Bildschirmfoto 2019 11 11 um 02.17.43Verleihung des Schweizer Buchpreises in Basel , Teil 1/2

Roswitha Cousin

Basel (Weltexpresso) - Der diesjährige Schweizer Buchpreis geht an Sibylle Berg für den Roman «GRM. Brainfuck» (Kiepenheuer & Witsch Verlag). In der Begründung der Jury heisst es: «Sibylle Berg ist das Kunststück gelungen, einen Roman zu schreiben, der formal Avantgarde ist und inhaltlich die Lesenden im Innersten packt. Mit sarkastischem Ingrimm begleitet sie vier Londoner Jugendliche aus kaputten Familien durch die Horrorszenarien einer deregulierten Gesellschaft und weiter in die Zukunft, in die Diktatur der künstlichen Intelligenz. Dem entfesselten Kapitalismus setzt die Autorin ihre entfesselte Fantasie entgegen. Eine kompromisslose Gesellschaftskritik in hochexplosiver Sprache, mit Spreng-Sätzen und bösem Witz.»

Der Hintergrund war unter anderem, daß es in Deutschland vielen unangenehm aufgestoßen war, daß dieses Werk noch nicht einmal bei der Auswahl der langen Liste, also bei 20 Romanen zum Deutschen Buchpreis 2019 ausgewählt wurde. Die Jury hat sich dazu nicht geäußert. Übereinstimmend analysierte die Presse, daß die Auswahl vor allem jungen Talenten galt, was zwar stimmte, aber nicht durchschlagend, denn jemand wie Norbert Scheuer gehört ja zuvörderst zu den 'alten, bewährten' Schriftstellern und erreichte sogar die kurze Liste der letzten Sechs. Dies griff der SRF-Literaturredaktor Julian Schütt deutlich auf: «Die deutsche Buchpreis-Jury drückte sich feige vor diesem brisanten Buch», sagt er. Die Preisträgerin zeigte sich völlig überrascht und sagte, sie habe "null mit dem Preis gerechnet", denn sie habe inzwischen doch eher Routine im Nichtgewinnen denn im Gewinnen. 

Diesmal, so können die sagen, den den Preis von Anfang an verfolgen, sind der Deutsche und der Schweizer Buchpreis so weit von einander entfernt wie noch nie. Denn kein einziger der fünf Nominierten der Schweizer Liste war auf der 20er Liste vom Deutschen Buchpreis gewesen. Nun ist der Deutsche Buchpreis von seinen Bedingungen her der umfassendste. Denn man muß keiner spezifischen Nationalität angehören, sondern der Roman - in der Schweiz auch Essays, in Österreich zusätzlich einschließlich Dichtung - muß original auf Deutsch verlegt worden sein im betreffenden Jahr, dem letzten Quartal des vorherigen Jahres und drei Quartalen des Buchpreisjahres. Währenddessen sind sowohl in der Schweiz wie auch Österreich die Einreichungen durch die Verlage auf die jeweiligen Nationalitäten der Autoren beschränkt zusätzlich aller in den Ländern befindlichen Verlage und ihrer Autoren. 

Sibylle Berg erhält dafür 30‘000 Franken, die weiteren Nominierten je 3’000 Franken. Das sind umgerechnet genau 27.291,60 Euro und damit mehr als die 25 000 Euro zum Deutschen Buchpreis. Die Preisverleihung fand wie immer im Theater Basel vor rund 500 Gästen statt und wurde von Radio X live übertragen.


«GRM. Brainfuck» ist einer von fünf Titeln, welche die Jury im September aus 71 eingereichten Romanen und Essays von Schweizer Autorinnen und Autoren nominiert hat. Die weiteren Nominierten waren:

Simone Lappert: «Der Sprung» (Diogenes Verlag)
Tabea Steiner: «Balg» (Edition Bücherlese)
Alain Claude Sulzer: «Unhaltbare Zustände» (Galiani Verlag)
Ivna Zic: «Die Nachkommende» (Matthes & Seitz Verlag)

Mitglieder der Jury für den Schweizer Buchpreis 2019 waren: Daniel Graf (Kulturredakteur Republik; NEU), Manfred Papst (Kulturredakteur NZZ am Sonntag; Jurysprecher), Christine Richard (freie Kritikerin), Monika Steiner (Buchhändlerin Münstergass Bern, NEU) und Susanne Sturzenegger (Freie Mitarbeiterin Literaturredaktion SRF). Die Expertenjury wird regelmässig personell erneuert.

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