c als ich jung warÖsterreichische Literaturpreise 2019: hier ORF (Österreichische Rundfunk) - Bestenliste im September 

Johannes Reiter

Wien (Weltexpresso) - Norbert Gstrein landet mit Als ich jung war (Hanser) ein zweites Mal auf Platz 1. Platz 2 teilen sich dieses Mal Drago Jančar mit dem Werk Wenn die Liebe ruht (Zsolnay) und Terézia Mora mit ihrem Roman Auf dem Seil (Luchterhand).

Die Frage nach der Wahrheit – das ist ein Leitmotiv der literarischen Arbeit von Norbert Gstrein. Komplexe Fragen von Identität und Schuld hat der in Hamburg lebende Tiroler in seinen Romanen vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts oder des Krieges in Ex-Jugoslawien abgehandelt. Ausgangspunkt seines neuen Romans, Als ich jung war, ist seine alte Heimat Tirol.

Als ich jung war – das ist keine nostalgische Kindheitserzählung. „Als ich jung war, glaubte ich fast alles, und später an fast gar nichts mehr, und irgendwann in dieser Zeit dürfte mir der Glaube, dürfte mir das Glauben abhandengekommen sein“, das sagt Franz, und wir erfahren nach und nach, was „in dieser Zeit“ passiert ist. „Franz ist keiner, der sich vor seiner Kindheit davonstiehlt, er nimmt sie sehr genau unter die Lupe und sieht sich – mit einem großen Wort gesprochen – als Mann in einem Unheilszusammenhang“, sagt Nobert Gstrein. Bis zuletzt bleibt vieles offen in diesem packenden und überzeugenden Roman mit einem überraschenden Ende.

Ende des 2. Weltkrieges, Schauplatz Maribor: der Roman Wenn die Liebe ruht des slowenischen Schriftstellers Drago Jančar setzt nach dem Überfall der Wehrmacht auf Jugoslawien 1941 ein. Neue deutsche Straßennamen ersetzen die slowenischen, so wird etwa aus dem „Hotel Orel“ ein „Hotel Adler“ und „Restavracija“ wird zu „Restaurant“, Menschen stolzieren in SS-Uniform durch die Stadt. In dieser Atmosphäre trifft eine junge Frau namens Sonja auf ihren alten Schulkollegen, der mittlerweile auf Seiten der Deutschen steht. Sonja bittet ihn, sich für ihren inhaftierten Freund einzusetzen, der im Gefängnis als mutmaßlicher Partisan gefoltert wird. Drago Jančar lotet im Roman aus, wie weit wir bereit sind zu gehen, in einer Situation ohne Gewissheit und stellt die Frage, wie der Krieg Beziehungen prägt und beeinflusst. Jančar hat einen historischen Roman geschrieben, der die Situation der Slowenen unter Herrschaft der Nazis genauso wie später unter den siegreichen Partisanen Titos plastisch darstellt.

In dem Begründungsschreiben der Jury des Büchner-Preises, der Térezia Mora, der ihr 2018 zuerkannt worden ist, war zu lesen: „In ihren Romanen und Erzählungen widmet sich Terézia Mora Außenseitern und Heimatlosen, prekären Existenzen und Menschen auf der Suche und trifft damit schmerzlich den Nerv unserer Zeit.“ Das trifft auch auf ihre Triologie rund um den IT-Spezialisten Darius Kopp zu, deren letzter Teil der Roman Auf dem Seil ist. Drei Jahre sind darin vergangen, seit seine große Liebe, Flora, gestorben ist. Er hat mit ihrer Asche Europa bereist, ist schließlich in Sizilien gelandet, wo er eines Tages auf seine 17jährige Nichte trifft. Mit ihr kehrt er nach Berlin zurück. Die Frage danach, was ein geglücktes Leben sein könnte, umkreist Térezia Mora darin, wie in den ersten zwei Teilen, mit großer Leichtigkeit, zugleich mit schmerzvoller Genauigkeit.


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Über die ORF-Bestenliste:
Seit Mai 2003 kürt eine Jury aus unabhängigen LiteraturkritikerInnen und BuchhändlerInnen jeden Monat eine Liste von jeweils zehn empfehlenswerten Buch-Novitäten. Sie soll dem Publikum die Orientierung im Neuerscheinungs-Dschungel von 90.000 Titeln jährlich erleichtern.