Das Lesefest: Frankfurt liest zum 10. Mal ein Buch. Vom 6. bis 19. Mai 2019 in Frankfurt und Region, Teil 13
Wolfgang Nett
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In Jacques Weindepot also, in Bornheim. Um 17:07 betreten der Autor und seine Frau leise das völlig ausverkaufte Depot im Hinterhof der Bergerstrasse 171. Martin Mosebach ist leicht zu erkennen, er trägt das gold-beige Jackett, das er auch die Male in Rödelheim und in Kronberg getragen hat.
Der Tag ist auch heute anders, als es sonst mit dem brillanten Autor und Vorleser war; möglicherweise lag es am servierten Wein, seine Stimme wirkte ausgesprochen nasal. Vielleicht lag es auch an der fehlenden Chemie zu Moderator Ludger Verst, Inhaber von INTERFAITH – Labor für soziale Kommunikation – in Dreieich. Seine Fragen mögen gut vorbereitet sein, scheinen jedoch nicht zu punkten beim Autor. Er beginnt den bemühten Dialog mit einem Fragespiel an den Frankfurter:
„Die wievielte Veranstaltung ist das heute bei diesem Lesefest?“
Mosebach: „Ich weiß es nicht. Es ist wie, wenn man einen hohen Berg besteigt, man blickt nicht zurück.“
Verst: „Die Frankfurter Eintracht hat letzte Woche in London ...?“
Mosebach: Schweigen
Das Publikum lächelt und rumort zum ersten und auch einzigen Mal an diesem Nachmittag.
Verst: „Unter Frankfurts Kirchen ist mir die liebste?“
Mosebach: „Es war die St. Leonhardskirche vor ihrem umfangreichen Umbau. Jetzt kann ich es nicht mehr sagen, denn ich kann nicht abschätzen was sich nach Wiedereröffnung präsentieren wird.“
Verst: „Was sind Ihrer Meinung die Vorzüge Frankfurts?“
Mosebach: „Es ist die geografische Lage, die Geschichte und die Menschen, die hier gewohnt haben. Außerdem mag ich den Dialekt.“
Eigentlich hätte es der Moderator damit bewenden lassen können, aber es gab noch ein paar weitere belanglose Fragen, die weder Autor noch Publikum amüsierten. Vielleicht gilt wirklich das Sprichwort, wie Dinge beginnen, so enden sie auch. Am Ende eines bemühten Moderatorenspiels fragte Herr Mosebach beim Signieren fast unhörbar den Moderator (der Verfasser dieses Berichtes stand lediglich daneben) „wie war nochmal Ihr Name?“
Als Kommunikationsprofi ist es immer hilfreich, auf die feinen und kleinen Details achten: Denn Herr Mosebach war einfach nicht in der Stimmung für Spiele und auch die eröffnete Fragerunde zwischen den vorzüglich gelesenen Passagen des Autors schaffte es nicht, den spontan in der Mitte der Veranstaltung ausgerufne „Audience Participation Part“ lebendig werden zu lassen. Zu bemüht, möglicherweise das Thema des „Moses Flüsterer“, der Name der Veranstaltung, herauszuarbeiten.
Nur, worüber philosophierte Mosebach (und das ist wie seine Werke herausragend): Ich bin über die Jahre ein anderer geworden. Und ich habe mir das Wenigste ausgedacht, vielmehr beobachtet. Heute bemerke ich natürlich selbst den Einfluss von Begebenheiten, genauso wie ein Fingerabdruck sich ändert. Nun hat zwar nicht dieses Buch, aber der Roman "Der Mond und das Mädchen" ihm den Büchnerpreis eingebracht. Natürlich freue er sich über Eindrücke und Meinungen seiner Leser, so Mosebach, und vergleicht es mit der psychoanalytischen Arbeit. „Es ist wie, wenn der Patient seinem Therapeuten seinen Traum erzählt, die Deutung übernimmt der Analytiker. Der Leser oder die Leserin ist die Analytikerin.“
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© Wolfgang Nett
Info:
Weitere Informationen zum Programm unter www.frankfurt-liest-ein-buch.de