b ob18Zum Dritten: Verleihung des Österreichischen Buchpreises 2018 in Wien,    Teil 3

Claudia Schulmerich

Wien (Weltexpresso) – Jetzt müssen wir nach sechs Tagen doch noch einmal von vorne anfangen, denn direkt nach der Preisverleihung des Österreichischen Buchpreises am letzten Montag hatten wir zwar vom Preisträger Daniel Wisser berichtet sowie ausführlich den Abend in seinem so lockeren wie inhaltsreichen Ablauf gelobt, sehr wenig aber vom Roman selbst berichtet, um den es ja geht.

Und jetzt müssen wir uns auch sehr zusammennehmen, die Berichterstattung nicht auf all die Reden und Beiträge per Mikrophon auszudehnen, was für uns vor allem wegen des für Kultur zuständigen Kanzleramtsminister Blümel naheliegt. Denn der war der einzige, der wie wir selber zwei abendliche Ereignisse in Wien zusammenschnürte, was möglich war, weil die Buchveranstaltung um 18.30 begann und die Eröffnung einer ausgesprochen skurrilen  Ausstellung vom amerikanischen Regisseur  Wes Anderson (BUDPEST HOTEL)  mit seiner Frau Juman Malouf im Kunsthistorischen Museum erst um 20 Uhr begann - und sagen wir es gleich: um 24 Uhr noch lange nicht zu Ende war. Da war Tilda Swinton, die immer herzerfrischend extravagante Auftritte b obu2hat, schon längst wieder entschwunden, denn sie hatte um 23 Uhr im Gartenhauskino ihre Vorstellung von SUSPIRIA, einem absolut schrägen Film, ja einem wüsten Stück Kino, was aber wirklich seinen Reiz hat, und worin Tilda Swinton gleich drei Rollen spielt, wobei man aber wirklich ganz genau hinschauen muß, will man sie in den zwei weiteren Masken außer ihrer Hauptrolle erkennen. Natürlich ist das einen eigenen Artikel, ja, einschließlich des Films sogar zwei Artikeln wert, die auch kommen, aber es sollte doch schon einmal das Zusammentreffen erwähnt werden, wobei man natürlich in diesem Kunstkontext sofort an die ebenfalls schräge Definition des Dichters Lautréamont denken muß: "schön, wie das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch", was aber erst durch die Surrealisten als feste zitierfähige Größe in die Welt kam.

So zufällig kam einem in Wien so manches vor, an diesem Abend aber in besonderer Weise. Leider kennen wir bisher das Werk des Autors Daniel Wisser nicht - und so auch nicht diesen nun  derart ausgezeichneten Roman. Wir lernten aber den standfest wirkenden Autor in seinen Worten kennen. Denn - ganz wichtig - jeder vorne auf der Bühne dieses Kasinos am Schwarzenbergplatz Stehende, wird an diesem Abend jeweils eingehend befragt. Und eine für Österreich wohl sehr wichtige Frage beim Österreichischen Buchpreis ist die, ob er sich als österreichischer Autor begreife. Seltsam, dachten wir uns noch, auch wenn wir den Hintergrund der Frage verstehen.

Aber eine solche Frage käme einem beim Deutschen Buchpreis nicht in den Sinn, wobei daran zu erinnern ist, daß im ersten Durchgang 2005 der österreichische Autor, damals geradezu literarische Anfänger Arno Geiger gleich den Deutschen Buchpreis gewann, übrigens gegen den eigentlich 'Besten', gegen Daniel Kehlmann mit DIE VERMESSUNG DER WELT aus dem Rowohlt Verlag, eine derartige literarische Ungerechtigkeit, daß wir dies bei jeder passenden Gelegenheit erwähnen. Arno Geiger ist übrigens auch nominiert gewesen für den diesjährigen Österreichischen Buchpreis mit UNTER  DER DRACHENWAND (Hanser Verlag), einem so viel besseren Roman als sein merkwürdiger Heimatroman von 2005. So ist das Leben, aber so willkürlich ist eben die Literatur mit ihren Preisen. Das dachten sich auch nicht wenige, als auch der erfolgreiche und mit vielen Preisen, z.B. dem Rheingau-Literaturpreis ausgezeichneten Roman DAS FELD  von Robert Seethaler ebenfalls auf der Strecke blieb. Daß Josef Winkler mit dem eigenartig liebevollen Titel LAß DICH HEIMGEIGEN, VATER, oder DEN TOD INS HERZ MIR SCHREIBE aus dem Suhrkamp Verlag zwar bei den letzten Fünf dabei war, dann aber unterging, das hatten wir schon im ersten Artikel weitergegeben. 

Ach so, was Daniel Wisser auf die Frage, ob er sich als österreichischer Autor verstehe, antwortete, sind wir schuldig: "Nein, ich bin Österreicher, aber mein Verlag Jung und Jung ist kein rein österreichischer Verlag, sondern verlegt deutschsprachige Bücher und hat ja sogar zweimal den deutschen Buchpreis erhalten. Man kann Österreicher sein und deutschsprachiger Autor."

Die Begründung der Jury zu ihrer Wahl von Daniel Wissers KÖNIGIN DER BERGE

„Königin der Berge ist der poetische Titel von Daniel Wissers Roman, doch für Herrn Turin ist das nur der Codename für seine Krankheit: Multiple Sklerose. Er ist im Pflegeheim, seit Jahren an den Rollstuhl gefesselt und sehnt sich nach Sterbehilfe. Doch so einfach ist es nicht, das Leben hat immer noch etwas zu bieten. Robert Turin ist reflektiert und zynisch, erfindet originelle Gedankenspiele, fantasiert Dialoge mit seinem toten Kater und konsumiert reichlich Alkohol. Zugleich scheint er ein ziemliches Ekel zu sein. Daniel Wisser lässt seine Figur reden und leuchtet dabei ihre Abgründe aus. Mit erzähltechnischer Raffinesse und eminenter Vitalität hat das Buch die Jury vollkommen überzeugt. In der Gratwanderung zwischen todtraurigem Thema und fulminantem Sprachwitz wird es hinter dem Rücken der Figur zu einem Plädoyer für das Leben.“

Für die letzten Fünf nominiert waren außerdem: 
Milena Michiko Flašar: Herr Katō spielt Familie (Verlag Klaus Wagenbach), 
Gerhard Jäger: All die Nacht über uns (Picus Verlag), 
Heinrich Steinfest: Die Büglerin (Piper Verlag) und 
Josef Winkler: Laß dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe (Suhrkamp).

Fotos:
Titel:
Der Gewinner (Mitte) mit den Moderatoren (rechts), dem Präsidenten des Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und Kulturminister Blümel
Text: 
Die Gruppe Federspiel und die Gewinner
© Doro Siebenschön

Info:
Der Österreichische Buchpreis ist mit 20.000 Euro dotiert, die vier weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro.
Österreichischer Buchpreis 2018
Die Jury
Die Jury 2018 setzt sich aus Bernhard Fetz (Österreichisches Literaturarchiv), Konstanze Fliedl (Universität Wien), Jens Jessen (ZEIT), Evelyne Polt-Heinzl (Literaturhaus Wien) und Bettina Wagner (Buchhandlung Seeseiten) zusammen.