Ein internationaler Hochkaräter: Kanae Minato

Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 13

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ursprünglich war geplant, in einem Artikel die drei Bücher vorzustellen, aber es geht einem beim Rezensieren wie beim Lesen. Man bleibt hängen.So also einzeln, aber immerhin.

SCHULDIG von Kanae Minato

In der letzten Zeit kommen eine Menge asiatischer Autorinnen und Autoren auf unseren Buchmarkt, die in der Regel Kriminalromane schreiben, aber auch in ihren Ländern, insbesondere Korea nicht als Genreautoren wahrgenommen werden, sondern im Bereich der Belletristik angesiedelt werden, von der wir ,mindestens Haruki Murakami kennen. Nun sind auch dort Kriminalromane nicht so sehr Verbrechens- oder eben Detektivgeschichten, sondern das Grauen ist unterschwellig, läuft nebenbei mit, erfaßt das normale Leben, wie es die Leute empfinden.

Nun ist ja der Titel deutschen Ausgabe (aufEnglisch lautet er Umkehr) mit SCHULDIG sehr geläufig, will sagen, oft verwendet, ob SCHULD oder OHNE SCHULD, findet sich Schuld oft in der Buchproduktion, psychologisch und unter Marketinggesichtspunkten verständlich, weil sie jeden von uns interessiert, denn wir sind ja selbst dauernd damit beschäftigt, mit dem Schuldigsein, erst mal bei anderen und beim Nachdenken doch immer immer mehr bei uns selbst. Und in Zeiten von Corona ist sowieso dauernd jemand schuldig - „in echt“ oder vorgeschoben.

Hier wird gar nichts vorgeschoben, sondern die Schuld hin und hergeschoben, wie überhaupt einiges geschoben wird, vor allem weggeschoben. Was für manchen auch nötig ist, wenn der erste Satz des Romans lautet: „KAZUHISA FUKASE IST EIN MÖRDER“. Und wie schlimm, wenn man es selber ist. Aber er bleibt nicht der einzige. Der Hintergrund ist eine Fahrt von fünf Studenten aus Tokio in die Berge, in ein kleines Dorf, wo sie gemeinsame Ferien verbringen wollen. Aber es fahren nur vier, Kazuhisa ,Hirosawa, Tanihara und, Asami   der fünfte, Murai, wird mit der Bahn erwartet und obwohl ein Taifun aufzieht, er sonst kein Auto fährt, zudem alkoholisiert ist, holt ihn Hirosawa von der Bahn ab, er will ihn abholen, aber verunglückt unterwegs tödlich. Natürlich machen sich alle Überlebenden Gedanken und haben Schuldgefühle. Wäre ein anderer gefahren, hätte alle weniger getrunken...

So eigentlich ein eher gewöhnlicher Plot, der aber Fahrt aufnimmt und zu einem Krimi wird, wenn nach drei Jahren erst anonyme Briefe auftauchen. Woher weiß er was, der Schreiber? Und gibt es da etwas zu wissen? Ist es einer der ihren? Insbesondere der oben erwähnt Kazuhisa Fukase will wissen, was los ist, will aufklären. Daß er dabei dauernd Kaffee trinkt, nein noch öfter zubereitet, daraus eine Zeremonie macht, die in Japan nur dem Tee oder dem Reiskochen zukommt, das hat manche Leser geärgert, ermüdet, gelangweilt. Den Fukase aber ärgert auch etwas, daß die Anschuldigung, er sei ein Mörder, im Briefkasten seiner Freundin auftauchte. Da hat doch jemand noch besondere Interessen. Dabei bekommen nach und nach alle die Beschuldigung, Mörder zu sein.

WAs anstrengend zu lesen ist, aber eben auch den spezifischen Reiz ausmacht, das ist, daß Minato den Leser zwingt, sich ständig zu vergewissern, wo er ist, wer mit wem redet, denn der Text geht einfach weiter und man muß sich seinen Erzähler selber suchen. Nicht nur das. Man muß auch die Reflexionen über Schuld, wo sie anfängt und hört sie je auf? Und wo beginnt Schuld, wo endet Zufall. Es sind einfach viele Überlegungen, die sich den Protagonisten aufzwingen und uns auch, man ist ständig verstrickt und macht sich Gedanken, aber genau das ist ja Absicht, die aufgeht.

P.S. Raffiniert ist auch das Titelbild. Da kann man sich viele Gedanken machen. Denn, daß aus dem U unten ein Honigtropfen tropft, das ist eindeutig.Nicht aber, ob auch die anderen Buchstaben honiggefüllt sind.Und die Biene? Alles undurchsichtig, aber ästhetisch schön.