KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für Januar 2013, Teil 1
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Das freut einen, daß Friedrich Ani auch mit seinem xten Krimi um den Münchner Ex-Kriminalbeamten und real existierenden Privatermittler Tabor Süden aus dem Verlag Knaur SÜDEN UND DAS HEIMLICHE LEBEN den ersten Platz eroberte und nebenbei auch gleich auf die JahresBestenListe geriert. Allein die Gespräche mit seiner Chefin sind zum Brüllen. Aber eigentlich ist alles zum Weinen, denn Ilka Senner ist eine beliebte und herzhaft anpackende Kellnerin.
Gerade als sie auf die Sonnenseite des Lebens wechseln soll – die abhängige Beschäftigung mit der Chefposition tauschen – ,verschwindet sie. Keiner weiß wohin, keine weiß warum. Doch für solche Fälle ist Tabor Süden der Richtige, denn meditativ, manchmal geradezu umnachtet, dann wieder hochkonzentriert, sammeln sich in seinem Kopf all die Argumente und Beweisfitzelchen, die ganz klar ein eine Richtung weisen: Ilka lebt, aber steht vor einer existentiellen Krise, die sich dann auch Luft macht.
Auf Platz 2 hat Mike Nicol mit KILLER COUNTRY leider Robert Littells PHILBY. PORTRÄT DES SPIONS ALS JUNGER MANN aus dem Verlag Arche verdrängt. Das 'leider' bezieht sich darauf, daß wir Littell schon kennen und schätzen, aber für uns Mike Nicol neu ist und wir bisher nicht mehr wissen, als die KrimiBestenListe uns sagt: Im zweiten Band seiner „Rache-Trilogie“ geht es weiter um den Versuch der beiden Ex-Waffenhändler Mace und Pylon, ein finanziell gesichertes bürgerliches Leben aufzubauen. Gegenspieler sind ein korrupter Politiker und eine rachedurstige Anwältin. Sittenbild aus dem Südafrika von heute. Robert Littell aber ist mit seiner Spionagebiographie unter die zehn besten Krimis 2012 gekommen und wir wollen diesen Buch unbedingt weiterempfehlen, für alle die, die Spionagegeschichten für Märchen halten!
Auf den dritten Rang vorgerutscht ist Don Winslow mit KINGS OF COOL aus dem Suhrkamp Verlag, der ein Vorgänger vom erfolgreichen und erfolgreich verfilmten Band ZEIT DES ZORNS ist. Das Dreierpärchen Ben, Ohon und O, die aus dem feinen Haus, bereiten hier die Basis für die spätere tödliche Auseinandersetzung im mexikanischen Drogenkrieg. Merle Krüger folgt - vom sechsten auf den vierten Rang für die, die schon viermal dabei waren, nachgerückt – mit GRENZFALL aus dem Verlag Argumente/Ariadne, das dritte Buch von dieser Liste, das auf der Jahresbestenliste steht. Es bleibt auch beim dritten Mal auf dieser Monatsliste ein tolles Buch, das es schafft, die Wirklichkeit so nachzuerzählen, daß man wetten möchte, so etwas kann es gar nicht geben.
Dabei ist wahr, was auch in dem Dokumentarfilm – Link unten – gezeigt wird, der anläßlich des Versuchs der Aufklärung durch die junge Rumänin gedreht wurde: Zwei deutsche Jäger haben im Grenzgebiet Mecklenburg-Vorpommern Wildschweine erlegt. Allerdings waren die Toten dann zwei Rumänen. Das geschah, ohne daß irgendein Hahn danach krähte und das Erschießen von zwei Menschen zum Unfall erklärte oder als Verbrechen brandmarkte. Die Tochter setzt das nach fast zwei Jahrzehnten in Gang. Hätten Sie geglaubt, daß so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich wäre. Wir nicht. Ist aber passiert.
Auch Roger Smith hat einen Satz gemacht: vom zehnten auf den 6. Platz. Sein STILLER TOD aus dem Tropen Verlag soll endlich das nächste Mal ausführlicher vorgestellt werden. Wir sind sicher, er bleibt dabei und sind mitten in der Lektüre.
