c einsameDIE KRIMIBESTENLISTE IM NOVEMBER, Teil 5

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Diesmal ist die Trennung von gleich sieben Listenplätzen vom Oktober besonders dramatisch, was einfach an der Zahl liegt. Außerdem waren so spannende Frauen darunter, die allerdings lange dabei waren. So WENN ENGEL BRENNEN von Tawni O‘Dell dreimal und KLARE SACHE von Denise Mina zweimal, beide im verdienstvollen Verlag Ariadne im Argument Verlag.

Auch KALTES LICHT von Garry Disher aus dem Unionsverlag hatte die Grenze mit drei Monaten auf der Liste überschritten; das gilt auch für MORDUNTERSUCHUNGSKOMMISSION von Max Annas, der seit August diesen vergessenen Mordfall von 1983 an einem afrikanischen Vertragsarbeiter aus der alten DDR lebendig hielt. Das geht in Ordnung.

Aber dann gibt es drei Kriminalromane, die im Oktober erst auf die Liste kamen und im November verschwunden sind. Die wollen wir zumindest ordentlich verabschieden.

Das sind die Plätze 8, 9 und 10 gewesen, auf 8 von William Boyle, EINSAME ZEUGIN, erschienen bei Polar; auf 9 Harry Bingham, FIONA – DAS TIEFSTE GRAB, Rowohlt Verlag und an letzter Stelle Hideo Yokohama 2, Atrium Verlag, die also nur einen Monat auf der Liste waren. Aber: immerhin! Denn die Verlage, die Kriminalromane veröffentlichen, die schauen mit schnellem Blick auf die Monatsliste, ob eine oder einer ihrer Autoren es mit dem neuesten Werk geschaffen hat. Das hat etwas mit Qualität zu tun, nicht unbedingt mit der Auflage. Denn immer wieder fragen Leser nach, warum denn bestimmte Autoren, die in Deutschland die höchsten Auflagen erzielen, fast nie auf die Liste kommen. Ja und nein, ist unsere Meinung dazu. Denn die meisten sind wirklich deshalb so erfolgreich, weil sie ein erfolgreiches Konzept immer wieder bringen, ohne Neues hinzuzufügen. Aber dann gibt es welche, die sowohl hohe Leserzahlen haben und auch literarisches Gewicht haben und dennoch nicht gelistet werden. Ein andermal und jetzt zu den drei Ausgeschiedenen.

William Boyle ist immer wieder auf der Liste vertreten, EINSAME ZEUGIN spielt ebenfalls in Brooklyn, wo sein Debütroman sogar nach der Südspitze GRAVESEND benannt war. Auch die jetzige Hauptperson war dort schon eine Nebenfigur rund um die 86. Straße und die Pfarrkirche St. Mary Mother of Jesus. Amy Falconetti. Das ist ein Roman, in dem die kleinen Leute, die ganz normalen mit ihren Sehnsüchten und Niederlagen eine Rolle spielen, wo man auch erkennt, daß in großen Städten es kleinbürgerliche Gegenden gibt, wo jeder jeden kennt und wo ein Mord alles durcheinanderwirbelt. Amy ist also Zeugin und nicht ganz bei sich, wenn sie die Tatwaffe an sich nimmt. Und als sie den Mörder kennenlernt, da rutscht alles durcheinander.

FORTSETZUNG FOLGT

Die KrimiBestenliste November

1 (1)
Garry Disher: Hitze
Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller.
Pulp Master, 278 Seiten, 14,80 Euro
Queensland. Wyatt soll ein Gemälde stehlen. Nazi-Raubkunst, die wieder aufgetaucht ist. Ob die Story stimmt? Wyatt ist nicht der einzige Dieb an der Goldküste. Und hat zudem abgehängte Komplizen auf den Fersen. Da passt es prima, dass seine Auftraggeberin Ex-Soldatin ist. Cool, cooler, Wyatt.

2 (-)
Franz Dobler: Ein Schuss in Blaue
Tropen, 288 Seiten, 20 Euro
München. Ein Islamist soll in der Stadt sein, auf ihn sind 2 Millionen Kopfgeld ausgesetzt. Ein Job für Robert Fallner und SIS. Doch: Informationsnebel, rivalisierende Dienste. Zeugen verschwinden, Schüsse fallen. Realität als Tiefschlag. Dobler dekultiviert den Mist aus Vorurteil und Hasstiraden.

