Schriftstellerin findet Exil in rechtem Sumpf
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nur wenige Gehminuten von Dresdens berühmtester Elbbrücke entfernt, dem „Blauen Wunder“, befindet sich eine Bastion neurechter Demokratiefeinde.
Es ist das „BuchHaus Loschwitz“ der nach rechts abgedrifteten Buchhändlerin Susanne Dagen, wo sich Vertreter verfassungsfeindlicher Gruppen wie „Pegida“, „Identitäre“ oder der „Ein-Prozent-Bewegung“ die Klinke in die Hand geben. In dieser Kaderschmiede der neu ausgerufenen „konservativen Revolution“ darf die völkische Gesinnungs-Publizistik nicht fehlen. Nicht das Magazin „Compact“ des Querfront-Ideologen Jürgen Elsässer, nicht der Antaios Verlag des AfD-nahen Verlegers Götz Kubitschek.
Seit 1995 betreibt Susanne Dagen mit ihrem Lebenspartner diese Buchhandlung, die einmal eine bildungsbürgerliche Institution in Dresden war. Nachdem die Sympathien der Inhaberin für Pegida im Jahr 2016 immer offensichtlicher wurden und daraufhin zahlreiche Kunden ausblieben, geriet das kleine Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise. Frau Dagen machte jedoch andere dafür verantwortlich. Nämlich Flüchtlinge, Zuwanderer und Muslime (in Dresden eine kaum wahrzunehmende Minderheit) sowie eine Bundeskanzlerin, die - für manche Konservative unerwartet - zur Humanität gegenüber Fremden aufgerufen hatte. Da kamen Susanne Dagen die Proteste gegen den Antaios-Verlag auf der Frankfurter Buchmesse 2017 gelegen. Sie initiierte eine Aktion, die sich „Charta 2017“ nannte. In dem Aufruf beklagte sie, dass „unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“ sei. Auch der Schriftsteller Uwe Tellkamp, dem Literaturkenner längst Sympathien für neu-völkische und demokratiefeindliche Bewegungen nachsagten, unterschrieb das Manifest.
Da man im „BuchHaus Loschwitz“ nunmehr unter sich war, ging man einen weiteren Schritt auf das braun-blaue Milieu zu und rief eine literarische Runde der besonderen Art ins Leben: Die Talk-Runde „Mit Rechten lesen“. Susanne Dagens Co-Moderatorin ist seit Beginn Ellen Kositza, Ehefrau von Götz Kubitschek. Sie machte sich bereits als Autorin der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ einen Namen in der Szene und sie ist Redakteurin der bei Antaios erscheinenden Zeitschrift „Sezession“.
Kubitschek hatte bereits im Jahr 2000 zusammen mit dem Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, Dieter Stein, in Bad Vilbel das „Institut für Staatspolitik“ gegründet. Es gilt mittlerweile als der wichtigste „Think Tank“ der Neuen Rechten. Sein Ziel ist die Bildung „geistiger Eliten“. Dafür setzt das IfS gezielt auf „konservative Bildungsarbeit“ und knüpft Verbindungen zwischen verschiedenen rechten Strömungen. Das Institut ist Herausgeberin der seit 2003 erscheinenden Zeitschrift „Sezession. 2002 zog das IfS in das Rittergut Schnellroda bei Hohenroda (Sachsen-Anhalt) um, auf dem auch Götz Kubitschek mit seiner Familie lebt. Das Anwesen avancierte längst zur Wallfahrtsstätte von AfD (u.a. Björn Höcke), Identitären (Martin Sellner, Chef des österreichischen Ablegers und dort auch den Strafgerichten bestens bekannt) und anderer Demokratiegegner aus dem rechten Spektrum.
Susanne Dagen rechtfertigte ihren rechten Gesprächskreis gegenüber dem „SPIEGEL“ so: „Ich möchte eine Normalisierung im Umgang, auch in Bezug auf Leute wie Sellner.“ Und die „Zeit“ zitiert sie mit den Worten: „Dass ich eine Freundin von Ellen Kositza bin und Ellen Kositza die Frau von Götz Kubitschek ist und der den Antaios-Verlag und das Institut für Staatspolitik führt. Das sei ja alles so wahnsinnig rechts. Es ist vielleicht rechts. Aber nicht so, dass es eine Grenze überschreitet“.
