Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Juli 2015, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wer sich bisher kein Bild von der mit 27 Jahren so plötzlich verstorbenen Amy Winehouse machte, wird in diesem Film genauso bedient, wie diejenigen, die sie gut zu kennen glaubten. Wir erleben eine neugierige, hochbegabte junge Frau, die von einem Männerdreigestirn bedroht wird, der sie sich durch Selbstvernichtung entzieht: dem Musikgeschäft, dem Vater, der an ihr verdient, dem Ehemann, dem sie den Drogendschungel sponsert, in den er sie hineinzieht.

 

Traurig macht einen der Film so oder so. Denn was auf jeden Fall stimmt, das ist, daß wir hier eine begabte Sängerin vor uns haben, wobei es völlig egal ist, wie man das nennt, ob Pop, ob Anfänge des Jazz oder Ende vom Rock. Was auch stimmt, das ist, daß ihr Beginn und auch der Filmbeginn eine leicht pummelige Amy zeigt, die aus Herzenslust singt und mit ihrer zunehmend körperlichen Fragilität zwar das Singen noch klappt, aber Herz und Lust nicht mehr dabei sind, bis das Leben erlischt.

 

Doch, uns hat der Film angerührt, weil er dramaturgisch genau so angelegt und auch geschnitten ist, daß einen das Herz rührt. Da sind so viele wacklige Videoaufnahmen dabei, die dem Ganzen den Anschein von Authentizität geben. Ursprünglich war der Vater, ihr Manager und der, der das viele Geld verwaltete, positiv zu diesem Film eingestellt und stellte das Material zur Verfügung. Aber dann bekam er wohl mit, daß er nicht gut dabei wegkommt – und wenn das stimmt, was hier eine Rolle spielt, daß er seine Tochter Amy auch dann noch zur Erfüllung ihrer Verträge zwang, als diese nicht mehr konnte, dann ist er nicht nur ein Rabenvater, sondern strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen – und verweigerte seine Mitarbeit und drohte an, selbst eine filmische Biographie drehen zu wollen.

 

Wahrscheinlich sollte man darum sagen, daß dieser Dokumentarfilm zeigt, was Regisseur Asif Kapadias über das Leben, das Singen und das langsame Sterben der Amy Winehouse denkt. Daß sich das alles eigentlich auf eine einzige Platte stützt, das wundert einen dann schon. Denn sie soll weltweit über 25 Millionen „Tonträger“, wie man das nennt, verkauft haben. Im Film sieht und hört man sie aber immer die gleichen Sachen singen, meist den Anfang und die jubelnden Massen, leider wird keines der Lieder zu Ende gesungen.

 

Uns geht's schon ans Herz, wie so ein junges Ding so kreuzunglücklich sein kann, selbst immer dünner, ja mager wird, der haarige Kopfputz dagegen immer höher und der Lidstrich immer dicker und schwärzer. Und da wir selber keine Alkoholikerin noch drogensüchtig sind, geht uns die Erfahrung ab, was sie in diese Szene getrieben hat. Den Alkohol kann man an jeder Straßenecke tanken, für Drogen muß man schon Gewährsleute haben. Ob man das Unglück der Amy Winehouse ihrem Vater und ihrem Ehemann verantworten kann, das zu entscheiden wollen wir uns nicht anmaßen. Unsympathisch genug sind sie dargestellt. Aber die Musikindustrie, die Auftritte erzwingt, damit die „Tonträger“ anschließend wie warme Semmeln verkauft werden, wobei der Verkauf ja auch erst die Auftritte erzwingt, also diesen Laufkäfig des ewigen Rades, den kurbelt so ein Film erneut an. Nutznießer sind auf jeden Fall alle drei: die Musikindustrie, Vater und Ehemann. Und das Objekt ihres Begehrens ist tot. Traurig eben.