Im Diogenes-Verlag erschien der erste Band einer Krimiserie aus Kopenhagen
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) Der Buchumschlag weist fünf echte Messerschnitte auf, durch die blutig-rot der Leineneinband schimmert. Diese - durch Lucio Fontanas weltberühmte Schnittbilder inspirierte - Gestaltung verweist in makabrer Weise auf den Mord an der jungen Studentin Julie: Der Mörder schnitt mit einem spitzen Messer Linienmuster in ihr Gesicht und tötete sie dann mit über zwanzig Stichen. Die Bluttat wird von dem dänischen Ermittlerduo Jeppe Kørner und Anette Werner untersucht. Bald stellt sich heraus, dass Esther de Laurenti, eine emeritierte, leicht verschlampte Professorin, genau solch eine rituelle Tötung in ihrem ersten, soeben begonnenen Roman darstellte.
Die vom Land nach Kopenhagen gezogene Julie wohnte im Haus der Professorin, die sich im rebellischen Geist der Studentin wiedererkannte und sie als Hauptperson für ihr Buch wählte. Als die Ermittlungen stocken, wird ein Profiler hinzugezogen: „Unmittelbar würde ich sagen, dass Nervenkitzel für unseren Täter sehr wichtig ist.“ Auch Esther mischt sich in den Fall ein, schreibt nun öffentlich im Internet an ihrer Geschichte weiter und provoziert den Täter. Jetzt entwickelt sich die Handlung äußerst dramatisch, es gibt einen weiteren Toten und spannende Wendungen, die hier nicht verraten werden. „Sag mal, befinden wir uns denn mitten in einem beschissenen Kriminalroman“, flucht Jeppe.
Heutzutage schwindet in vielen Krimis realistische Ermittlungsarbeit zugunsten der Darstellung gesellschaftlicher Themen (Flüchtlinge, Drogen, Digitalisierung usw.) sowie persönlicher Probleme der Kommissare. In dieser Serie nimmt dagegen die klassische Polizeiarbeit erheblichen Raum ein, wir Leser erleben sogar detailliert die Autopsie der Ermordeten. Des Weiteren werden die Vernehmungen, Zeugenbefragungen und Erinnerungen aller Beteiligten ausgiebig beschrieben. So erfahren wir viel über die Lebensgeschichten und Gefühle der verdächtigen oder sonst wie in den Fall verwickelten Menschen. Die Grenzen der kriminalistischen Genres sind zwar fließend, aber ein Thriller, wie der Verlag behauptet, ist dieses Buch gewiss nicht. Es fehlt der Thrill, der die Leserinnen und Leser stark emotional in die Erzählung mit einbezieht.
Die privaten Probleme Jeppes bleiben uns nicht verborgen, seine Frau hat ihn schon vor dem Mordfall verlassen, er hängt ziemlich durch. Aber „nicht einmal zu einem ernsthaften Alkoholproblem hatte er es gebracht.“ Über seine taffe Kollegin Annette erfahren wir fast nichts, nur dass sie gerne gut isst, ein kleines Bäuchlein und zu Hause guten Sex hat. Doch in Dänemark sind bereits zwei weitere Bände dieser Reihe erschienen, sicher werden wir in Zukunft auch intensiver an Annettes Privatleben teilhaben.
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Info:
Katrine Engberg „Krokodilwächter“, 506 Seiten, Leineneinband, Diogenes Verlag 22 Euro