Ruth von Mayenburg „Hotel Lux“ im Verlag Elisabeth Sandmann

 

von Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nein, nicht das Buch zum Film „Hotel Lux“, der am 27. Oktober anläuft. Ja, das Buch zum Film „Hotel Lux“, der am 27. Oktober anläuft. Wie das? Es stimmt einfach beides, denn es kommt darauf an, wie man „Buch zum Film“ definiert. Wenn man herkömmlich die Vorlage für den Film in Romanform meint, nein, dann ist dieses Buch, das den Untertitel „Die Menschenfalle“ trägt, keine Vorlage für den Film von Leander Haußmann. Wenn man allerdings ausdrücken möchte, daß die wahrhaftigen Begebenheiten in diesem Asyl-Hotel Lux in Moskau für deutsche Kommunisten Ende der dreißiger Jahre auch in dem fiktiven Spielfilm mit Michael Bully Herbig und Jürgen Vogel hier in komödiantischer Form wiederaufleben, ja, dann ist man richtig, sich vor oder nach dem Film dieses Buch genau anzuschauen.

 

 

Ruth von Mayenburg, österreichische Schriftstellerin und damals Kommunistin,  hat ihren Bericht über ihren Aufenthalt im Moskauer Hotel Lux - das sie im Gegensatz zu anderen überlebte, das muß man ausdrücklich erwähnen – das erste Mal 1978 veröffentlicht. Das geschah zu einer Zeit, wo dieses Hotel seinen Mythos längst eingebüßt hatte und die Kommunistische Internationale, die dritte Internationale, kurz Komintern genannt, auch schon 35 Jahre tot war, weil Stalin dem Geheiß seiner alliierten damaligen Freunde – Großbritannien und die USA nachgekommen war und den Zusammenschluß aller kommunistischen Parteien liquidiert hatte. Seit der Veröffentlichung ihrer beiden autobiographischen Erzählungen ist bald der gleiche Zeitraum verstrichen und darum ist besonders interessant, was sich geändert hat.

 

Natürlich nichts an den schriftlichen Vorlagen, aber fast alles zu den Begleitumständen, warum und weshalb und vor allem gibt es heute nicht mehr viele Menschen, die noch die Diskussionen der Dreißiger Jahre mit dem Wiederaufflammen in den Jahren des Aufbaus der DDR kennen, ganz zu schweigen vom politischen Personal der Komintern, das vor Hitler und vor den vom Hitler-Deutschland  besetzten Ländern in Moskau Zuflucht suchte, denn das Hotel Lux war ja ausdrücklich als Asyl für verfolgte Kommunisten, wobei das Sozialisten miteinschloß,  gedacht. Selbst Dimitroff, von 1935 bis zur Auflösung 1943 Komintern-Generalsekretär wohnte da. Zu ihm hatten die Deutschen auch deshalb Vertrauen und einen guten Draht, weil er 1933 im Reichstagsbrandprozeß weltweit für Aufmerksamkeit gegen die Nazis gesorgt hatte. Er wurde später Ministerpräsident Bulgariens.

 

Auch er spielt eine Rolle im Leander Hausmanns Film „Hotel Lux“. Desweiteren erleben Sie Walter Ulbricht, seine spätere Frau Lotte Kühn, Johannes R. Becher, den DDR-Staatsdichter, Herbert Wehner, der sich dort Kurt Funk nannte. Regisseur Hausmann, der in der DDR aufwuchs, sagt mit Recht: „Wer nicht weiß, wer Walter Ulbricht war, dem ist natürlich nicht zu helfen.“Über alle diese Personen finden Sie im Anhang des Buches des Mayenburgbuches „Hotel Lux“ Kurzbiographien, die wieder klar machen, wie sehr beides auf völlig unterschiedlicher Ebene zusammengehören, Film mit Klamauk und der wahre historische Hintergrund.

 

Ruth von Mayenburg war die Frau von Ernst Fischer – im Film bezieht der Komiker Hans Zeisig (Herbig), den Sie wie seinen Kollegen Siggi Meyer (Vogel) oder Frida van Oorten (Thekla Reuten) nicht bei den Biographien finden, weil die Personen erfunden sind, im Film also bezieht der Komiker Hans Zeisig das Zimmer, das vorher ein Fischer bewohnte, der echte Fischer aber hieß in Moskau Peter Wieden. Ernst Fischer war der österreichischer Kommunist, der internationale Aufgaben übernommen hatte und schon 1938 ins Moskauer Exil gegangen war, ins Hotel Lux wie die anderen. Was der Film hervorragend leistet, ist uns das Klima von Angst, Unterdrückung, Verfolgung und gegenseitiger Bespitzelung in einem alten Hotel vorzuführen, wo schon die engen und langen Gänge filmreif sind. Sie sind aber dem echten Hotel Lux nachempfunden, das ursprünglich im Jahr 1911 über der zweistöckigen Bäckerei Filippow errichtet worden war. Eine Nobelherberge, mit erst vier, dann seit 1933 sechs Etagen mit 300 Zimmern für 600 Gäste. damals hieß die Adresse schon lange Gorkistraße 10 und seit 1921 war es das Gästehaus der Komintern.