Bereits seit zwanzig Jahren, also schon vor der Wende nach rechtsaußen, stellte die Schriftstellerin Monika Maron ihre Bücher in Susanne Dagens „BuchHaus“ vor. Sie sind miteinander befreundet und Frau Maron hält ihre Freundin keineswegs für rechts; sie sei lediglich eine „Oppositionelle“. Marons Debütroman „Flugasche“, der sich in literarischer Form mit der Umweltverschmutzung in der DDR beschäftigt, konnte dort nicht erscheinen. 1981 gelang dem S. Fischer Verlag in Frankfurt die Veröffentlichung. Sieben Jahre danach konnte Monika Maron aus der DDR ausreisen. Sie galt dort einerseits als vehemente Kritikerin der Verhältnisse, andererseits hatte sie drei Jahre für die Stasi als „informelle Mitarbeiterin“ gearbeitet. Als sie sich von der Staatssicherheit abwandte, bekam sie selbst die Macht des autoritären Staats zu spüren. Doch seit mindestens einem Jahrzehnt stellt sich die Literaturszene die Frage, ob Monika Maron ihr Leben in der DDR tatsächlich reflektiert hat. Denn seit der so genannten Flüchtlingskrise im Herbst 2015 kritisiert sie die Muslime, warnt vor dem politischen Islamismus, hält Zuwanderung für gefährlich, zeigt sich aber nicht dazu in der Lage, ihre Einschätzungen zu begründen.
Im Jahr 2018 veröffentlichte sie den Roman „Munin oder Chaos im Kopf“, in dem Parallelen zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Deutschland der Gegenwart gezogen werden; vor allem die Zuwanderung wird darin auf eher schlichte Weise thematisiert. Es war das erste Buch, das in „Mit Rechten lesen“ besprochen wurde. Vorgestellt hat es Caroline Sommerfeld, die im Antaios-Verlag das Pamphlet „Mit Linken leben“ veröffentlichte. Sie zeigte sich von Marons Buch begeistert, besonders von der Aussage, dass der Mensch „nicht zum Frieden geschaffen“ sei. Und Ellen Kositza lobt Maron als „Pegida-Versteherin“, die sich nicht scheue, „die Dinge beim Namen zu nennen“. Zum Beispiel bei Themen wie „Flüchtlingsströmen“, „Genderscheiße“ oder „Sprachverhunzung“. Das zeigte Wirkung auch in anderer Hinsicht. Marons Essayband „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ kam im Frühjahr 2020 in der „Edition BuchHaus Loschwitz“ heraus, pikanterweise in einer Reihe, die den Titel „Exil“ trägt. Deshalb kündigte der S. Fischer Verlag nunmehr die Zusammenarbeit mit seiner langjährigen Autorin.
Diese Entscheidung traf nicht auf ungeteilten Beifall. Die Schriftstellerin und Moderatorin der ZDF-Sendung „Das literarische Quartett“, Thea Dorn, bezeichnete den Beschluss des Verlags als „fatales Einschüchterungssignal“ an alle Autoren: „Wehe, ihr wandelt auf Abwegen! Wehe, ihr verstoßt gegen das moralische Reinheitsgebot!“ Sie frage sich, „wie in einem solchen Klima Literatur und Kunst noch gedeihen sollen, wie die immer krassere Polarisierung der Gesellschaft aufgehalten werden soll“. Es hat den Anschein, dass Thea Dorn die Ursache für den mäßigen Erfolg ihres „Quartetts“ in einer missgünstigen Gesellschaft sucht, die Literatur und Kunst angeblich verhindern will. Eine solche Meinung passt hervorragend zu „Mit Rechten lesen“. Vielleicht kann man ihr dort bald zuhören.
Doch auch andere Intellektuelle ohne Marktwert wie Jan Fleischauer (Journalist beim „Focus“) oder Harald Martenstein (Redakteur verschiedener Medien) solidarisierten sich mit Monika Maron. Und irgendjemand, den man nicht kennen muss, warf dem S. Fischer Verlag vor, er veräußere an den Antaios Verlag trotzdem Bücher, nicht nur solche von Monika Maron. Nein, das tut der Verlag nicht. Aber er kann aufgrund des Kartellrechts nicht verhindern, dass Buchgrossisten, die so genannten Barsortimente, die Versandbuchhandlung des Antaios Verlags beliefern. Ein anderer Schreiberling will entdeckt haben, was seit mindestens 75 Jahren bekannt ist. Nämlich die Mitgliedschaft Georg von Holtzbrincks in der NSDAP, des Gründers der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, zu der auch der S. Fischer Verlag gehört. Ja, das ist nicht entschuldbar. Aber zur Vervollständigung hätte es sich gehört, das Schicksal der jüdischen Verlegerfamilie Samuel Fischer und Gottfried Bermann Fischer zu erwähnen.
Foto:
Cover des Romans „Munin oder Chaos im Kopf“
© S. Fischer Verlag