Der literarische Außenseiter Jörg Fauser
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Frankfurter Literaturinitiative PRO LESEN weist in ihrem Januar-Programm auf den etwas in Vergessenheit geratenen Autor Jörg Fauser hin.
Jörg Fauser, der am 16. Juli 1944 in Bad Schwalbach/Taunus geboren wurde und am 17. Juli 1987, in der Nacht nach seinem Geburtstag, auf der Autobahn bei München als Fußgänger tödlich verunglückte, veröffentlichte bereits als 15/16-Jähriger journalistische Beiträge in der „Frankfurter Neuen Presse“ und Rezensionen in der Politik- und Kulturzeitschrift „Frankfurter Hefte“. Von 1968 bis 1974 lebte Fauser überwiegend in Berlin, aber auch in Frankfurt und in Göttingen und meldet sich in alternativen Zeitschriften mit Kolumnen zu Wort. Danach verfasst er Reiseberichte aus der Türkei, aus Marokko und den USA. Es folgen Gedichtbände (zusammengefasst in der Ausgabe „Ich habe die großen Städte gesehen“), mehrere Erzählungen und die Zusammenarbeit mit dem Musiker Achim Reichel als Texter (Album „Blues in Blond“). Die Romane „Rohstoff“, „Schneemann“ und „Schlangenmaul“ erscheinen in den 1980er Jahren sein, der Roman „Die Tournee“ bleibt Fragment.
Nach dem fachlichen Urteil des Satirikers Wiglaf Droste war Jörg Fauser ein „Außenseiter unter Außenseitern“. Droste, der selbst für seine provozierenden Reden und Texte berüchtigt war, konnte diesen „Bruder im Geiste“ vermutlich besonders genau einschätzen. Für die Literaturkritikerin Ina Hartwig, heute Kulturdezernentin in Frankfurt am Main, war er vor allem ein empfindsamer Dichter, der wegen seiner Motive, vor allem der harten Kerle am Rande der Gesellschaft, verkannt worden sei. Die posthum (1993) erschienene Sammlung von Briefen an seine Eltern ist mit „Ich habe eine Mordswut“ überschrieben, was die typische Seelenlage des Autors treffen dürfte.
In seinen ersten Berliner Jahren (1968 - 1974) liefert ihm die Potsdamer Straße den Rohstoff für seine Romane und Erzählungen. Fauser wird zu einem Bordsteinliteraten, der sich mit Drogen, Drogenhandel, gesellschaftlichem Muff und den Abgründen des Straßenstrichs gut auskennt. „Rohstoff“ heißt denn auch der 1984 erscheinende Roman. Damals ist er 40 Jahre alt. Drei Jahre später, in der Nacht nach seinem 43. Geburtstag, stirbt er auf der Autobahn bei München-Bogenhausen. Mit 2,6 Promille Alkohol im Blut wird er als Fußgänger vor einen LKW überfahren. Dieses Schicksal teilt er mit seinem Schriftstellerkollegen Rolf Dieter Brinkmann, dem er in Abneigung verbunden ist. Obwohl sich beide in der Verachtung der bestehenden gesellschaftlichen Zustände einig sind und häufig einen ähnlich aggressiven Ton anschlagen:
„Dieser deutsche Brei, diese klebrige Soße, die sie mit ihrer Kulturproduktion servierten, und diese Soße schmeckte so schlecht, weil sie zubereitet war aus den Rückständen politischer Krankheiten, aus den überlebten Doktrinen des Jahrhunderts, und angereichert mit den politischen Modebegriffen der jeweiligen Saison.“
Die Erinnerung an Jörg Fauser schließt auch den Eklat beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb 1984 in Klagenfurt ein. Marcel Reich-Ranicki schließt ihn von diesem faktisch aus mit der Bemerkung: „Er gehört hier nicht her“.
Ob und wie er damals und noch heute zur literarischen Welt gehörte bzw. gehört, will die Sachsenhäuser Kulturinitiative PRO LESEN in ihrer Themenwoche zu klären versuchen.
Foto:
Umschlagbild der leider vergriffenen Biografie „Rebell im Cola-Hinterland“
© Edition Tiamat, Berlin 2004
Info:
PRO LESEN-Themenwoche vom 20. bis 25. Januar 2020 im städtischen Bibliothekszentrum Frankfurt-Sachsenhausen (Buchausstellung)
Donnerstagabend-Lesung am 23.01.2020: „Von Schneemännern am Rand der Städte“, Beginn 19:00 Uhr, Eintritt frei.