»Schwimmt Brot in Milch?« aus dem Aladin Verlag ist das schönste deutsche Buch 2018, Teil 1/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser jährliche Termin im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt – wo schönste Bücher, die ja deren Gestaltung und die Kohärenz von Form und Inhalt im Blick haben, auch hingehören -, immer rund einen Monat vor der Buchmesse, wo es dann in jeder Form um Bücher geht, gehört zu den nettesten Veranstaltungen, die sich denken lassen.
Das war auch am letzten Freitag wieder so, wo im überfüllten Foyer von der Bühne aus ein Feuerwerk sprühte: von Büchern, von Menschen, von Preisen, von Ankündigungen, von Dankesworten, von Blitzlichtern – und von klugen Reden ebenfalls. Mit unglaublicher Disziplin und Charme noch dazu, zieht Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, deren Preise hier vergeben werden, die Abendveranstaltung durch, damit danach auch noch Zeit für einen Plausch und ein Glas Wein oder auch mehrere ist. Denn Bücher liest man zwar besser alleine, aber es gibt wenige Veranstaltungen, die so lebhaft und einfach kommunikativ zugehen, wie solche über Bücher. Da haben sich die Leute einfach immer viel zu erzählen, das fängt mit den prämierten Büchern an und endet...tja eigentlich gar nicht.
Überraschend, überraschend für mich, wurde ich mehrfach auf die causa Rowohlt angesprochen und wußte doch von nichts, auch weil ich die Dankesrede von Daniel Kehlmann in Berlin auf den Frank Schirrmacher Preis hin noch nicht gelesen hatte, wo Kehlmann deutliche Worte findet. Dazu gleich mehr. Der renommierte Verlag Rowohlt war bei den heutigen 25 Preisträgern nicht dabei, aber das betrifft fast alle größeren Verlage, denn deren Bücher sind meist konventionell gefertigt, während die schönsten Bücher, die jährlich in fünf Kategorien ausgewählt werden, von denen eines dann der Oberpreisträger wird, für ihre ästhetischen Besonderheiten prämiert werden, wo also die Buchherstellung in Richtung Kunsthandwerk geht – oder zumindest eine originelle Gestaltung aufweist. Doch zurück zu Rowohlt. Den Verlag hatten wir gerade in der letzten Zeit in irgendeiner Besprechung gelobt, weil uns aufgefallen war, daß 2014 nach der Übergabe von Alexander Fest als Verleger an eine neue Verlegerin, die wir nicht weiter kennen, immer stärker Rowohltbücher bei prämierten Büchern dabei sind, bei der neuesten Krimibestenliste (September: Max Annas, FINSTERWALDE und Jane Harper, INS DUNKEL), beim Deutschen Buchpreis 2018 mit Inger-Maria Mahlkes ARCHIPEL, außerdem ist auffällig, wie häufig Rowohltromane verfilmt werden.
Ich hatte zwar irgendwas gelesen davon, daß Tausendsassa Florian Illies nach Hamburg zu Rowohlt ginge, aber das nicht in Verbindung gebracht mit der gegenwärtigen Verlegerin Barbara Laugwitz, die also vom Holtzbrinckkonzern, dem der Rowohlt Verlag gehört, geschasst wurde. So deutlich muß man das sagen. Aber das muß an einer anderen Stelle weiter erörtert werden, nur das eine: dem Holtzbrinck CEO Joerg Pfuhl hätten die Ohren geklingelt angesichts der Reden über ihn und den Konzern. Aber das war sowieso nach der Preisverleihung, denn um die geht es jetzt weiter.