 

„Das Lux war ein konspiratives Hotel, konspirativ nach innen und nach außen – ein Geheimnisträger. Keine Gästeliste, keine Totenliste gibt darüber Auskunft, wer jemals darin gewohnt hat. Bei den Anreisenden stimmte in den meisten Fällen der Paßname nicht mit dem Personennamen überein, nicht der Personennahme mit dem Parteinamen, mit den wechselnden Deck- und Rufnamen.“, schreibt Ruth von Mayenburg und auch: „Unser erhabenes Gebäude beherbergte in wanzenbelebten Mehrbettzimmern, in den unteren Etagen künftige Staatsmänner von welthistorischer Bedeutung wie Tschou En-lai und Ho Tschi Minh“. Herrlich, wie im Film in einem Gebäude in Berlin am Kurfürstendamm, Haus Cumberland, die Hotelatmosphäre des Lux ersteht. Das Hotel Lux in Moskau, das schon lange kein Hotel mehr ist, hat nur noch seine Fassaden und das Haus Cumberland wurde unmittelbar nach dem Film zu einem Jugendstilprachtbau zurückgeführt, teuer und mit Geschäften, Büros und Wohnungen. Also alles perdu.

 

Das Tragische ist, daß sowohl Hitler aus Prinzip wie auch Stalin in seiner paranoiden politischen „Säuberung“ Säuberung die besten intellektuellen Köpfe, hier jetzt die deutschsprachigen Linken ermordet hat. Von daher liest sich „Die Menschenfalle“ natürlich auch mit Schlucken und emotionalem Widerstand. Aber Wahrheiten zu wissen, macht stärker. Das dachte sich auch Heinrich Breloer, den er ist es, der den eigentlichen Film zum Buch gemacht hat. „Eine Reise – ein Film von Heinrich Breloer“, heißt es im weiteren Untertitel. Er hatte 1991, als es möglich war, Ruth Fischer, die wieder Ruth von Mayenburg heißt, tatsächlich beeinflussen können, mit ihm nach Moskau zu fahren und das Hotel Lux und andere Orte wiederaufzusuchen und ihm Hintergrundinformationen zu liefern für seinen Film „Wehner – die unerzählte Geschichte, dessen erster Teil „Hotel Lux heißt“.

 

Der Neuauflage sind seine Drehbuchaufzeichnungen, Spielszenen und Erläuterungen vorangeschickt. Ein Dokument, das sehr gut in die Erzählhandlung einführt, weil die Filmaufnahmen mit Kurzkommentaren zu Personen und Ereignissen verbunden sind. Uns war aber auch der vorbildliche Dokumentarteil wichtig, in dem gegenüber der Erstausgabe die Personenangaben durch Kursivschrift deutlich machen, was gegenüber den früheren Ausgaben aktualisiert wurde. Eine ganze Menge. Denn jetzt sind die Archive verfügbar, die in den 70ern noch fest verschlossen waren. Auch das gibt den Aufzeichnungen eine neue Wichtigkeit.

 

Noch ein persönliches Wort. Wir haben die Veröffentlichung von damals. Also das Buch, das 1978 von Ruth Mayenburg veröffentlicht wurde. Wir hatten es auch gelesen. Heute, mit dem Abstand so vieler Jahrzehnte und politischer Erfahrungen, lesen sich die Aufzeichnungen neu. Nicht ganz neu, denn auch damals standen wir den Stalinisten kritisch gegenüber, aber auch den Antikommunisten in der Bundesrepublik. Das scheint uns auch heute die richtige Haltung. Was sich aber verändert, ist der Sinn für Tragik. Heute erscheinen uns die Vorgänge um die Komintern im Nachhinein wie vom Kapitalismus inszeniert. Allerdings hatte dieser das überhaupt nicht nötig, denn sein Geschäft der Zerfleischung der Kommunisten hatten diese längst selbst übernommen. Von daher macht das Buch auch traurig. Das aber ist eine Traurigkeit, die sein muß, wenn man aus der Geschichte lernen will.

 

Ach so, warum die lateinische Überschrift? Damit sich mehr Leser über sie Gedanken machen, wenn sie sich dann fragen: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf?