Anton Ackermann gefordert hatte, verwarf.
In aussichtslosen Kampagnen wie der für die Einberufung eines Volkskongresses oder der zur Bildung einer Nationalen Front für ein wiedervereinigtes Deutschland verschleuderte die KPD ihre Energien und vernachlässigte eine eigenständige politische Ausrichtung. Als sie auf dem Hamburger Parteitag im Dezember 1954 zum „revolutionären Sturz der Adenauer-Regierung“ aufrief, war das mehr ein Hilferuf als ein ernstzunehmendes politisches Signal. Schließlich gehörte sie bereits seit einem Jahr nicht mehr dem Deutschen Bundestag an und hatte an Bedeutung erheblich eingebüßt. Doch neben der mit massivem Druck eingeforderten gesamtdeutschen Solidarität aller Sozialisten durch die SED und einem Bekenntnis zum Sozialismus in der DDR, geriet die KPD auf der anderen Seite in Bedrängnis durch die von Kurt Schumacher neu positionierte SPD. Die war seit der von Adenauer offen proklamierten Westbindung der Bundesrepublik mehr zu einer Apposition denn zu einer Opposition geworden.
Nach der ausführlichen Schilderung der politischen Rahmenbedingungen, denen sich die KPD kaum noch inhaltlich gewachsen zeigte, geht Josef Foschepoth zur ausführlichen Erörterung der rechtsstaatlichen Strukturen in Adenauers Bundesrepublik über. Denn für die 1950er Jahre lässt sich eine strafrechtliche Verfolgung politisch missliebiger Gesinnungen eindeutig nachweisen. Das war möglich geworden, weil der CDU-Staat im Zuge der so genannten „Renazifizierung“ auf Juristen und Beamte zurückgriff, die dem Nazi-Regime vorbehaltlos gedient hatten. Das wurde beispielsweise deutlich bei der Verabschiedung des „Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes“ am 30.8.1951 und des „Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht“ am 12.3.1951. Parallel dazu wurde ein Verfassungsschutz (seit November 1951 als Bundesamt in Köln) aufgebaut und Sonderstrafkammern auf Bundesebene, so genannte 74er Strafkammern, eingerichtet. Diese verfolgten aufgrund einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) von 1952 nicht nur politische Gesinnungen, sondern auch angeblich kommunistisch beeinflusste politische Organisationen, ohne sich dabei auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil berufen zu können. Zwischen 1951 bis 1960 waren davon 125 Organisationen betroffen, darunter die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) oder die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (GDSF).
Teil 2 dieser Buchbesprechung trägt den Titel: Im braunen Geist mit schwarzer Kraft
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Bibliografische Angaben:
Foschepoth, Josef
Verfassungswidrig!
Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Erscheinungsdatum 11.09.2017
Auflage