Joachim Unseld, Frankfurter Verlagsanstalt – und übrigens mit Nino Haratischwillis DIE KATZE UND DER GENERAL auch auf der langen Liste des Deutschen Buchpreises und mit guten Chancen aufs Weiterkommens –, ist derzeit der Vorstandsvorsitzende der Stiftung und hatte ein-und ausgeleitet: »Wann ist ein Buch ein Buch? Die Frage stellt sich, weil unsere Buchbranche durch den Einbruch des Digitalen in unsere analoge Welt eher mehr als weniger disruptiv im Umbruch steht. Es ist die Frage, ob in der schönen neuen Welt der global übergreifenden alles unterwandernden Digitalisierung, die scheinbar vor Nichts und Niemandem Halt macht, die neue Technik ein Gottesgeschenk oder ein Danaergeschenk ist. Die Stiftung Buchkunst hat es sich zur Aufgabe gesetzt, das Buch als schönes körperliches Objekt zu stärken und darauf zu verweisen, dass durch eine bessere Wertigkeit und die gelungene Haptik des Objekts »Buch« die Rastlosigkeit unserer Zeit entschleunigt werden kann: eine Forderung unserer Tage.«
Interessant seine weiteren Ausführungen dann im Katalog, wie das jährliche Buch bezeichnet wird, das die vorbildliche Gestaltung, Konzeption und Verarbeitung der 25 Bücher, die von einer unabhängigen Jury ausgezeichnet werden, wiedergibt. In seinem Beitrag führt Unseld auch noch einmal das aus, was für Kenner Alltag ist. Denn es gibt ein ritualisiertes Verfahren der Auswahl und zwei Jurys dazu. Die erste Jury wählt je fünf Bücher in fünf Kategorien, die lauten
Allgemeine Literatur
Wissenschaftliche Bücher, Fachbücher, Lehr- und Schulbücher, Sachbücher
Ratgeber
Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge
Kinderbücher, Jugendbücher
Aus diesen 25 ausgewählten Büchern wählt eine zweite Jury dann das Siegerbuch: dieses Jahr aus der fünften Kategorie Kinderbücher SCHWIMMT BROT IN MILCH ? aus dem Aladin Verlag in Hamburg. Doch das kam erst am Schluß, denn dazwischen lagen die Auftritte der 24 anderen Preisträger, die flotten Schrittes, meistens zu zweit, auf die Bekanntgabe des jeweiligen Preises durch die wirklich flotte Katharina Hesse auf die Bühne eilten, ihre Prämierung entgegennahmen und nach dem Blitzlichtgewitter abtraten.
Und dann kam ein Slapstickauftritt des gerade zum Berger Stadtschreiber beförderten Clemens Meyer, der übrigens seine häufigen literarischen Erfolgen derzeit durch besonders subtile Filmdrehbücher untermauert. Er hatte eine Preisrede auf das prämierte Buch hin vorbereitet, aber das Prozedere ist ansonsten so, daß die Rede zwar auf das noch unbekannte ausgewählte Buch zugeschnitzt ist, aber ohne es ausdrücklich zu benennen, so daß als der grandiose Höhepunkt nach der Festrede dann der Titel, heute also SCHWIMMT BROT IN MILCH ?, genannt wird. Der Mensch denkt, doch der Zufall lenkt. Und Clemens Meyer zeigte sich lange dieser komplizierten Aufgabe, zu reden, ohne Tacheles zu reden, gewachsen.
Außerdem fing Meyer so grundsätzlich an, daß es nur eine Freude war, denn das wissen immer noch nicht alle, daß das Wort Buch sich als eine der Herleitungen auf den Baum Buche bezieht, was zwar auch bestritten wird, aber bis heute nicht widerlegt ist. Originalton Clemens Meyer: "Das ist vertrackt hier. Ich wußte es. Buchen sollst Du suchen, flüsterte jemand in das Ohr des Kaisers, der so nachts...Eichen sollst Du...Blutbuchen, aus der Familie BUCH, das BLUTBUCH, die Bucheckern, das BUCHGEMECKER, das Buch, die Buchen trotzen dem Gewitter, den Gewittern, Wurzeln schlagen diese großen Bäume, und des nachts sieht man sie laufen, wie bei Tolkien, wie in viel viel älteren Märchen, von Ort zu Ort, ein Baum ein Baum ein Traum, auch dieser zur Familie gehörend, zum Stamm: die Buche, das Blut, der Baum, das Buch, der Traum. Rayuela, Himmel und Hölle, Modellbaukasten, Raum aus Papier, PAAR BIER, »Schwimmt Brot in Milch?, so verschwindet langsam unser Griff, Zugriff auf --- spezifische Modelle von Wirklichkeit, die Buche ist ein extravagantes Medium (...)«.
Damit konnte Meyer zwar seine Absicht, den Siegertitel nicht zu nennen, nicht durchhalten, aber seine assoziativen Ableitungen von Buche zu Buch, die ja auch zu Buchenwald führen, führen mußten, wenn man es beim Leichttun ernst meint, quittierten die Zuhörer mit Klatschen und zustimmendem Geraune. Ein gelungener Auftritt.
Und dann also die Siegerehrung für SCHWIMMT BROT IN MILCH?. Das Siegerbuch ist von der Gestalterin Katrin Stangl mit 30 Original-Flachdruck-Grafiken in vier Sonderfarben illustriert, einzelne Seiten kann man hier im Abdruck sehen.
Und man freut sich schon aufs nächste Jahr und die nächste Preisverleihung. Schöne Bücher kann es nicht genug geben.
Fotos:
© stiftung-buchkunst.de
Info:
Plakat: Die schönsten deutschen Bücher 2018
ISBN 978-3-9814291-7-6
Die 25 schönsten deutschen Bücher gibt es auch als Plakat und auf kleinen herzigen Kärtchen, die vorne das Titelbild mitsamt Medaille und auf der Rückseite die vollständigen Angaben über das Buch enthalten. Einfach schön gemacht.