c magnolienmordElsemarie Maletzkes Kriminalroman bei Schöffling & Co., Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon so ein Titel gefällt, wenn im eigenen Garten die Magnolien blühen und in den Gärten der anderen auch. Anders als sonst, wenn es warm ist und die Blüten viel zu schnell abfallen, halten sich in diesen frostigen sonnigen Tagen die blühenden Bäume und Sträucher und sind in Zeiten von Corona des Virus Gegenteil: Schönheit und Leben.

Also war der Titel MAGNOLIENMORD als angenehm schon mal gebongt, obwohl sich von Anfang an ein unsicheres Gefühl beimischte, was denn die schönen stolzen Magnolien mit MORD zu tun haben. Gar nichts, wird man am Ende wissen. Bleibt aber dennoch ein schöner, verführerischer Titel, zudem ein geradezu vornehmer Bildeinband hinzukommt, fast japanisch in der Reduktion oder auch eintrachtgemäß in Schwarz-Weiß, was für Frankfurt eher paßt, denn wir sind in Frankfurt, mitten im grünen Nordend, mit seiner doppelten Bedeutung von Grün: das viele Grün, das auch die Rückseite des Hauses in der Rat Beil Straße, um das es gehen wird, das Blauhaus, umschließt, denn die Pforte aus dem Garten hinter dem Haus geht direkt in den alten Jüdischen Friedhof, an den sich im Norden, Osten und Westen der Hauptfriedhof anschmiegt, ein herrliches Grüngebiet, was nur die wissen, die auf den Friedhof kommen, was nicht wenige zum Spazierengehen nutzen.

Die weitere Bedeutung des grünen Nordend sind DIE GRÜNEN, die in diesem Stadtteil Frankfurts ihre Hochburg haben, was man überall merkt, aber angenehmerweise im Roman nicht. Das liegt schon am literarischen Personal, die Personen, die mit sich selbst und ihrem Haus beschäftigt sind und sich weitere gesellschaftliche Vorhaben nicht zumuten. Das es das noch gibt! Aber es gibt sie wirklich, solche Hausbesitzer, die seit über 33 Jahren dieselben Mieter wohnen lassen, nein, nicht seit 33 Jahren mit derselben Miete, aber doch mit nur geringer Erhöhung. Das galt für das Blauhaus, das der Urgroßvater von Elinor Sander an der Ecke Rat Beil Straße/ Friedberger Landstraße erbaut hatte, das allein stehen blieb bei den VerwüstungenKrieg- und Nachkriegszeit, die die ehemals schöne Landstraße zu einer gesichtslosen Autoraserstrecke machte und in dem sie, die geliebte unverheiratete Tochter mit ihrem Vater lebte, bis vor fünf Wochen. Denn da starb ihr Vater und hinterließ ihr das Haus zu gleichen Teilen mit ihrer jüngeren, dummen in München – typisch! - lebenden Schwester, die sich für eine Künstlerin hält.

Doch der Reihe nach. Denn geschickt führt die Autorin erst einmal ihre Hauptfigur ein, die nicht junge, ja, durchaus ältliche Elinor, die mit ihrem Vater und dem Kater Heinz - weiß und grau getigert, dick und freundlich - im Erdgeschoß lebt, am Ende der Rat-Beil-Straße/Friedberger Landstraße, an dessen anderem Ende Rat-Beil-Straße/Eckenheimer Landstraße sie gegenüber in der Deutschen Bibliothek arbeitet und derzeit mit Ausstellung zur Exilliteratur beschäftigt ist. Wir lernen Elinor kennen, als sie Freundschaft mit einem Fuchs schließt, der nebenan auf dem Jüdischen Friedhof – 30 000 Gräber, bis 1929 belegt, die Frankfurter Rothschilds, Nobelpreisträger Paul Ehrlich, Verleger Sonnemann, Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, als Anna O. ein Psychoanalysefall von Sigmund Freud, die Großeltern von Anne Frank...kein Wasser findet, womit Elinor aushilft; vor kurzem ist ihr Vater gestorben, was sie traurig macht. Aber sie ist nicht sentimental, tja, romantisch auch nicht, sondern ziemlich kühl Gefühlsausbrüchen gegenüber, was wir verstehen lernen, wenn wir ihre jüngere Schwester Bibi kennenlernen, die eine ewig verwöhnte, ständig sich zu kurz gekommen fühlende, sich über Männer definierende plumpe Frau ist, die wir noch als wirre Phantastin und echte Nervensäge erleben werden.

