Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als ich wieder einmal mein ältestes Buch von ihr, von Maria Helene, die sich Marlen nannte, hervorholte: WIR TÖTEN STELLA, Novelle von 1958, 1985 verlegt bei Claassen, war ich schon bei den ersten Sätzen wieder so fasziniert, wie beim ersten Mal. Sie hat eine indirekte Direktheit, die einem durch Mark und Bein geht.
Wie das Leben der österreichischen Schriftstellerin verlief und warum sie so früh starb, das alles wollen wir länger an ihrem 100sten Geburtstag weitergeben, der sich ja schon bald, am 11. April. jährt. Daniela Strigl hat im Jahr 2000 ebenfalls bei Claassen eine Biographie vorgelegt, die dann eine nützliche Rolle spielen wird. Aber auch DIE FRAU HINTER DER WAND, von Liliane Studer, die den Nachlaß der Marlen Haushofer bearbeitet hat, wird wichtig.
Heute, an ihrem 50sten Todestag, traurig, traurig, sollen nur einige Hinweise erfolgen, wie sie auf einen Schlag in der bundesdeutschen literarischen Öffentlichkeit, besser: in der frauenbewegten Öffentlichkeit bekannt wurde. Das war der schmale Band ODER WAR DA MANCHMAL NOCH ETWAS ANDERES? TEXTE zu Marlen Haushofer, Verlag Neue Kritik 1986, der auf 185 Seiten Wesentliches zusammentrug, das man nach dem Lesen nie wieder vergaß. Der Band war interessant aufgebaut für ein Publikum, das weithin Marlen Haushofer nicht kannte, wohl aber die sechs Frauen und drei Männer, die im ersten Teil über ihre Leseerfahrung mit Marlen Haushofer berichten.
Dies beginnt mit Uwe Schweikert, IM TOTEN WINKEL, seine Notizen bei der Lektüre von Marlen Haushofers Roman DIE WAND. Bis heute wohl ihr bekanntestes Werk, was sicher die Folge der phänomenale Verfilmung durch den Österreicher Julian Pölsler ist – bzw. die Verfilmung kam, weil der Roman so einschlug - und natürlich zu mindest gleichen Teilen durch Martina Gedeck, die die Hauptrolle der Frau übernommen hat, die auf einmal imWald an eine gläserne Wand stößt. Das war am 12. Februar 2012, als DIE WAND bei der Berlinale aufgeführt wurde und nach unserem Wissen auch in den Kinos gut lief. Sensationell, weil unter die Haut gehend, dann auch die Verfilmung durch den selben Regisseur mit der gleichen Hauptdarstellerin 2016 WIR TÖTEN STELLA.
Die Erzählung selbst ist schon 1958 in Wien erschienen und auch, wenn das nicht das Entscheidende ist, ist man total überrascht, daß sie schon damals, 1958 schreibt: »Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe u. da ich derzeit nicht schreibe fühle ich mich versumpft und ekelhaft. Werde Kinderbuch machen, besser als gar nichts. Sehe dass die Erzählungen [in Schreckliche Treue] wahnsinnig depressiv u. hoffnungslos sind, dabei in einer halbwegs guten Zeit geschrieben in der ich mich ›stark‹ fühlte. Kein Mensch wird das lesen wollen, mit Recht, das böse Ende steht uns doch allen bevor, wozu sich jetzt schon betrüben lassen durch diese Geschichten. Dabei schreibe ich gern lustige Geschichten, die ich aber als unbefriedigend empfinde, als völlig abgesplitterten Teil ein[er] Wirklichkeit, der aufgeblasen wird u. so Aspekte erreicht, die ihm nicht zustehen.«
Alles ist ja heuer um Wochen verspätet. Ja, es scheint mir seit einigen Jahren, daß unser Klima sich allmählich verschiebt. Wo sind die glühenden Sommer meiner Kindheit, die schneereichen Winter und der zögernde, sich ganz langsam entfaltende Frühling?“ (S. 6) Und dann sind wir konfrontiert mit der toten Stella, ohne mehr über sie zu wissen, als daß ihr Unfalltod, ein vom Auto Überfahrenwerden, ein Selbstmord war. Unheimliches liegt in der Luft, von Anfang an, denn die Erzählerin doppelt ein Frau-Mann-Verhältnis, wenn sie dem Sohn Wolfgang dieselben Gefühle und Absichten unterstellt wie ihrem Ehemann Richard.
