Serie: Spezielle Literatur: Kinder, Filme, Musik, Wissenschaft 3/10
Roman Herzig
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ganz interessant, den Wortänderungen zuzuschauen, wie derzeit aus dem Comic, was mal Comics hieß, weil es nur im Plural möglich war, denn es geht um comic strips, komische Streifen eben, die Geschichten erzählen, wie derzeit daraus grafische Novellen werden. Diese Eindeutschung der Graphic Novel soll ausdrücken, daß es sich nicht um Heftchen, sondern Bücher mit Anspruch handelt, die aber Bilder und Text als Einheit beibehalten.
Engelmann No 1 „Der gefallene Engel“
Hier geht’s um die erste Zusammenfassung der Engelmanncomics, die jetzt zur grafischen Novelle werden und in einem schönen bunten Band auf edlem Papier wirklich war hermachen. Im ersten Buch wird der kugelrunde Knirps mit dem 'e' auf dem rosa Bauch, den blauen Flügelchen und Watschelfüßen 'geboren', sprich auf die Welt geworfen, sagt aber: „Na ja, wenn ich ganz ehrlich bin, gefällt mir mein CHARAKTER-DESIGN nicht besonders.“ Na, das kann ja heiter werden.
Zuerst hielten wir ihn für einen Kopffüßler, aber da wäre der Kopf zu viel, den hier langt die Nase oder eigentlich ist der Bauch mit der Nase der Kopf. So fängt es schon an. Besser also, sich von seinen Gewohnheiten zu verabschieden und sich auf Engelmann einzulassen. Der wird nun geschäftsgemäß in der großen Welt erst einmal auf den getrimmt, den sich die Leute vorstellen sollen: EMPFINDSAMKEIT, AMBIVALENZ und GUT-ZUHÖREN-KÖNNEN. Da sieht man mal, daß diese grafische Novelle ein futuristisches Ereignis beschreibt. Denn welcher Mann könnte diese drei Dinge vereinen?
Seine eigentliche Geburt kommt aber später als die leibliche. Denn „nach einem ATOMUNFALL auf einer katholischen Privatschule verwandelt sich der kleine Hansi Engelmeier in den sagenumwobenen ENGELMANN.“ Und dann geht’s los. Ein Abenteuer nach dem anderen. Dessen öffentliche Wahrnehmung wird durch den großen Bruder allerdings gestylt. Inhaltlich und in der Erscheinung. So erhält er seine bürgerliche Tarnidentität als REDAKTEURIN BEI EINER FRAUENZEITSCHRIFT. Aber das ist nur der Anfang von Wandlungen und Umwandlungen, die in den einzelnen Geschichten stattfinden, die man überhaupt nicht zusammenfassen kann, sondern nur weitersagen kann: der KOMPLETTE ENGELMANN in einem Band, der Hinweis, daß es hier um seine Fans aus der Zeit der einzelnen Hefte geht. Aber man kann so, mit dem Buch, natürlich auch anfangen.
Jakob
Jakob ist das Gegenteil von Engelmann, aber auch das Gegenteil der Wilden Kerle. Er ist eine Erfindung von Felix Mertikat und Benjamin Schreuder, die hier einen sensiblen Jungen kreieren, der auf dem Weg ist. Er sucht seine Mutter und will sie finden, denn „sie ist..von uns gegangen...auf eine lange Reise.“ Auf die begibt sich nun auf der Suche auch Jakob. Er fragt und fragt und fragt. Anworten können ihm nur die Tiere, sagen die Menschen. Poetisch im Ausdruck und auch in zarten Farben gestaltet, erlebt Jakob nun die Wunderwelt der Tiere, von denen die Menschen ja keine Ahnung haben.
Die märchenhaften Züge erinnern durch die vermenschlichten Tiere auch an Fabeln. Jakob erfährt Solidarität, aber er lernt auch Einsamkeit kennen und Verzweiflung und ...
Tod auf dem Nil
Ja, sicher, den Titel kennen Sie und es geht auch um Agatha Christies TOD AUF DEM NIL, allerdings in einer – ja, wir sagen jetzt nicht Comic – grafischen Novelle , adaptiert von François Rivière und von Soldidor gezeichnet. Das ist wirklich ein klassischer Comicstrip, wo in Kästchen mit Ortsangaben bunte Bilder in unterschiedlichen Größen, aber fortlaufend, eine Geschichte in Bildern erzählen, wo die Bilder eindeutig überwiegen, der Kern der Geschichte aber in den Worten erfolgt.
Linnet Ridgeway ist diese fiese, ja bösartige, reiche, leider auch schöne junge Frau, die ihrer besten Freundin gerade den Verlobten ausgespannt hat und nun auf Reisen mit ihm geht: nach Ägypten, das einst für Bildungsbürger und die Haute Volaute das Ziel aller Wünsche war. Sicher gibt es kaum jemanden, der den Film nicht kennt, in dem sehr bekannte Schauspieler agierten und Peter Ustinov die Rolle des belgischen Privatdetektivs Hercule Poirot spielt.
Hier geht es inhaltlich um dasselbe und dieser COMICE DE LUXE, wie der Verlag zu Recht sagt, zieht uns in die Welt der Oberen Zehntausend zu Zeiten der dreißiger Jahre hinein. Da sieht man die Herren mit gescheitelten Haaren und nach oben gezwirbeltem Schnurrbart, die Damen mit und ohne Fasson. Das Schiff und die Zwistigkeit kommen groß zu Ehren, der Nil auch, Ägypten und die Monumente hätten wir gerne häufiger gesehen. Aber darum geht es ja gar nicht, bei TOD AUF DEM NIL.
INFO:
mahler, Engelmann, ein superhelden grafische novelle, Carlsen Verlag 2010
Felix Mertikat/Benjamin Schreuder, Jakob, Amigo Grafik 2010
Agatha Christie, François Rivière, Solidor, Tod auf dem Nil, Knesebeck Verlag 2011