Zur Verleihung des Grimmelshausenpreises 2013 sowie des Grimmelshausen-Förderpreises durch die Stadt Renchen

 

Manfred Schröder

 

Kaiserstuhl (Weltexpresso) - Den Johann-Jacob-Christoph-von-Grimmelshausen-Preis des Jahres 2013 erhält Ulrike Edschmid. In ihrem Roman „Das Verschwinden des Philip S.“ aus dem Suhrkamp Verlag schildert die 1940 geborene Autorin das Leben ihres Freundes Werner Sauber, den sie 1967 in West-Berlin kennenlernt.

 

Der Filmstudent entstammt einer Schweizer Unternehmerfamilie, schließt sich einer terroristischen Vereinigung an und kommt 1975 in Köln bei einem Schußwechsel mit der Polizei ums Leben, in dessen Verlauf er den Polizisten Walter Pauli tötet.

 

Mit souveränem narrativen Zugriff erzählt Edschmid von einer Liebe, deren Ende unausweichlich wird, als der Freund in den bewaffneten Untergrund geht. Auf knappem Raum erzeugt sie ein dichtes Gewebe von Erinnerungen, Empfindungen, Beobachtungen und Bewertungen. Die Wortkunst dieses Berichts aus den dramatischsten Jahren der Bundesrepublik ist sorgfältig durchdacht, aber von großer emotionaler Eindringlichkeit.

 

Edschmids Buch bringt etwas Seltenes fertig: Voller Zuneigung erinnert es an den Toten, der für sich selbst nicht mehr eintreten kann, zugleich distanziert es sich von ihm mit größter Deutlichkeit. Es deutet an, in welchem Maß der begabte experimentelle Filmkünstler auch das Zusammenleben mit der Autorin und ihrem kleinen Sohn nur als Experiment betrachtet und entdeckt in seiner politischen Haltung die ästhetische Pose.

 

Dabei stellt die Form des Buches die klarste denkbare Gegenposition zu Saubers Weg dar: Es vertraut auf die Kunst, von der der Mann, dessen Leben es schildert, sich wissentlich abgewandt hat. So paradox, so skeptisch und loyal, so zart und diskret, aber gleichzeitig so klarsichtig und ungerührt, so durch und durch künstlerisch, aber gerade darum von hohem zeitgeschichtlichen Erkenntniswert ist kaum ein anderes Buch über die politischen Wirren des 20. Jahrhunderts.

 

Grimmelshausen-Förderpreis 2013

 

Den mit 2.500 Euro dotierten Grimmelshausen-Förderpreis 2013 erhält Marie T. Martin. Die 1982 in Freiburg geborene und in Köln und im Markgräfler Land lebende Autorin gehört mit ihrem phantasievollen literarischen Stil zu den vielversprechenden Stimmen Ihrer Generation. „Literatur“, so konstatiert die Autorin, „ist immer auch das Erschaffen einer neuen Welt, einer eigenen Wirklichkeit.“ In dem 2011 erschienenen Erzählband „Luftpost“ schreibt sie kunstvoll von den Hoffnungen und Sehnsüchten nach einem geglückten Leben. Der Band „Wisperzimmer“, ihr Lyrikdebüt, erschienen 2012, enthält formvollendete, fragile Gedichte. Diese handeln von Vergänglichkeit und dem Bewahren des Schönen.

 

 

INFO:

 

Der Grimmelshausen-Preis wird seit 1993 von den Ländern Baden-Württemberg und Hessen und den Städten Gelnhausen und Renchen vergeben. Mit ihm werden Schriftsteller ausgezeichnet, die in den sechs Jahren vor der Zuerkennung des Preises einen bemerkenswerten Beitrag zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte geleistet haben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Ihre bisherigen Träger sind Ruth Klüger, Alban Nikolai Herbst, Michael Köhlmeier, Robert Menasse, Adolf Muschg, Brigitte Kronauer, Dieter Forte, Feridun Zaimoglu, Reinhard Jirgl und Peter Kurzeck.

 

Der Grimmelshausen-Förderpreis wird seit zehn Jahren von den Kommunen Renchen und Gelnhausen vergeben in Zusammenarbeit mit den Sparkassen und dem Museum für Literatur am Oberrhein Karlsruhe. Förderpreisträger waren bisher Ricarda Junge, Jagoda Marini?, Silke Scheuermann, Claudia Gabler und Anika Scheffel. Während der Grimmelshausen-Preis überwiegend an männliche Schriftsteller ging, sind beim Grimmelshausen-Förderpreis bisher nur Frauen siegreich.

 

Die Preisverleihung wird im Herbst dieses Jahres in der Grimmelshausen-Stadt Renchen stattfinden.

 

Foto: Sebastian Edschmid