KrimiZeit – die Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio 1/2013
Lfd. Nr. |
Rang |
Vor-monat |
Titel |
1 |
1 |
(3) |
Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben Knaur, 206 S., 8,99 € München. Als der Kellnerin Ilka Senner angeboten wurde, die Kneipe zu übernehmen, in der sie jahrelang gearbeitet hatte, verschwand sie fast spurlos. Tabor Süden soll sie wiederfinden. Er hat es nicht weit, und schon stöbert er in ungelebten Leben, verschluckter Gewalt, logischem Irresein. Ani in großer Form. |
2 |
2 |
(-) |
Mike Nicol: Killer Country Aus dem Englischen von Mechthild Barth btb, 512 S., 14,99 € Kapstadt. Band 2 der „Rache-Trilogie“. Mace und Pylon, ehemals Waffenhändler des ANC, jetzt Nobel-Security, wollen in Frieden ihr Erspartes investieren. Doch Ex-Politiker Ocho und Anwältin February spielen nicht ehrlich. An dickes Geld kommt man nur durch Mord. 20 Jahre Demokratie haben daran nichts geändert. |
3 |
3 |
(4) |
Don Winslow: Kings of Cool Aus dem Englischen von Conny Lösch Suhrkamp, 356 S., 19,95 € Laguna Beach/Baja California. Ben, Chon und O vor Zeit des Zorns. Revierkriege zwischen mexikanischen Fraktionen stören Frieden und Gewinne der lässigen Hydro-Dope-Farmer. „Leck mich am Arsch“, an allem sind die Eltern schuld. Winslow betört durch verfeinerte Technik und fixe Pointen. |
4 |
4 |
(6) |
Merle Kröger: Grenzfall Argument/Ariadne, 352 S., 11,00 € Mecklenburg-Vorpommern/Rumänien, 1992-2012. Wie Wildschweine erschossen beim Grenzwechsel: Marius und Nicu. Die Jäger freigesprochen. Marius’ Tochter Adriana kehrt zurück, um sie zu stellen. Kluge Kriminalerzählung zum Dokumentarfilm Revision. Empathisch scharfer Blick in europäische Angstzustände. |
5 |
5 |
(2) |
Robert Littell: Philby. Porträt des Spions als junger Mann Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence Arche, 288 S., 19,95 Europa 1938-1963. Voll Hintersinn ruft Littell die Zeugen des größten Spionagefalls im 20. Jahrhundert auf: Kim Philby und vier andere Cambridge-Boys waren Sowjet-Agenten. Und verwandelt, als Autor, der alle Spionagewitze kennt, die alte Geschichte mit leichter Hand in eine neue. Bravourös. |
6 |
6 |
(10) |
Roger Smith: Stiller Tod Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Tropen, 382 S., 19,95 € Kapstadt. Am Reichen-Strand ertrinkt Sunny, dieweil Vater Exley kifft, Mutter Exley vögelt und Wachmann Vernon glotzt. Roger Smith packt wieder den Hammer aus. In den Cape Flats regieren Armut, Gewalt und Kindesmissbrauch. Die Weißen kommen davon. Und Vernon verliert sein Spiel. |
7 |
7 |
(-) |
Åsa Larsson: Denn die Gier wird euch verderben Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs C. Bertelsmann, 384 S., 19,99 € Kiruna. Frans Usitaalos Hand wird im Magen eines Bären gefunden, seine Tochter ist mit zigmessertichen ermordet worden und sein Enkel wird beinahe erstickt. Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella ermitteln Familien- und Regionalgeschichte: Die Minenstadt Kiruna als Moloch, der Geld spuckt, wenn man ihm Kinder opfert. |
8 |
8 |
(-) |
Reginald Hill: Rache verjährt nicht Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Suhrkamp, 686 S., 19,95 € London/Cumbria. Kinderschänder oder Hedgefonds-Manager – welche Anklage wirkt schwerer? Wolf Hadda, nach Fluchtversuch zum Monster verkrüppelt, geht für beides in den Knast. Nach sechs Jahren wieder frei, sinnt er auf Rache. Posthumes Wunderwerk englischer Erzählkunst. Hill ist 2012 verstorben. |
9 |
9 |
(9) |
Petros Markaris: Zahltag Aus dem Griechischen von Michaela Prinzinger Diogenes, 518 S., 22,90 € Athen. Trilogie der Krise Band 2: Die Armen bringen sich um, die Bourgeois hinterziehen Steuern, der Staat jault. Ein Erpresser wird Volksheld. Als „nationaler Steuereintreiber“ zwingt er die Reichen zu Nachzahlungen. Und straft mit Schierling, Pfeil und Bogen. Böse, komisch, traurig: Pflichtlektüre in finsteren Zeiten. |
10 |
10 |
(5)
|
Carl Nixon: Rocking Horse Road Aus dem Englischen von Stefan Weidle Weidle, 240 S., 19,90 € Christchurch, Neuseeland. Weihnachten 1980 wird Lucy Ashers Leiche an den Strand gespült. Und alles wird anders. Durch die Gewalt, den Mord. Eine Gruppe von Jungen verfällt der großen Suche nach dem Täter. Und der romantischen Liebe. Der stärkste Kriminalroman aus dem Gastland der Buchmesse. |
Info:
Rund 1500 neue Kriminalromane erscheinen pro Jahr in Deutschland. Selbst ausgefuchste Leser verlieren angesichts dieser Masse den Überblick. Orientierung bietet aktuell die Januar-Ausgabe der KrimiZeit-Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio.
Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.
Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenliste
- im NordwestRadio am Donnerstag, den 3. 1. 2013 mit Ulrich Noller gegen 8.50 Uhr im Nordwestradio Journal und in den Sendungen der Literaturzeit, nachzuhören unter http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html
-
in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 3..1.2013 und unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste
-
Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.
Die Jury setzt sich zusammen aus:
Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt
Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR
Gunter Blank, Sonntagszeitung
Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau
Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DradioKultur
In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal inzwischen darf ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt. und die wir für 2012 ebenfalls kommentierten.
Info:
Film zu Grenzfall