Symbolisch wird alles über den kleinen Vogel vermittelt, der jämmerlich nach seiner Mama schreit, was der Erzählfigur auf die Nerven geht, wie überhaupt eigentlich alles, was man Leben nennt. Stella ist die Tochter ihrer Freundin Luise, die sie bittet, Stella in ihrer Familie aufzunehmen: „Luise ist meine Freundin, das heißt, sie behauptet seit dreißig Jahren, es zu sein. Gar nie hab‘ ich sie gemocht, schon in der Schule nicht, denn schon als Kind war sie geizig, intrigant und bösartig. Immer wollte Luise meine Sachen haben, damals brachte sie mich um meine Radiergummis, Lackgürtel und Wurstbrote, später wollte sie die Männer, die mir den Hof machten, und jetzt hat sie schließlich mit Hilfe ihrer Tochter meine so mühsam errungene Ruhe zerstört.“(S.17) Über ihren Mann Richard: „Richard ist der geborene Verräter. Mit einem Körper ausgestattet, der ihn zum unaufhörlichen Genuß befähigt, könnte er zufrieden leben, wenn er nicht obendrein mit einem blendenden Verstand begabt wäre. Dieser Verstand erst macht die Vergnügungen seines genußsüchtigen Körpers zu Untaten. Richard ist ein Ungeheuer: fürsorglicher Familienvater, geschätzter Anwalt, leidenschaftlicher Liebhaber, Verräter, Lügner und Mörder.“
Und das schreibt eine nicht berufstätige Hausfrau und Mutter und Ehefrau eines Zahnarztes im beschaulichen Steyr im Jahr 1958!! Die eigentliche Geschichte der Stella, die wir hier verlassen, kommt erst noch.
1958, da war Marlen Haushofer 38 Jahre alt und hatte nach eher bäuerlicher Gewohnheit 1941 erst im Juli einen Sohn auf die Welt gebracht und dann im November Manfred Haushofer geheiratet. Zwei Jahre später kommt der zweite Sohn auf die Welt und sieben Jahre später lassen sich die Eheleute scheiden. Sie schreibt und schreibt und wie bei den Glamourpaaren der Kinogeschichte heiraten die beiden acht Jahre später - nach STELLA – ein zweites Mal. Als sie 1963 DIE WAND veröffentlicht, einen Roman, für den sie den Arthur Schnitzler Preis erhielt, kommen Jahre, in denen Schreiben und Reisen sich abwechseln, sie einige Kinder- und Jugendbücher und Bücher von Haustieren schreibt und sie immer wieder Literaturpreise erhält. So bekommt sie 1968 den Österreichischen Staatspreis für Literatur, kann noch 1969 DIE MANSARDE veröffentlichen und stirbt am 21. März 1970 in Wien an Knochenmarkkrebs.
Schon damals wurde sie als präfeministisch eingeschätzt. Österreich hatte nicht nur eine Ingeborg Bachmann vorzuweisen, sondern auch eine Marlen Haushofer. Das allerdings wurde dem Land und der europäischen Literaturszene erst später und nach und nach bewußt.
