Bildschirmfoto 2019 11 13 um 03.18.48aufbereitet in Jacques Cuisin, Naturgeschichten, wbg Theiss, Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zufälle gibt‘s nicht, heißt eine populäre Aussage, die zutrifft, wenn man an ein und demselben Tag morgens in der Zeitung liest, daß Wissenschaftler einen Suchaufruf gestartet haben, ein mögliches Aussterben von Gartenschläfern in Deutschland verhindern zu wollen und in einer Abbildung ein mausähnliches, süßes, kleines Felltier sieht, das man noch nie gesehen hat, wie man auch den Namen Gartenschläfer noch nie gehört hat, und dann nachmittags erstmals den BUFFON aufschlagend, auf Seite 156/57 landet, auf der rechten Seite, wo immer die kolorierten Zeichnungen sind, ein kleines, mausähnliches graues Tierchen (Abbildung rechts) sieht und links, wo die Texte stehen, liest: GARTENSCHLÄFER.

Erst konnte ich‘s nicht glauben. Und dann habe ich mir alles reingezogen, was ich über dies Tierchen dort lesen konnte. In großer bunter Schrift steht über dem Text erst der von Buffon gebrauchte Name in deutscher Übersetzung, darunter die heutige deutsche Bezeichnung, darunter dann die – wir wiederholen das gerne - von dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné gefundene Systematik, wo die GATTUNG mit der lateinischen Bezeichnung mit großem Anfangsbuchstaben und die ART, ebenfalls latinisiert, mit kleinen Anfangsbuchstaben stehen. Zweimal lesen wir also GARTENSCHLÄFER und dann Eliomys quercinus.

Und dann: „Der Gartenschläfer gehört zur Familie der Bilche. Diese Gruppe von Nagetieren ist sehr alt, immerhin existiert sie seit fast 40 Millionen Jahren. Sie besteht aus Schlafmäusen, Gartenschläfern, Baumschläfern und Haselmäusen, die in 29 Arten unterteilt nur in Eurasien und und Afrika vorkommen. Drei dieser Arten leben in Frankreich, der Gartenschläfer bereits seit mindestens 4 Millionen Jahren.“

Also, wie ist das mit den Schläfern und den Mäusen? Und 29 Arten? Das müßte sich dann im zweiten Teil der lateinischen Bezeichnung wiederfinden und alle wären Eliomys. Finden wir andere? Erst blättern wir, ob wir weitere Eliomys finden, dann schauen wir in den Anhang, wo eine wohltuende Ordnung herrscht und erst die Namen bei Buffon, dann das Verzeichnis der Trivialnamen, also der umgangssprachliche Begriffe und schließlich die wissenschaftlichen Namen verzeichnet sind. Ha, nur einmal finden wir unser Eliomys mit – siehe oben – der Bezeichnung der Art quercinus, während Buffon unter Panthera gleich vier Arten in Zeichnung und Text differenziert hat: leo 158 (Löwe), pardus 212 (Leopard), tigris 276 (Tiger) und uncia 198 (Schneeleopard).

Aha, der wissenschaftliche Oberbegriff für diese Großkatzen, wie wir umgangssprachlich sagen, ist Panthera. Aber wo bleibt der Panther? Den gibt es überhaupt nicht, forschen wir weiter, soll heißen, der Panther oder Panter, den wir immer schwarz vor uns sehen, ist nur ein schwarzgefärbter Leopard oder ein schwarzer Jaguar, eine Form des Melanismus, wo die Pigmente in der Haut auch das Fell schwarzfärben, sozusagen das Gegenteil vom Albinismus, wo alles weiß wird.

Erstaunlich, was man alles lernt, wenn man einfach die Begriffe beim Wort nimmt und mehr wissen will. Durch unser Nachforschen haben wir aber auch gemerkt, daß in der Systematik der Panthera auch ein Panthera onca vorkommt, nämlich der Jaguar, der aber überraschenderweise nicht vorkommt. Aber er ist uns beim Betrachten der Bilder und beim Lesen im Buffon doch öfter untergekommen? Daran erinnern wir uns genau!

Stimmt. Dazu brauchen wir jetzt nur beim Verzeichnis der Tiernamen schauen und finden bei denen von Buffon auf Seite 144  den"Jaguar", aber bei den gebräuchlichen deutschen Bezeichnungen nichts. Auf Seite 144 klärt sich alles und das wird total spannend. Wir sehen nämlich im Bild einen Jaguar, der keiner ist: „Offensichtlich ist Buffon mit der neotropischen Fauna nicht vertraut und kennt nicht alle Farbvariationen der Katzen, die in den Wäldern dieser biogeografischen Region leben. Auch fehlen ihm Vergleichsmöglichkeiten zu den verschiedenen Arten von gefleckten Katzen aus Afrika oder Südamerika...“ Und tatsächlich ist die von Buffon als Jaguar gezeichnete Großkatze ein Ozelot, ein Leopardus pardalis; später wird er noch einen Leopardus pardalis zeichnen, nach Lebendmodellen in Paris und das ist dann wirklich ein Ozelotmännchen.

Wir haben es heute so leicht, mit den Zoos, den Bestimmungsbüchern, den Fotos, den Filmen, dem Internet, den Tieren ihre Namen zu geben und im Umkehrschluß einem Begriff das zutreffende Bild, also das richtige Tier zuzuordnen, aber daß es so ist, verdanken wir denen, die die lebendige Welt der Tiere in eine Systematik gebracht haben und dazu die Tiere der Welt gezeichnet haben, erstmals also den Zusammenhang von Begriff und Bild herstellten, der für die damalige Welt eine Sensation darstellte – und von dem wir auch heute noch viel lernen können, aber wie gesagt, das Anschauen selbst beglückt ebenfalls. Ein wunderbares Buch.

Foto:
Der Gartenschläfer
© Redaktion

Info:
Jacques Cuisin, Naturgeschichten. Buffons spektakuläre Enzyklopädie der Tiere
Hardcover
ISBN978-3-8062-4040-5
Verlag wbg Theiss 2019
304 Seiten
190 farbige Illustrationen