b verlegerin2Die Autobiographie, die zum Film von Spielberg führte, bei Rowohlt Taschenbuch, Teil 2/2
Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. Februar 2018, Teil 4


Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Diese dem Buch eingefügte Bilder auf 32 Seiten sind sein Gerüst, denn mir ging es auch jetzt bei der Besprechung so, daß ich immer wieder in ihnen blätterte, weil diese Fotos zeigen, was das Hauptleben dieser Katharine Graham ausmacht: aus einem vielfältigen Familienleben kommend, selber als Mutter und Ehefrau die Familie zum Mittelpunkt zu machen, dann aber auch – erst als Verlegergattin, dann als Verlegerin selbst mit allen, aber auch wirklich allen Präsidenten der USA im Bild abgebildet zu sein - eine wichtige Person, eine wichtige Frau also.

Schlüsselbild ist für mich das Foto: MEIN VATER UND ICH, wo im großbürgerlichen Salon der Vater im Halbprofil in einem eher schlichten Holzstuhl sitzt, ihm gegenüber die Tochter, also auch im Halbprofil, aber sogar auf derselben Höhe. Die Kleine sitzt nämlich auf der Armlehne eines bombastischen Sessels, also auf Augenhöhe. Sie ist vielleicht 5-6 Jahre, hat die Beine wie eine Lady übereinander geschlagen und ihre Hände um die Knie geschlungen. Aug in Aug mit dem Vater, der sie anlächelt. Die typische Vatertochter, wie sie von der Psychologie als Archetypus beschrieben wird. Denn die Liebe des Vaters macht solche Mädchen im weiteren Leben ziemlich unangreifbar, je zum Opfer zu werden.

Warum diese Bemerkungen nicht weg-, sondern hinführen zum Text, hat damit zu tun, daß wir Katharines Wachsen an und inmitten der Familie dann auch im Text gespiegelt sehen. Familie war der Fundus ihres Lebens. Sie widmet ihre Erinnerungen den Eltern, dem Ehemann, den Kindern. Niemandem sonst. Katharine Meyer wurde 1917 im Staat New York geboren und 1933 hatte ihr Vater ,der Finanzier Eugene Meyer die damals fast bankrotte WASHINGTON POST gekauft. Auch dazu gibt es ein Foto, das zeigt, daß ihr Vater die Zeitung auf einer Auktion ersteigert hatte. Als sie später nach dem Freitod ihres Mannes das Zeitungsgeschäft selbst übernahm, hatte sie nicht nur die Washington Post, sondern auch - ziemlich unbedeutend – das später erfolgreiche Nachrichtenmagazin NEWSWEEK am Hals, das sie ebenfalls zu hohen Auflagen und einem geschäftlichen Erfolg führte.

Sie beginnt mit den Wurzeln ihres Vaters aus einer angesehenen jüdischen Familie aus Elsaß-Lothringen. Man liest das alles mit dem Wunsch, es hätte für so begabte und unternehmungslustige Leute auch hierzulande solche Chancen gegeben, deretwegen sie in die USA auswanderten und sich diese Chancen auch erarbeiteten. Allerdings ging das nicht immer gut. Er war ein Investor, der Firmen aufkaufte, mit ihnen aufstieg, sie wieder verkaufte oder gleich bankrott ging. Rauf und Runter ist wohl etwas, was im amerikanischen Leben viel selbstverständlicher ist als bei uns. Aber ab irgendwann ging es nur noch aufwärts und schon 1915 wurde dessen Vermögen auf zwischen 40 und 60 Millionen geschätzt. Und das war, bevor seine Allied Chemical – Vorbild für den Zusammenschluß der deutschen Chemiewerke in der I.G. Farben? - die Supergewinne abwarf, weil es die Zeit war, in der sich wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in die Anwendung überführen ließen, z.B. Stoffe und alles, was sich heute Plastik u.a. nennt.

Als es dem Vater 1933 gelang, die WASHINGTON POST zu ersteigern, war dies für ihn ein Lebenswerk, sein wichtigstes Projekt. Das weiß Katharine alles aus den Tagebüchern des Vaters, aus denen sie ausführlich zitiert. Sein Leben hatte auch viel mit Selbstbestätigung und Selbstvergewisserung zu tun. Aber auch mit immenser Arbeitszeit und Druck des Bewährens. Daß halbkriminell sich die Zeitungskonkurrenten, hier diejenige, die bei der Versteigerung unterlag, eine Schlacht liefern, kennen wir eigentlich nur aus den Großmärkten, doch weniger von Zeitungen. Aber kühl breitet Mrs Graham die Sünden der Konkurrenz aus, die ihrem Vater zusetzten. Der aber hatte nicht das Geld, nicht mal den Einfluß, sondern das ethische Gesetz von Zeitungen im Kopf: Treuhänderin der Öffentlichkeit, der Demokratie dienen (S.70)

Dies muß man als Unterschied zur deutschen Zeitungsöffentlichkeit konstatieren. Zwar ist bei uns die Zeitungsvielfalt immer noch enorm, aber Zeitungen orientieren sich bei ihrer Berichterstattung doch eher am Leser, also, was dieser gerne lesen möchte, denn als öffentlicher Aufpasser, daß die Demokratie nicht gefährdet würde. Will sagen, oft sind bei uns mitfühlende Reporter und Leser doch verständnisvoll auf Seiten der Macher und Mächtigen, denn rigoros Aufklärung zu fordern, wo man Mauscheleien oder Schlimmeres bei Oberen, auch bei Politikern vermutet.

