Serie: Deutscher Buchpreis 2011, Teil 9


von Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Über den Autor schreibt die Jury in Kurzbiographie: Michael Buselmeier, geboren 1938 in Berlin, wuchs in Heidelberg auf. Er absolvierte eine Schauspielausbildung und studierte Kunstgeschichte und Germanistik. Im September 2010 erhielt er den mit 15.000 Euro dotierten Ben-Witter-Preis. Der Schriftsteller und Lyriker lebt und arbeitet in Heidelberg.

 

Zum Roman teilt sie mit: Im Sommer 1964 hat der junge Moritz Schoppe im oberfränkischen Städtchen Wunsiedel zehn leidvolle Wochen zugebracht – sein Engagement bei den dort alljährlich stattfindenden Luisenburg-Festspielen geriet zum Fiasko. 44 Jahre später stellt sich der einstige „Verfinsterungsort“ für Schoppe anders dar. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden, gefällt es ihm auf Anhieb in der würzigen Luft des Fichtelgebirges und er unternimmt romantische Wanderungen in die fränkische Vergangenheit. Auch den Hauptort früheren Unglücks, die Naturbühne der Luisenburg, sucht er auf, doch das einst so geliebte Theater ist ihm gänzlich fremd geworden.

 

Zur Auswahl unter die letzten Sechs lautet die Bewertung der Jury: Michael Buselmeiers „Wunsiedel“ ist ein wunderbar lebenskluger Roman. Atmosphärisch sicher beschreibt er das Buch den erwartungsvollen Aufbruch eines jungen Mannes in die Welt des Theaters, in der er Ruhm und Glück zu finden hofft. Er zeigt, wie dieser junge Mann rasch alle Illusionen über die Theaterarbeit verliert, wie sich der Ort Wunsiedel, in den es ihn verschlagen hat, in eine Provinzhütte voller banaler Menschen verwandelt. Aber dann zeigt da Buch auch, wie der gealterte Romanheld 44 Jahre später ins gleiche Städtchen zurückkehrt und es mit einem Mal als einen herrlich beschaulichen, weltfernen Zufluchtsort erlebt – und spürt, daß nicht der Ort, sondern er selbst ein anderer Mensch geworden ist.

 

Wir meinen: irgendwie rührend, daß sich der Held des Buches einer nennen darf. Ein schlechter Schauspieler, aber auch ein selbstverliebter junger Mann, der kritisch nur die anderen sehen mag, was nicht richtig ist, denn er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut und ist hin- und hergeworfen zwischen Arroganz und einem äußerst starken Minderwertigkeitskomplex. Sicher eine sehr oft vorkommende, nicht nur literarische Form des jungen Mannes.

 

Ceterum censeo, daß es für jedes der Bücher eine Begründung für den Deutschen Buchpreis geben könnte. Jan Brandt legt einen Wälzer hin, der einen froh sein läßt, in dieser deutschen Provinz nicht aufgewachsen zu sein. Aber er zeigt auch, daß wir Städter keine Ahnung davon haben, wie vielfältig es dort zugeht. Eugen Ruge schreibt so klug und menschenfreundlich über Typen, die sich selbst erhaben fühlen. Anglelika Klüssendorf läßt uns teilhaben an den Schmerzen eines Kindes, dessen Revolte wir mittragen, aber auch verführt werden, die Position dieses Mädchens einzunehmen, wo sie gemein und böse handelt. Es gibt nirgends den reinen Helden, das unschuldige Wesen, nein, sie sind alle miteinander recht unsympathisch, dieser "ich" aus Buselmeiers "Wunsiedel" und auch die Amy Schreiber, die "Schmerzmacherin".

 

Warum wir Marlene Streeruwitz für den Buchpreis ausgewählt hätten, hat damit zu tun, daß kein anderes der ebenfals guten und interessanten Romane so dicht am Heute, so politisch, so verzweifelt ist und dies in Form und Inhalt uns als Salz unter die Haut streut.

 

Info: Weitere Informationen zum Deutschen Buchpreis 2011 und Termine des Preisträgers rund um die Frankfurter Buchmesse können abgerufen werden unter www.deutscher-buchpreis.de