bm18 pavillonEigene Hütte für die Buchmesse auf der Agora des Frankfurter Messegeländes, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das waren noch Zeiten, als ein eleganter weißer Pavillon, den Markennamen verschweigen wir, von der IAA übrig geblieben, auf der Agora, der freien Fläche zwischen den Hallen 5, Forum, 3 und 4, für den Betrieb der Buchmesse zur Verfügung stand.

Damals ging es das erste Mal ums Drehbuchschreiben, besser: angefangene Handlungen weiterzuschreiben...war total spannend und das temporäre Gebäude sehr benutzerfreundlich. Alle Lösungen danach, die über die Errichtung des Lesezeltes hinausgingen, waren keine, von daher ist man nicht verwundert, sondern versteht, daß die Buchmesse erstmals selber bauen läßt: „500 Quadratmeter Grundfläche, 6,5 Meter Höhe und eine selbsttragende Holzkonstruktion mit lichtdurchlässiger Membran – das ist der Frankfurt Pavilion, das neue Wahrzeichen der Frankfurter Buchmesse. Geplant und umgesetzt von dem renommierten Architekturbüro schneider+schumacher, entsteht auf der 70. Frankfurter Buchmesse ein ikonischer Bau für Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren sowie Branchenexperten aus aller Welt.“

So im Eigenlob der Buchmesse, wogegen auch nichts zu sagen ist, außer, daß man schon wieder mit einem FRANKFURT PAVILION daherkommt, wo doch PAVILLON schon als ehemaliges Fremdwort pures Deutsch ist. Dieses dem Englischen Dahinterhergelaufe fällt auf der Frankfurter Buchmesse schon lange peinlich auf. Und da sich Buchmessendirektor Juergen Boos bei der letzten Buchmesse als Chef der Veranstaltung sehr auf formale, durchaus einsehbare Positionen in der Frage der Beteiligung von extrem rechten Verlagen zurückgezogen hatte, ist man jetzt voller Erwartung, was er mit dem gewonnenen Raum inhaltlich anfängt, der ja speziell für Veranstaltungen, Diskussionen, Lesungen gedacht ist. „Der Frankfurt Pavilion soll der Ort sein, an dem Diskussionen geführt, Wissen geteilt, Kontakte geknüpft und Trends geprägt werden“, betont Boos.

Ganz sicher wird man da auch Deniz Yücel hören und sehen, der schon deshalb eine Symbolfigur wurde, weil der hessische Journalist, der bei so unterschiedlichen Medien wie taz und WELT gearbeitet hat, eine wirkliche Unterstützung durch den Deutschen Börsenverein erhalten hatte. Wir, d.h. die Redaktion von Weltexpresso ,hatten uns nicht nur Protesten angeschlossen, sondern durch viele Artikel Öffentlichkeit herstellen wollen. Man muß als Presse für Machthaber lästig sein, nicht nachlassen mit dem Protestieren. Darin hat sich Alexander Skipis, Geschäftsführer des Deutschen Börsenvereins geradezu profiliert. Man selbst gewinnt auf einmal gegenüber dem Börsenverein ein ganz anderes Verhältnis. Was früher eher ständisch betrieben wurde, auf jeden Fall außerhalb des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der schon immer eine wichtige politische Funktion hatte, der durch die Auswahl der Preisträger nachgekommen war, doch eher als reine Interessenvertretung wahrgenommen wurde, hat jetzt ein inhaltliches Gesicht bekommen, denn es sind die Produkte auf dem Papier oder auf den Bildschirmen, die seit der offensiveren Ausrichtung des Börsenvereins geschützt werden - und vor allem auch die Autoren und Autorinnen, die Journalistinnen und Journalisten.

Meinungsfreiheit überall, freie gedruckte und Internetpresse, darum geht es. Und das ist zu unterstützen. Mal sehen, was die Buchmesse selbst zu Veranstaltungen beitragen wird, mit welchem Leben sie selbst den Raum füllen wird.. Noch ist ja viel Zeit bis in den Oktober, in dem diese Buchmesse seit über 700 Jahren in Frankfurt zu Hause ist, einst im Verbund mit anderen Waren, als Herbstmesse für den Winter vorsorgend. Bücher sind damals genauso wie Bilder und Zeichnungen in Fässern transportiert worden. Es gibt da die tollsten Geschichten.

Auf der Pressekonferenz, als der neue Pavillon vorgestellt wurde, der leicht zerlegbar und lagerfähig ist, wurden auch weitere Gäste angekündigt, wobei auffiel, daß wohl Science-Fiction-Autoren gegenwärtige politische Probleme leichter in die Literatur verlegen können als andere. Zumindest auffällig, daß sowohl aus China wie auch aus Rußland solche Autoren kommen werden: Liu Cixin und Dmitry Glukhovsky.

Als nach dem Anschluß der DDR an die BRD die Leipziger Buchmesse sich neu positionieren mußte, hat diese sich zu einem Leserfest entwickelt. Viele Autoren sagen ganz unumwunden, daß die Atmosphäre in Leipzig sehr kuschelig sei und die vielen Veranstaltungen und ‚normalen‘ Leser und Leserinnen, die nach Leipzig kommen, kommen wegen der Autoren und der Veranstaltungen. Denn das internationale Buchgeschäft – und Geschäftemachen ist Sinn und Zweck von Messen – läuft eben in Frankfurt als der weltweit größten Buchmesse, aber auch da stellt man fest, daß immer mehr Absprachen im digitalen Raum stattfinden, also ohne feste Orte für Menschen.

Von daher hat Juergen Boos schon länger immer wieder den Publikumsanteil an der Messe angesprochen, also diejenigen Besucher, die nicht beruflich während der Messetage, sondern am Wochenende, das längst auf den vollen Freitag ausgedehnt ist, auf die Buchmesse strömen. Gleichzeitig ist das Angebot an Lesungen in der Stadt Frankfurt schon die Woche tagsüber, verstärkt dann am Abend in einem Ausmaß angewachsen, daß man sich wundert, woher die ganzen Leser kommen – aber sie kommen! Bisher waren allerdings die durchaus zahlreichen Lesungen auf der Buchmesse die Woche über den Fachbesuchern vorbehalten, aber es sieht so aus, als ob es auch hier Neuerungen geben wird. Immerhin sind die letztmaligen 270 000 Besucher eine Masse, die viel Literatur verträgt.

Aber die Buchmesse zieht auch aus den Messehallen Richtung Stadt. Denn es soll, wie Boos ankündigte, BOOKFESTE geben, ein Bookfest Bistro in der Neuen Mainzer Straße und eine Bookfest Lounge in der Bar AMP, Gallusanlage.

Jetzt aber geht es erst einmal um den Pavillon aus Holz, den die Buchmesse ausgelobt hat, der in fünf Tagen aufgebaut werden kann und - ohne Bestätigung durch die Messe – rund eine halbe Million Euro kosten soll. Da muß man schlucken. Wie man sich das vorstellen kann, zeigen die Entwurfsfotos und der nächste Artikel.

Fortsetzung folgt.

Foto:
Von links nach rechts: Kai Otto, Till Schneider (beide schneider+schumacher), Andreas Rutschmann, Ulrich Storck (beide Bollinger + Grohmann), Ragunath Vasudevan (schneider+schumacher), Lars Birken-Bertsch und Juergen Boos (beide Frankfurter Buchmesse)
© Kirsten Bucher

Info:

Frankfurter Buchmesse vom 10. bis 14. Oktober 2018