Nicht immer die allerneuesten, aber richtig gute Bücher verschiedener Genres und Themen, Teil 26/30

 

Rebecca Riehm

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) Manche Namen ziehen auch ohne Jubiläum. Michelangelo Merisi da Caravaggio (29. September 1571 – 18. Juli 1610) ist so einer, der als streitbarer Charakter genauso bekannt ist wie als stupender Barockmaler.

 

 

Maler, Mörder, Mythos, Geschichten zu Caravaggio

 

heißt ein Buch, das als Korrespondenz zur damaligen Caravaggio-Ausstellung in Düsseldorf CARAVAGGIO. AUF DEN SPUREN EINES GENIES vom 9.12. 2006-7.1.2007vom Kunstverlag Hatje Cantz herausgebracht wurde und in dem sich acht ausgesprochen bekannte Schriftsteller zu einzelnen Bildern/ seinem Leben in Form von Kurzerzählungen/Essays äußern. Das Kurzweilige beim Lesen ist die absolute Unterschiedlichkeit der Inhalte und Erzählformen, die herauskommt.

 

Während Ingrid Noll als auktoriale Erzählerin in DAS WEISSE HEMD DER HURE lebenswarm von sich gibt, was so eine uneheliche Tochter einer Prostituierten als Aufstiegsmöglichkeiten von sich gibt, entfaltet sich das bunte Bild einer Gesellschaft zwischen Bordellen und berüchtigten Spelunken, in denen ein gewisser Caravaggio den Ton angibt: „Der wildeste dieser Kerle hieß Michelangelo Merisi, aber...“ Völlig unaufgeregt erzählt sie: „Im Übrigen treibe er es mit Männern und Frauen, Mädchen und Knaben, vielleicht sogar mit Tieren.“ und hat Spannendes über das Posieren für Bilder zu berichten, wo das Leben und die Kunst eins werden.

 

Völlig anders dann Henning Mankell, der mit WIE PFERDE MIT SCHAUM VORM MAUL sich ins Lyrische wagt und tatsächlich die letzten Tage des Meisters Zeilen angeht:

 

KANN MAN IHN SEHEN AM STRAND

SEINE FUSSSPUR IM RÖMISCHEN SAND...

 

und das auf 25 Seiten, die enden:

 

DAS EINZIGE, WAS ER NIE MALTE.

WAR DAS MEER.

 

 

Die Farbe der Sonne. Ein Caravaggio Roman

 

Den hat Andrea Camilleri verfaßt, der übrigens auch im obigen Ausstellungsbuch einen Beitrag hat, von dem wir nun doch verraten müssen, daß er eigentlich um dasselbe Thema geht. Aber er sollte für Düsseldorf 15 Seiten schreiben, hatte aber schon diesen kleinen Roman verfaßt. Während er alles zusammenstrich und unter dem Titel „Die schwarze Sonne“ auch im Ausstellungsbuch dabei ist, liegt hier der gesamte Text vor. Diesen Roman hat Rowohlt zum Caravaggio-Jubiläum 2010 herausgebracht, immerhin zum 400. Todestag. Um den Tod geht es auch, aber dies ist ein gewitzter Roman, der so beginnt, daß Camilleri in Sizilien, seiner Heimat, 2004 fast entführt wird.

 

Auf jeden Fall wird er mit verbundenen Augen in die Campagna gebracht, wo ihm das bisher unbekannte und also auch nie veröffentlichte Tagebuch des berüchtigten Caravaggio von einem Carlo übergeben wird, dessen Schicksal ein schreckliches sein wird. Die Geschichte selbst kennt man, daß Caravaggio wegen Totschlags 1606 aus Rom floh und 1607 nach Malta geriet – ja, in der Kathedrale hängt bis heute sein 1608 gemaltes Monumentalgemälde Johannes der Täufer - und sogar Malteser Ritter werden durfte.

 

Autor Camilleri schmückt den Aufenthalt auf Malta nun im fiktiven Tagebuch in die Richtung aus, daß Caravaggio dort wahnsinnig wird und ihn eine seltene Augenkrankheit befällt, die ihn auch die Sonne schwarz sehen läßt, weshalb er eine neue Sonnentheorie aufstellt. Die literarische Figur Camilleri ist so gefesselt, daß er flugs Abschriften vom Tagebuch macht, die aber nur auszugsweise und durcheinander sind, aber seinen Freunden so sensationell erscheinen, daß er sie veröffentlichen will, aber diesem Carlo das Gegenteil versprach. Da...

 

 

INFO:

 

Maler, Mörder, Mythos, Geschichten zu Caravaggio, hrsg. von Jean-Hubert Martin u.a., Hatje Cantz 2006

 

Andrea Camilleri, Die Farbe der Sonne. Ein Caravaggio Roman, Rowohlt Verlag 2010