c hhmuraki1Vor 80 Jahren: Der ANSCHLUSS Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß man nun – fristgerecht – nach 80 Jahren ausgerechnet im zeitgenössischen Roman des Haruki Murakami über den Anschluß Österreichs und seine Folgen lesen kann, ist geschickt international vernetzt und verzwiebelt. Es geht im Roman um den in Wien ausgebildeten japanischen, weltberühmten Maler Tomohiko Amada, der erst ‚westlich‘ malte und dann quasi therapeutisch seine Wiener Attentatserlebnisse auf die Leinwand brachte.

Aber das entlarvt sich erst am Schluß dieses Romans und der Schluß ist noch nicht einmal das Ende, denn der erste Band EINE IDEE ERSCHEINT von Haruki Murakamis DIE ERMORDUNG DES COMMENDATORE wird im April mit Band 2 fortgesetzt und da, so hoffen wir, wird dann auch die Aufklärung erfolgen, was der Maler Tomohiko Amada im Wien des Jahres 1938 erlebte und vor allem, was er mit eigener Hand tat. Denn bisher ist seine Verwicklung in ein Attentat auf Nazis im Wien von 1938 noch sehr nebulös, obwohl dies den Anlaß für seine unmittelbare, nicht geplante Rückkehr nach Japan war.

Sehr geheimnisvoll wird im ersten Band im verlassenen Haus des Malers Amada weit in den Bergen in der Nähe der Stadt Odawara, von unserem namenlosen Ich-Erzähler, der dort vorübergehend wohnen darf, oben auf dem Dachboden, durch eine Luke schwierig zu bergen, ein größeres Gemälde aufgefunden, das eine Mordszene zeigt, was der Bildtitel Die Ermordung des Commendatore ebenfalls wiedergibt. Die Ermordung des C...? Da war doch was? Und selbstverständlich weiß jeder Opernliebhaber sofort, daß sich der Bild- und damit auch Romantitel vom ‚Commendatore‘ auf Mozarts Oper DON GIOVANNI beziehen muß, wo im ersten Akts der Frauenheld Don Giovanni (Sie wissen schon, der mit „... 1003, 1003“ ...– Frauen natürlich!) gerade die ehrbare Donna Anna vernaschen will - heute sprechen wir offen von Vergewaltigung, aber die Musik zeigt auch ihr Hin und Hergerissensein - deren Verlobter Ottavio gerade abwesend ist.

Während Anna ins Hausinnere flieht, kommt Il Commendatore - wir sprechen im Deutschen vom Komptur, das ist eine Amtsbezeichnung der geistlichen Ritterorden. Der Komtur war der Leiter und Verwalter einer Ordensniederlassung. Er war Statthalter des Groß- bzw. Hochmeisters, ein Begriff, der bekannter ist – kommt also der Komptur, Vater von Donna Anna, hinzu und will deren Unschuld im Duell verteidigen, wobei der wendige Don Giovanni dem Komptur den Todesstoß versetzt und ihn ersticht. Doch das ist nicht alles, der sittenlose Strolch stört auch noch die Totenruhe. Denn als Giovanni auf dem Friedhof am steinernen Grabmal des Komptur diesen frech zum Gastmahl lädt und dessen Buße- und Reueersuchen gleich dreimal zurückweist – aha, wie Petrus den Christus verleugnet – verschlingen die Flammen der Hölle den Unhold. Wir befinden uns mit der Oper übrigens nicht in Wien, sondern im Sevilla des 17. Jahrhunderts, was der 31 jährige Mozart 1787 in Prag uraufführte. Das nur mal zu den zeitlichen Abständen im 21. Jahrhundert.

Denn wir sind in der Jetztzeit, wenn dort in den japanischen Bergen Murakamis auktorialer Erzähler auf dem Dachboden das Bild der Ermordung findet? Doch das ist längst nicht alles. Denn dieses Bild ist im Nihonga Stil gemalt. Das ist eine traditionelle japanische Malweise, die wir alle kennen, weil sie ohne Tiefenschärfe auf Flächigkeit setzt, womit sie dann wiederum durchaus ein Vorbild für den Jugendstil wurde – zum Beispiel. Denn als Amada unter bisher nicht geklärten Umständen Ende 1938 aus Wien lebend nach Japan zurückkehrte, wendete er sich dieser Malweise zu und wurde als ihr Vollender dann auch weltbekannt.

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Info:
Manfred Flügge, Stadt ohne Seele. Wien 1938, 479 Seiten, Aufbau Verlag 2018

Haruki Murakami, Die Ermordung des Commendatore I Eine Idee erscheint, ungekürzte Lesung, 11 CDs, 781 Minuten, gelesen von David Nathan, Hörbuch Hamburg
Japanische Originalausgabe als Roman erschienen 2017, deutsche Übersetzung im Verlag DuMont Buchverlag