Hans Weißhaar und Roswitha Cousin
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - »Name Waffe Stern« erhält den »Preis der Stiftung Buchkunst« 2019!, war die Meldung, mit der die Fachwelt den wie immer so angenehmen Abend auf einen einzigen Begriff bringt, wo doch sehr viel mehr Bücher in den verschiedenen Kategorien prämiert wurden. Aber die Atmosphäre unter so vielen Büchern und Bücherliebhaber und Büchergestalterliebhaber, die kann man überhaupt nicht weitergeben, die sollte man erleben!
Der mit 10.000 Euro dotierte »Preis der Stiftung Buchkunst« 2019 ging an das Buch »Name Waffe Stern. Das Emblem der Roten Armee Fraktion« (Institut für Buchkunst, Leipzig). Das Siegerbuch wurde recherchiert und gestaltet von drei Absolventen der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst: Felix Holler, Jaroslaw Kubiak und Daniel Wittner. Entstanden ist es aus der 2017 vorgelegten Diplomarbeit der drei Gestalter, die gemeinsam mit ihrem Typografie-Professor Günter Karl Bose parallel eine Ausstellung zum Thema am Deutschen Buch- und Schriftmuseum in Leipzig kuratierten. Das Buch stellt die Frage nach der programmatischen Bedeutung des Emblems der Roten Armee Fraktion und dessen Elementen »Name«, »Waffe«, »Stern«.
Die Jury begründete ihre Auswahl
Aktenbündel, Behördenbibliothek, alter Personalausweis – das sind Assoziationen, die der graue Kunstledereinband weckt. Vorne stehen weißfoliengeprägt drei Symbole untereinander, auf Rücken und Rückseite akkurat aufgeräumt die kleinen Titelzeilen. Mattes, schwarzes Vorsatzpapier, gefolgt vom Schimmer der ersten schwarz bedruckten Inhaltsseiten. Dort wiederholt sich bei dreimaligem Umblättern ein junges Frauengesicht. Dessen weiche, unscharfe Schwarz-weiß-Darstellung erinnert an den RAF-Gemäldezyklus von Gerhard Richter.
Dies ist der nüchterne wie treffsichere Einstieg in ein brisantes Kapitel der bundesrepublikanischen Geschichte: Das Buch stellt die Frage nach der programmatischen Bedeutung des Emblems der Roten Armee Fraktion und dessen Elemente »Name«, »Waffe«, »Stern«.
Das tabellarische Inhaltsverzeichnis gehorcht der typografischen Logik des Einbandes. Die folgende Doppelseite schiebt für den ersten Buchabschnitt ein Binneninhaltsverzeichnis nach, mit dem die komplexe Quellensammlung in Bildern und Textzitaten erschlossen wird. Auf den zahlreichen Zitatseiten nimmt sich die Typografie auf zwei Schriftgrade zurück, sie ist lediglich angereichert mit einem verwaschenen Rot– man denkt an die ausgeblichenen Fahndungsplakate – als Schriftauszeichnungs- und Akzentfarbe in einigen Abbildungen. Mit solchen sparsamen Mitteln und dem rigiden, dennoch unaufdringlichen Kolumnentitel gelingt den Gestaltern eine unkomplizierte Ordnung – kein leichtes Unterfangen bei dieser Materialfülle, die nicht bloß dokumentierend, sondern spannungsvoll und besonders nachdenklich inszeniert ist.
Es war extra die Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig, Skadi Jennicke, nach Frankfurt gekommen, hielt eine starke, laut beklatschte Rede und verlieh den Preis am jenem Freitagabend im Foyer des Museums Angewandte Kunst, Frankfurt an die drei jungen Gestalter aus Leipzig.
»Das ausgezeichnete Buch zeigt, wie aus Buchstaben und Bildern Waffen werden. Eine zeichentheoretische Entzauberung, hoch willkommen in Zeiten, da zum RAF-Komplex scheinbar alles gesagt ist und das Logo der Terrorgruppe als ahistorische Ikone längst in die Pop-Kultur Einzug gehalten hat«, so Skadi Jennicke in ihrer Laudatio.
Das ausgezeichnete Buch wurde von einer fünfköpfigen Jury aus den 25 »Schönsten Deutschen Büchern« ausgewählt, die die Stiftung Buchkunst im Juni bekannt gegeben hat. Im Rahmen der Preisverleihung wurden auch die Buchgestalter*innen, Hersteller*innen und Verleger*innen dieser 25 »Schönsten Deutschen Bücher« gefeiert.
Darüber hinaus wurden am Freitagabend die Gewinner*innen der »Förderpreise für junge Buchgestaltung« gewürdigt. Die mit je 2.000 Euro dotierten Preise gingen an drei Titel, die das Medium Buch weiterdenken: Ausgezeichnet wurden Tobias Klett und Lea Kolling (»Weltall Erde Mensch #23«), Simon Knebl, Béla Meiers und Friederike Spielmannleitner (»Questions?«) sowie Happy Little Accidents aus Leipzig (»Im Zweifel für den Zweifel«).
Kleiner Kommentar: Stark, das sich die Jury getraut hat, ein Buch zu prämieren, dessen Inhalt so negativ, ja eigentlich traumatisch besetzt ist: RAF. Daß es geschehen konnte, zeigt aber, daß wir weiter sind als damals. Daß derjenige, der etwas benennt und beschreibt, nicht der ist, der das gut heißt, sondern der, der Analyse betreiben kann, und jetzt sogar mittels Bilder. Darin sind wir also schon weiter. Aber sonst.
Foto:
© Stiftung Buchkunst / Uwe Dettmar, Frankfurt am Main
Info:
www.stiftung-buchkunst.de
Kleiner Kommentar: Stark, das sich die Jury getraut hat, ein Buch zu prämieren, dessen Inhalt so negativ, ja eigentlich traumatisch besetzt ist: RAF. Daß es geschehen konnte, zeigt aber, daß wir weiter sind als damals. Daß derjenige, der etwas benennt und beschreibt, nicht der ist, der das gut heißt, sondern der, der Analyse betreiben kann, und jetzt sogar mittels Bilder. Darin sind wir also schon weiter. Aber sonst.
Foto:
© Stiftung Buchkunst / Uwe Dettmar, Frankfurt am Main
Info:
www.stiftung-buchkunst.de