Das zu konstatieren ist deshalb so interessant, weil es weite Kreise des amerikanischen Zeitungswesens gibt, die absolut keinem Ethos verpflichtet ist, schon gar nicht einem politischen, sondern genau das Leserinteresse bedienen, das Diffamieren der einen mit Größenwahnphantasien der anderen eint. Auch bei uns gibt es unterschiedliche journalistische Qualitätsansprüche, aber eine so unterirdisch voreingenommene Presse dann doch nicht. Ob allerdings unsere Spitzenzeitungen mit dem aufklärerischen Ethos der amerikanischen mithalten können, können wir uns nur wünschen. Aktionen wie damals DIE SPIEGE-AFFÄRE liegen halt doch lange, sehr lange zurück.

Doch der private Faktor ist bei den Aufzeichnungen immer dabei. Katharine Meyer verfügt über genug Tagebücher und Briefe und daß sie daraus zitiert, macht dieses Buch noch reicher, als man am Beginn ahnt. Im Frühjahr 1940 sprechen die beiden jungen Leute: Katharine Meyer und Phil Graham über eine frühe Heirat (23 und 25 Jahre alt). Phil schrieb am 17. März d.J. an seinen Vater: „...Ihr Name ist Katherine (sic) Meyer, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Du sie mögen wirst. Vielleicht hast Du schon von ihrem Vater gehört. Eugene Meyer, der jetzt Herausgeber der Washington Post ist und früher unter anderem Chef der Federal Reserve war...Er ist Jude, Republikaner und stinkreich. Wegen der beiden letzten Faktoren mag ich ihn eigentlich nicht besonders der erste Punkt scheint mir unwesentlich zu sein, aber ich erwähne ihn Dir gegenüber wenigstens. Ihre Mutter ist Nichtjüdin; sie war eine der ersten Journalistinnen in diesem Land, und alle halten sie für ziemlich brillant; aber ich finde sie recht unattraktiv...“ (Seite 131)

So richtig sympathisch wird einem der zukünftige Ehemann nicht, aber die spätere Verlegerin zeigt früh, daß sie auch vor Bloßlegen eigener Schwächen nicht zurückschreckt, wozu gehörte, daß der Vater seinem Sohn erst einmal den Umgang mit einer Jüdin, bzw. noch schlimmer: eine Heirat mit ihr verbot. Doch die Eltern berappelten sich und wünschten Glück, da war es aber der Sohn der die Eltern zur Hochzeit auslud, denn er fürchtete sich davor, wenn die Eltern erst den Prunk und Protz, einfach den Reichtum der Familie seiner Braut mit Augen sahen. Ob er sich deshalb bei seiner Verlobung total betrank, ist nicht berichtet, aber auch dem eigenen Mann gegenüber legt Katharine keine Scheuklappen an, sondern redet Tacheles, nie despektierlich, einfach offen und ehrlich.

Nein, wir wollen die Ehe und das Engagement der jungen Journalistin bei der Washington Post jetzt nicht weiterverfolgen. Das Eigentliche kommt ja alles erst und auch der Film fängt ja erst viel viel später an. Aber schon 150 von 680 Seiten mit ausführlicher und interessanter Materialverarbeitung zeigt, daß hier jemand schreibt, der was zu sagen hat. Man hat einfach viel von den Ausführungen, die über die Beschäftigung mit dieser Frau und ihrer Funktion weit hinausgehen. Und das Bild, das durch die wie immer eindrückliche Darstellung ihrer Person durch Meryl Streep doch schon positiv besetzt war, ändert sich, wird einfach lebendiger. Im Film kam sie doch sehr als eine Frau rüber, die durch den plötzlichen Tod des Ehemanns mit der gewaltigen Aufgabe der Herausgeberschaft der WASHINGTON POST an die Grenzen ihrer Persönlichkeit gelangte und diese im Gespann mit ihrem Chefredakteur Ben Bradlee unter der besonderen Anforderung der Veröffentlichung der Papiere überschreiten konnte. I woh, diese Frau war schon davor, eine kluge und zupackende Wahrnehmerin der Welt und der Politik. Sie hatte endlich die Chance, dies auch zu beweisen.

c verlegerinP.S.
Die Überschrift bezieht sich auf die Aussage, als Robert Redford die Filmrechte über Watergate kaufte, was als DIE UNBESTECHLICHEN ins Kino kam, ihr sei gesagt worden, daß ihre Rolle mit Raquel Welch besetzt werde, falls beide die gleichen Maße hätten. Haha. 
Und was die Fotos mit all den Präsidenten angeht. Es könnte auch umgekehrt sein und diese Männer begrüßen sie, die Präsidentin.

Fotos:
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Info:
Katharina Graham, Die Verlegerin. Wie die Chefin der ‚Washington Post‘ Amerika veränderte, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Neuausgabe Februar 2018