3 (-)
Paulus Hochgatterer: Fliege fort, fliege fort
Deuticke, 286 Seiten, 23 Euro
„Furth am See“. Mehr Provinzstadtanalyse als Kriminalroman: Opfer von Kinderheimgegewalt nehmen sich das Recht zur Vergeltung, kommentiert und observiert von Kripomann Kovacs und Psychiater Horn. Rassistenautos brennen, Kinder entführt. Offen in alle menschlichen Richtungen, Lob der Erzählfreiheit.

4 (-)
John le Carré: Federball
Aus dem Englischen von Peter Torberg.
Ullstein, 352 Seiten, 24 Euro
London. Nat und Ed, alternder Spion und radikal junger Remainer, ein wenig Vater und Sohn, bei 15 Badmintonspielen. MI6 und Bruderdienst CIA in Zeiten von Brexit und Trump: wenig Verstand, politisch konfus, dreist korrupt. Le Carré mit 88: liebenswürdig, klar, elegant. Verficht Jugendtraum Europa.

5 (5)
Dror Mishani: Drei
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.
Diogenes, 336 Seiten, 24 Euro
Tel Aviv, Bukarest. Drei Frauen – immer derselbe Mann. Über ein Dating-Portal für Geschiedene kommen Orna und Gil zusammen. Bis sie mitkriegt, dass er sie getäuscht hat. Emilia und Ella queren auch seinen Weg. Der Rest ist Kritikers Schweigen und Bewunderung. Vivisektion der Alltagsbösartigkeit.

6 (-)
Simone Buchholz: Hotel Cartagena
Suhrkamp, 230 Seiten, 15,95 Euro
Hamburg, Cartagena. Henning ist der Seemann, der nie wieder nach Hamburg zurückkommen will. Sein Glück findet er im kolumbianischen Cartagena, sein Unglück auch, das kommt aus der Hansestadt. Chastity und Freunde werden Geiseln eines großen Racheakts. „Überall schwarze Löcher.“ Blow out.

7 (7)
Adam Brookes: Der chinesische Verräter
Aus dem Englischen von Andreas Heckmann.
Suhrkamp, 402 Seiten, 15,95 Euro
Peking, London. Nach zwanzig Jahren gelingt Peanut die Flucht aus dem Arbeitslager. MI6 soll ihn rausholen, als Gegenleistung für Raketengeheimnisse. Korrespondent Philip Mangan wird widerwillig seine Kontaktperson. Die Gier der Geheimdienste bringt sie beinahe um. Pikanter Politthriller, China heute.

8 (-)
Norbert Horst: Bitterer Zorn
Goldmann, 320 Seiten; 13 Euro
Dortmund. Im Krieg zweier Clans wird ein Mädchen entführt. Ein junger Einbrecher ist auch verschwunden. Steiger behält im Dauerstress klaren Kopf und hat Ideen. Das Gesetz (des Handelns) halten andere in der Hand. Straßenrealistisch, seelengenau: Bei Norbert Horst wird Polizeialltag Literatur.

9 (-)
Lisa McInerney: Blutwunder
Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.
Liebeskind, 334 Seiten, 22 Euro
Cork. Nach „Glorreiche Ketzereien“ die Gangsterballade. Ryan Cusack möchte alles: Sauber bleiben, rumvögeln, Karine heiraten, leichtes Geld verdienen. Leider schert das die Gangsterbosse einen Dreck. Und so muss der Junge ohne Mutter sich von Frauen das Leben retten lassen. So ein Pech aber auch.

10 (-)
Hannelore Cayre: Die Alte
Aus dem Französischen von Iris Konopik.
Ariadne im Argument-Verlag, 203 Seiten, 18 Euro
Paris. Madame Portefeux übersetzt seit 25 Jahren Arabisch für die Polizei. Ihr Verdienst geht für das Altenheim der Mutter drauf. Als sie auf einen Berg Haschisch stößt, greift sie zu. Alle leben vom Drogenhandel – warum nicht sie? Nieder mit der Heuchelei, die Frechheit an die Macht!

Rang (Vor-monat)

Foto:
© Cover