a eric vuillardÉric Vuillard mit seinem Roman DIE TAGESORDNUNG auf Lesereise in Deutschland 

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wir hatten schon im November  bei der Vergabe des letztjährigen Prix Goncourt  an »L'Ordre du jour« (Actes Sud) von Éric Vuillard darauf verwiesen, daß das Buch unter dem deutschen Titel »Die Tagesordnung« bei Matthes & Seitz Berlin erscheinen wird und aufzeigt, daß die Deutschen mit Hilfe der Franzosen wieder einmal eine Chance erhalten, ihre Vergangenheit literarisch aufzuarbeiten.

Das bezog sich auf den in unseren Augen ungeheuerlichen und ungeheuerlich guten Roman von Jonathan Littell DIE WOHLGESINNTEN, der im Jahr 2006 ebenfalls den Prix Goncourt erhielt und nach seiner langwierigen, über 1000seitigen deutschen Übersetzung 2008 im Berlin Verlag herauskam und sich von der deutschen Historikerzunft einiges gefallen lassen mußte. Ist es doch nicht ohne, wenn auf einmal französische Schriftsteller über aktuelle deutsche Geschichte schreiben und diese dadurch analysieren, kommentieren und so einfach Deutungshoheit übernehmen. Das war bei der öffentlichen Aufregung um Littells Roman deutlich zu erkennen und wäre einer eigenen Abhandlung wert.

c tagesordnungWie sehr sich ständig in Deutschland die Fortschreibung der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit den ungeheueren Verbrechen in deutschem Namen und der Frage, wie es dazu überhaupt hat kommen können, weiterentwickelt, kann man sehr gut an der Aufnahme des mit 128 Seiten sehr kurzen Romans DIE TAGESORDNUNG von Éric Vuillard erkennen. Es gibt keinen Protest, sondern breite Zustimmung. Das zeigt sich auch jetzt auf der Lesereise, die Éric Vuillard am 19. April in Berlin gestartet hat und die ihn erst in den Norden, dann nach West und Mitte und dann nach Süden führt, bis in benachtbarte Wien. Dort gehört er ebenfalls hin, dieser Roman, denn, so schrieben wir: "In »L'ordre du jour« geht es um den »Anschluß« Österreichs an Deutschland im Frühjahr 1938, aber auch um die Mechanismen hinter Adolf Hitlers Machtergreifung 1933. Zentral ist dabei die Unterstützung der deutschen Großindustrie für die NSDAP, was offiziell verschwiegen wurde, aber tatsächlich das Resultat eines Geheimtreffen Hitlers mit den Industriebossen am 20. Februar 1933 war. Wie stark die Kunst das vorwegnehmen kann, was dann tatsächlich geschieht, entlarvt diese wunderbare Collage von John Heartfield DER SINN DES HITLERGRUSSES: KLEINER MANN BITTET UM GROSSE GABEN, die als Titel der Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) schon 1932 erschien!

Der 49jährige Autor und Filmemacher bedient sich in seinen Erzählungen oftmals der besonderen Momente der Geschichte, die er neu erzählt und damit sein eigenes Genre begründet. Ausdrücklich ist zu erwähnen, daß Eric Vuillard Schriftsteller ist, kein Historiker, also keine geschichtliche Betrachtung anstellt, sondern eher vom Zusammenspiel menschlichen Schwächen mit dem Zeitgeist seine Themen der Weltgeschichte findet." In gewissem Sinne hat 
Éric Vuillard damit tatsächlich ein eigenes Genre geschaffen. 

Der Verlag beschreibt das Buch für die angesagten Lesungen so: Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein: Krupp, Opel, BASF, Bayer, Siemens, Allianz – kaum ein Name von Rang und Würden fehlt am 20. Februar 1933. So beginnt der Lauf einer Geschichte, die Éric Vuillard fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden lässt. Mit der ihm eigenen virtuosen Eindringlichkeit und satirischem Biss seziert Vuillard die Mechanismen des Aufstiegs der Nationalsozialisten und macht deutlich: Die Deals, die an den runden Tischen der Welt geschlossen werden, sind faul, unser Verständnis von Geschichte beruht auf Propagandabildern.

TERMINE DER LESEREISE

19. April Berlin
20. April Hamburg
21. April Lübeck
23. April Düsseldorf
24. April Köln
25. April Frankfurt a.M.
26. April Tübingen
27. April Stuttgart
28. April Mannheim
30. April Elmau
2. Mai Augsburg
3. Mai München
4. Mai Wien

Vorbericht: 
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/11373-eric-vuillard-gewinnt-den-prix-goncourt-2017
Das Vorgängerbuch wurde ebenfalls besprochen:
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/10189-traurigkeit-der-erde


Fotos:
Autor und Cover
© Verlag

Info:
Éric Vuillard, Die Tagesordnung
128 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
Aus dem Französischen von: Nicola Denis
Preis: 18,00 €
Auch als Hörbuch erhältlich

Für Frankfurt: Romanfabrik, Hanauer Landstrsaße 186,
Tel. 069-49084828, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
25. April, 20 Uhr