Amy Winehouse - BLAKE WOOD , Eine außergewöhnliche Biografie im Verlag Taschen, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Verzwickt, verzwackt, aber heute soll es geschehen. Denn wir haben diesen zweiten Teil der Rezension des schönen und für Taschen geradezu schmalen Fotobandes schon einmal geschrieben. Nur verschwand der Text. Und wie es mit Texten ist, die verschwinden, weiß man genau, so gut, so präzise, so brillant wird das nie wieder sein. Ein späterer Aufguß, bleibt ein Aufguß!
Sei‘s drum. Seltsamerweise kann ich mich an das Schreiben des Textes genau erinnern, denn es gab ja einen Anlaß, warum ich AMY WINEHOUSE BLAKE WOOD unbedingt in den Händen halten, durchblättern und mich in die Fotos vertiefen wollte. Denn die Aufnahmen sind vom Fotografen und der Sängerin Freund Blake Wood auf der Insel Saint Lucia in der Karibik gemacht worden. Eine der kleinen, landschaftlich wie einem Märchen entstiegene Insel, die grün vor einem liegt, dann aber auch richtige Berge hat. Die Insel hat angesichts ihrer Kleinheit eine absolute Exklusivität. Wenn man großartiges Strandleben in den Superhotels genießen wollte, dann flog man woanders hin. Wenn aber das Besondere gewünscht war, in der die Natur nicht vollends für den Touristen geregelt, will sagen: gemaßregelt war, dann war Saint Lucia das Richtige.
War Amy Winehouse öfter hier? Die Bilder von ihr aus Saint Lucia im vorliegenden Band sind alle aus dem Jahr 2009. Ich war schon 40 Jahre zuvor dort! Und es sieht noch genauso aus wie früher! Und der entspannten Miene von Amy sieht man an, daß es ihr gut geht auf Saint Lucia. Sie auf dem Rücken von Pferden, ist auch nicht das, was man sich bisher vom Alltag der Sängerin vorstellte. Ordnet man schnell den Urlaub im Jahr 2009 in ihr heftiges, arbeitsreiches Leben ein, so muß man an ihrem großen Erfolg BACK TO BLACK erinnern. Sie war 24 Jahre alt, als sie ein Jahr später im gleichen Jahr, 2008, den 22jährigen Fotografen Blake kennenlernte. Sie war damals schon das gehetzte Reh, als daß jemand wie ich sie wahrnahm – und nachgetragene Liebe soll einfach heißen, daß ich erst später, als ich von ihrem Elend mit den drei sie dominierenden Männern hörte, die Empathie entwickelte, die man eigentlich schon beim Hören ihrer Stimme – unvergleichlich – empfindet. Sie war etwas ganz Besonderes und das nicht früher bemerkt zu haben, warf ich mir dann vor. Dabei spreche ich nicht so sehr von der Sängerin, sondern dem Menschen, der Frau Amy, die sich selbst so schurigeln ließ und von der versammelten Presse gehetzt wurde.
Das fühlte auch der junge Blake, der sich mit ihren Liedern über ein ihn schmerzendes Liebesende hinweggetröstet hatte, schon bevor er sie kennenlernte. „Sie hatte die Gabe, Emotionen zu vermitteln, nicht nur durch ihre Liedtexte, sondern auch durch die Glaubwürdigkeit, mit der sie sie vortrug und einem das Gefühl gab, daß sie in dem Moment fühlte, was man selbst gerade fühlte.“(139) Seine Worte über ihren Charakter und seine Wut über die Schwierigkeiten, die man ihr bereitete, sind in aller Tiefe nachvollziehbar.
Nähe ist es auch, was die Fotos von Saint Lucia ausstrahlen. Sie ist ohne Arg, weil sie sich in den Händen eines Freundes fühlt, wenn er die Kamera auf sie richtet. Diese Fotos sind wie aus einem Familienalbum, wo ein wunderschöner Urlaub festgehalten wird – und nicht wie die langweiligen, aufgemotzten Starfotos, die man ständig in den Illustrierten – und heute im Internet dazu – sieht, die sich gleichen wie nur was. Nein, hier geht es individuell und persönlich zu. Normalität strahlen sie aus und das ist nichts Langweiliges, sondern aufregend, wenn sonst genormte Strahlung herrscht.
Das gilt eben auch für das Verhältnis der beiden, das eines abgrundtiefer Freundschaft war, wo Liebe herrschte, aber keine Liebesbeziehung die grundlegende Freundschaft gefährden sollte. Das gibt es zwischen Mann und Frau. DAs gab es zwischen Amy und Blake, wobei die Ironie des Schicksals eben auch vorsah, daß ihr verdammter Ehemann und Schlechttäter, der gerade hinter Gittern saß, auch Blake hieß.
Zurück zur Insel Saint Lucia, an deren Aufnahmen wir uns nicht sattsehen können. Dabei gibt es ein photographisches Geheimnis, denn die Inselbilder sind mit verschiedenen Kameras aufgenommen. Die leicht verwackelt wirkenden, besser: farblich verschwimmenden Aufnahmen sind nämlich Polaroidfotos. Die waren zwar aus der Mode gekommen, sind aber ein beliebtes Stilmittel, um genau den Eindruck zu erzeugen, auf den ich ja auch ohne dies neue Hintergrundwissen kam: Privatheit, Urlaub, Leben. Die Amy, die man hier sieht, wirkt nicht mehr als zurechtgezimmerte Stilikone, sondern wie eine glückliche und vor allem gesunde junge Frau, der es gut geht.
Tatsächlich blieben die beiden drei Monate auf der Ferieninsel!! Der Fotograf schreibt darüber im Buch und im hinteren Bereich sind dann noch einmal Fotos abgelichtet, zu denen längere Texte gehören, die ebenfalls informativ sind. Und man erfährt auch, daß sie es war, die ihn zu den Fotos animierte und das nicht, weil sie egozentrisch sich in seinen Bildern spiegeln wollte, nein, das Gegenteil. Sie fühlte, daß er London vermißte, sie fühlte, daß es ihm nicht so gut ging in seiner Lebensplanung. Sie wollte ihn mit dem Fotografieren – sie als Objekt – einfach auf andere Gedanken bringen.
Das hat er nun davon und wir auch. Da ist nun doch sehr viel mehr daraus geworden, als die Begeisterung über Saint Lucia. Die steckt in dem anderen Artikel sehr viel stärker. Wetten, daß der, wenn dieser veröffentlicht ist, irgendwo auftaucht?
Jetzt aber erst mal eine Platte hören oder den wunderbaren Film über sie wieder einmal anschauen, wo wir in der unteren Besprechung unter anderem ausführen: "Uns geht's schon ans Herz, wie so ein junges Ding so kreuzunglücklich sein kann, selbst immer dünner, ja mager wird, der haarige Kopfputz dagegen immer höher und der Lidstrich immer dicker und schwärzer!"
Foto:
Cover
Info:
Die Besprechung des Films AMY von 2015
https://weltexpresso.de/index.php/kino/5146-amy
By Nancy Jo Sales
© 2018 TASCHEN GmbH
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All photographs © 2018 Blake Wood
“That Brilliant, Loving Light”
© 2018 Nancy Jo Sales
Editor: Reuel Golden, New York
Art Director: Josh Baker, Oakland
Design: Nemuel DePaula, Los Angeles
German translation: Julia Heller, Munich
French translation: Philippe Safavi, Paris
Editorial coordination: Sarah Wrigley,
New York, and Kathrin Murr, Cologne
Production: Marion Boschka, Cologne
Printed in Italy
ISBN 978-3-8365-7103-6