In ihrem Tagebuch vom 27. Januar 1968 hatte sie notiert: »Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe u. da ich derzeit nicht schreibe fühle ich mich versumpft und ekelhaft. Werde Kinderbuch machen, besser als gar nichts. Sehe dass die Erzählungen [in Schreckliche Treue] wahnsinnig depressiv u. hoffnungslos sind, dabei in einer halbwegs guten Zeit geschrieben in der ich mich ›stark‹ fühlte. Kein Mensch wird das lesen wollen, mit Recht, das böse Ende steht uns doch allen bevor, wozu sich jetzt schon betrüben lassen durch diese Geschichten. Dabei schreibe ich gern lustige Geschichten, die ich aber als unbefriedigend empfinde, als völlig abgesplitterten Teil ein[er] Wirklichkeit, der aufgeblasen wird u. so Aspekte erreicht, die ihm nicht zustehen.«
Wenn man bei diesen Aussagen den Verweis © Sybille Haushofer, Steyr sieht und liest, dann hat sich die zweite Frau des verwitweten Manfred Haushofer wirklich große Verdienste um das literarische Werk von Marlen Haushofer erworben. Denn sie hat alles, was noch auffindbar war, gesammelt und herausgegeben und von Beginn an bedauert, daß die Autorin vor ihrem Tod noch tabula rasa mit ihren noch nicht veröffentlichten Texten beging. Aber einiges entging dem Vernichtungsprozeß.
Mehr zum 100sten Geburtstag am 11. April 2020.
Foto:
©
Und das schreibt eine nicht berufstätige Hausfrau und Mutter und Ehefrau eines Zahnarztes im beschaulichen Steyr im Jahr 1958!! Die eigentliche Geschichte der Stella, die wir hier verlassen, kommt erst noch.
1958, da war Marlen Haushofer 38 Jahre alt und hatte nach eher bäuerlicher Gewohnheit 1941 erst im Juli einen Sohn auf die Welt gebracht und dann im November Manfred Haushofer geheiratet. Zwei Jahre später kommt der zweite Sohn auf die Welt und sieben Jahre später lassen sich die Eheleute scheiden. Sie schreibt und schreibt und wie bei den Glamourpaaren der Kinogeschichte heiraten die beiden acht Jahre später - nach STELLA – ein zweites Mal. Als sie 1963 DIE WAND veröffentlicht, einen Roman, für den sie den Arthur Schnitzler Preis erhielt, kommen Jahre, in denen Schreiben und Reisen sich abwechseln, sie einige Kinder- und Jugendbücher und Bücher von Haustieren schreibt und sie immer wieder Literaturpreise erhält. So bekommt sie 1968 den Österreichischen Staatspreis für Literatur, kann noch 1969 DIE MANSARDE veröffentlichen und stirbt am 21. März 1970 in Wien an Knochenmarkkrebs.
Schon damals wurde sie als präfeministisch eingeschätzt. Österreich hatte nicht nur eine Ingeborg Bachmann vorzuweisen, sondern auch eine Marlen Haushofer. Das allerdings wurde dem Land und der europäischen Literaturszene erst später und nach und nach bewußt.
In ihrem Tagebuch vom 27. Januar 1968 hatte sie notiert: »Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe u. da ich derzeit nicht schreibe fühle ich mich versumpft und ekelhaft. Werde Kinderbuch machen, besser als gar nichts. Sehe dass die Erzählungen [in Schreckliche Treue] wahnsinnig depressiv u. hoffnungslos sind, dabei in einer halbwegs guten Zeit geschrieben in der ich mich ›stark‹ fühlte. Kein Mensch wird das lesen wollen, mit Recht, das böse Ende steht uns doch allen bevor, wozu sich jetzt schon betrüben lassen durch diese Geschichten. Dabei schreibe ich gern lustige Geschichten, die ich aber als unbefriedigend empfinde, als völlig abgesplitterten Teil ein[er] Wirklichkeit, der aufgeblasen wird u. so Aspekte erreicht, die ihm nicht zustehen.«
Wenn man bei diesen Aussagen den Verweis © Sybille Haushofer, Steyr sieht und liest, dann hat sich die zweite Frau des verwitweten Manfred Haushofer wirklich große Verdienste um das literarische Werk von Marlen Haushofer erworben. Denn sie hat alles, was noch auffindbar war, gesammelt und herausgegeben und von Beginn an bedauert, daß die Autorin vor ihrem Tod noch tabula rasa mit ihren noch nicht veröffentlichten Texten beging. Aber einiges entging dem Vernichtungsprozeß.
Mehr zum 100sten Geburtstag am 11. April 2020.
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