Doch erst kommt im personenreichen Geschehen der Hausgast dran. Denn neben den beiden Mietern im 1. und 2. Stock – beide, das Ehepaar Bienfait und Frau Hensel, besonders skurril und eigen geschildert, sozusagen die Würze im Haus – gibt es oben eine Mansardenwohnung, in die das Botanische Institut für einige Wochen Dr. Simon Jankowski einquartiert hat. Dieser ist ein angesehener Wissenschaftler, Dendrologe am Arboretum im polnischen Kórnik, mit einem Forschungsauftrag zu seinem Spezialgebiet: Magnoliaceae nach Frankfurt gekommen. Mit einem einzigen Blick durchschauen sich die beiden Exemplare: ältliche Dame und älterer Herr. Aber das sollten Sie selber auf Seite 22 ff nachlesen. Köstlich, wie aus gedachter Überlegenheit, Blasiertheit, latenter Abneigung dann doch Zuneigung und mehr wird.

Ein bißchen viel dea ex machina, als der forschende Mieter in den vom verstorbenen Hausbesitzer in der Mansarde abgelegten Büchern einen Bildband vom obersten Bord nimmt: „‘Sehen Sie mal, was ich gefunden habe. Das Arboretum von Kórnik. Ist von mir; ich hatte keine Ahnung, daß es auch auf Deutsch erschienen ist.‘“(S.45) Da wissen wir schon längst, daß der undurchsichtige Simon sich seine Forschungsaufträge heimlich finanziell versüßt und seltene und streng geschützte Pflanzen außer Landes schmuggelt. Nein, nicht die Magnolien. Darum werden diese auch gar nicht mehr weiter verfolgt. Aber die Autorin hat uns in die Spur gebracht und so forschen wir selber weiter, was es mit diesem echten Arboretum von Kórnik auf sich hat. „Die Magnolien sind eine Pflanzengattung in der Familie der Magnoliengewächse. Sie enthält über 200 Arten, die alle aus Ostasien oder Amerika stammen. Die Gattung wurde nach dem französischen Botaniker Pierre Magnol benannt. Einige Magnolien-Arten und ihre Sorten sind beliebte Ziergehölze.“

Naja. Aber dann lesen wir in privater Recherche – durch die Magnoliaceae im Buch sozusagen heiß gemacht - eine Menge über Antoni Wróblewski, der im Rahmen der Stiftung Zakłady Kórnickie 1927 die Leitung der völlig verwüsteten Gärten von Kórnik übernahm und es schaffte, die Anlage der früheren Herrlichkeit anzunähern. Tatsächlich konnte er den Pflanzenbestand, besser: den Baum- und Strauchbestand von 216 auf rund 3000 aufstocken, wozu eben auch die Magnolien gehören, die dann doch zu ihrem Recht kommen, als die Hausherrin Elinor auf der Suche nach der Wahrheit flott nach Poznan fliegt und mit der Direktorin von Kórnik auch die berühmten Magnolien besichtigt.

Aha und da lesen wir, daß eine Besonderheit des Aboretums die Pneumatophoren sind, die Atemwurzeln. Natürlich denkt man dabei im März 2020 erstmal an Corona! Aber es handelt sich um ein Naturphänomen, um Luftwurzeln, höchst eindrucksvoll und ein Kennzeichen von Kórnik, aber keins von Simon oder der Geschichte Und so kümmern wir uns auch nicht weiter darum, warum dort die Magnolien erst im Mai blühen, auch wenn uns dies unerfindlich ist, denn sie gelten ja auch deshalb als etwas Besonderes, weil sie als Frühblüher wie aus dem Nichts diese traumhaften exotischen weiß-rosa Blüten produzieren. Das Grün kommt ja erst danach, wenn die Blüten fallen, wie bei den gelben Forsythien!

FORTSETZUNG FOLGT

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© Schöffling &Co

Info:
Elsemarie Maletzke, Magnolienmord, Kriminalroman, Schöffling & Co., 2020