Serie: Spezielle Literatur: Kinder, Filme, Musik, Wissenschaft 2/10

 

Irene Jacob

 

München (Weltexpresso) - Wer weiß, wie sehr Kinder und Teenager Pferde lieben, der weiß, daß es vor allem die Mädchen sind, die eine Affinität zu Pferden, ihre Sorge dafür, dem Voltigieren und dem richtigen Reiten haben. Aber die Mädchen sind auch diejenigen, die, sind sie klein und niedlich, Engelchen genannt werden, während die Bengelchen stramme Jungenswaden haben.

 

PFERDESTARKE GIRLS-VORSICHT, PFERDEKUSS!

 

Hier geht es um Pia. Sie lernt auf dem Reiterhof Sophie kennen. Die spinnt. Denn sie hat ein Pferd geschenkt bekommen und will nichts von ihm wissen. Wie ungerecht ist die Welt. Denn Pia wäre schon glücklich, wenn sie das Pferd versorgen dürfte, es striegeln, streicheln, füttern... Die Autorin nimmt den Leser, besser: die junge Leserin mit auf die Reise, ihre Gedanken, Gefühle und die Ereignisse mitzuerleben. Auch sprachlich.

 

Da sind die Kapitel formuliert wie: „3.Kapitel, in dem ich ganz ungewollt zur Pflasterdiebin werde“; „8.Kapitel, in dem ich vor Glück übergehe und vor Ärger platze“ . Wie es ausgeht, wollen wir nicht verraten, nur, daß es sich immer lohnt, auch mit denen umzugehen, die das Gegenteil von einem selbst zu sein scheinen. Denn Menschen vermögen miteinander ganz anderes als ohne einander oder gegeneinander.

 

ANGEL & LUZIE. EIN ENGEL KOMMT SELTEN ALLEIN

 

Wie ist der Mensch? Edel, hilfreich und gut?, fragt Johann Wolfgang Goethe in DAS GÖTTLICHE. Die Kinderbuchautorin Bianka Minte-König sieht das gelassener und läßt den Dualismus Volten schlagen, wenn sie in ANGEL & LUZIE. EIN ENGEL KOMMT SELTEN ALLEIN! für die neunjährige Marie zum Geburtstag einen Schutzengel vorsieht. Aber eben, ein Engel kommt selten allein. Denn da treibt sich auch dieses Teufelsmädchen herum, die Luzie. Beide haben es auf Marie abgesehen, denn Kinder sind in Engelshand Wachs, denken sich die himmlischen Heerscharen.

 

Was nachgerade unrichtig ist, denn Kinder haben ihren eigenen Kopf. Noch. Ehe die Erwachsenen mit Engel und Bengeltönen dem allgemeinen Bewußtsein in Kinderköpfe Platz machen. Aber so weit sind wir noch nicht. Schließlich sind das gute und das fiese Engelchen nicht altruistisch unterwegs. Der erfolgreiche Umgang mit Marie soll ihnen etwas bringen: Punkte für die himmlisch-höllische Schutzengel- und Teufelsprüfung. Für noch ungeübte Leser strukturieren die rotmarkierten Sätze die Aussagen der einen, die grauen die der anderen und die schwarzen den sonstigen Text. Und Ute Ohlms zeichnet uns die Bagage.

 

 

DAS GROSSE BUCH DER ABENDGEBETE

 

Dies Buch gehört in Kinderhand, denn die große Schrift, die großzügige Verteilung von Text und Zeichnungen, die farbige Gestaltung erfreut einfach Kinder. Das wußten wir gleich und haben es erfolgreich überprüft. Gedacht allerdings ist es zum gemeinsamen Gebrauch von Eltern mit ihren Kindern. Am besten als Ritual vor dem abendlichen Zubettgehen. Die Autorin geht davon aus, „gemeinsam mit Ihren Kindern das Beten wieder neu zu entdecken: in alten und neuen Texten, im Bitten, Danken und im Segen.“ Den Anfang machen GEBETE AUS DER TRADITION“, wo wir sofort der bekannten ersten Zeile SCHON GLÄNZT DER GOLDE ABENDSTERN nichtsmehr hinzufügen können. Das geht uns oft so bei diesen Abendgebeten, die ja oft Abendlieder sind, daß die Anfänge im Gedächtnis noch da sind, der Text sich dann aber leider atomisiert.

 

DER MOND IST AUFGEGANGEN von Matthias Claudius gehört zu den bekanntesten und schönsten Abendliedern und wir können die anderen nicht alle benennen und deren Autoren, viele deutsche Dichter, auch nicht. Die Kapitelunterscheidungen sind für uns eher aus formalen denn inhaltlichen Gründen vorgenommen. Struktur muß sein und wirklich sind die BITTEN eher ein Zwiegespräch mit Gott und ein Überredungsmanöver, wobei GOTT keine furchterregende oder gar allzusehr christliche Größe ist, sondern eben auch der menschlichen Wunschfigur gilt, die Joachim Ringelnatz so ausdrückt:

 

Lieber Gott, ich liege

im Bett. Ich weiß, ich wiege

seit gestern fünfunddreißig Pfund.

Halte Pa und Ma gesund.

Ich bin ein armes Zwiebelchen,

nimm mir das nicht übelchen.

 

INFO:

 

Marlene Jablonski; Perdestarke Girls. Vorsicht, Pferdekuß!, Kosmos Verlag 2006

 

Bianka Minte-König, Angel & Luzie. Band 1. Ein Engel kommt selten allein! Ueberreuter Verlag 2012

 

Marlene Fritsch, Das große Buch der Abendgebete. Mit Illustrationen von Rita-Efinger-Keller, Patmos Verlag 2011