Serie: Deutscher Buchpreis 2013, Teil 18

 

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bevor Gottfried Honnefelder, noch Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in dessen Auftrag seit 2005 die jährlich wechselnde Jury des Deutschen Buchpreises unter diesmal 254 Büchern den besten Roman erwählte, bevor also Honnefelder den Namen MORA nannte, war es wirklich mucksmäuschenstill still im vollgerammelten Kaisersaal des Frankfurter Römer.

 

 

Nun schon traditionell zum neunten Mal am Vorabend der Eröffnung der Buchmesse waren Autoren, Verleger, Literaturagenten, Buchhändler, Leser zusammengekommen, um den Gewinner unter den letzten Sechs mitzuerleben. Ab der Namensnennung: Therézia Mora ging es nur noch um diese und ihren Roman DAS UNGEHEUER, denn tatsächlich ist eigentlich der Roman der Gewinner, aber natürlich wird die Autorin dann mit der Urkunde ausgezeichnet und zum Star des Abends. Es wäre aber schade, alles andere unter den Tisch fallen zu lassen. Denn diese Spannung, die mit der Namensnennung endet, wird in einer Stunde sekündlich aufgebaut.

 

Felix Semmelroth, Frankfurter Kulturdezernent, begrüßte für die Stadt Frankfurt und lobte die Auswirkungen des Buchpreises generell: „Der Buchpreis leistet wirklich etwas Außerordentliches zur Verführung zum Lesen und der Auseinandersetzung mit Literatur.“ Dem scheidenden Gottfried Honnefelder bescheinigte Semmelroth: „Sie haben sich um das Buch, den Buchhandel, um Frankfurt als Stadt des Börsenvereins verdient gemacht.“ Honnefelder führte die gewaltige Anzahl der Buchpreise in Deutschland auf, sprach von Buchkultur hierzulande und dem Wirkungsraum, der durch Preise, Lesungen und Buchkritiken den Raum und die Aufmerksamkeit auf das Buch lenke. Im übrigens sei tatsächlich aus einer Mediendebatte über den besten Roman längst eine Debatte von Lesern geworden, die die Auswahl bis zum besten Roman miterlesen.

 

Moderator Gert Scobel unterhielt sich mit dem Sprecher der Jury, dem freien Kritiker Helmut Böttiger, der nun erstaunlich selbstbewußt auf die provokante Frage, ob etwa Kriterien der Auswahl seien, nicht bekannt zu sein und keine Bestseller geschrieben zu haben, seinerseits die ästhetischen Maßstäbe bei der Auswahl in den Vordergrund stellte, es gehe um das Kunstwerk aus Sprache und darum, daß die Schreibweisen auf der Höhe der Zeit stünden. Nicht weniger provokant war die Frage nach Böttigers Selbsterfahrung, er, der sich am Anfang gegen den Preis gestellt hatte, wurde nun Juror, der darauf erwiderte, ihn habe dabei interessiert, wie weit man mit den eigenen Kriterien gehen könne, die sich allerdings erst beim Lesen der Bücher wie von alleine herausstellen.

 

Gert Scobel stellte die letzten Sechs der Liste – Mirko Bonnè NIE MEHR NACHT, Reinhard Jirgl NICHTS VON EUCH AUF ERDEN, Clemens Meyer IM STEIN, Therézia Mora DAS UNGEHEUER, Marion Poschmann DIE SONNENPOSITION und Monika Zeiner DIE ORDNUNG DER STERNE ÜBER COMO – und deren Buchanfängen und Filme vor, in denen je ein Jurymitglied ein Buch und einen Schriftsteller vorstellte. Das ist vorwiegend für die, die nicht alle sechs letzten Romane gelesen haben – also die allermeisten – immer sehr interessant. Schon den Filmen war zu entnehmen, wie dicht diese drei Schriftsteller und drei Schriftstellerinnen beieinander lagen, denn tatsächlich war dies das erste Jahr, in dem nicht ein Favorit besonders zog.

 

Unterm Strich waren es drei Favoriten, mit denen gerechnet wurde. Neben Mora vor allem Clemens Meyer, dessen Reise in die Nacht die Vielstimmigkeit einer fiktiven ostdeutschen Stadt einfängt, aber auch Marion Poschmann, die gerade für ihren Roman den mit 30 000 Euro noch höher dotierten Wilhelm-Raabe-Preis erhalten hatte. Aber auch die weiteren drei waren aussichtsreich. Mirko Bonné hatte gerade der anwesende Buchmessenchef Juergen Boos als seinen Favoriten für den Preis bezeichnet und die Leser und Leserinnen setzten sehr auf Monika Zeiner, deren Buch, das schon im Frühjahr herauskam nun auf 16 000 in der Auflage hochschnellte. Diejenigen, die den mutigsten Schreiber, der in seinem Roman die Menschheit sich selber vernichten läßt, ausgezeichnet sehen wollten, hatten in Reinhard Jirgl ihren Außenseiterfavoriten.

 

In der Begründung der Jury, die ausnehmend lang war, ging es vorallem um den Formwillen und die Zeitdiagnostik, die den Roman auszeichneten. Darauf ging die sichtlich überraschte Autorin sogleich ein. Sie hätte nicht mit ihrer Wahl gerechnet und sei lieber immer die, die kleingläubig auf Nichts setze, weshalb sie auch keine Rede vorbereitet hatte, aber sofort der Jury nun ihrerseits wiederum für deren Mut danken wolle, ein so anspruchsvolles Buch auszuwählen. Allein der Begriff FORMWILLE sei ja einer, der einem genauso gut um die Ohren geschlagen werden könne, wie hier, wo er positiv benutzt sei. Und: „Einen Gegenwartsroman auszuzeichnen und nicht einen, der auch im 19. Jahrhundert schon hätte geschrieben werden, das ist mir runtergegangen wie Öl.“

 

Wobei dem Zuhörer letztlich unverständlich blieb, worin sich der Gegenwartsroman auszeichne und was gegen einen Roman sprechen kann, der auch im 19. Jahrhundert hätte geschrieben werden können. Fortsetzung folgt.

 

 

 
INFO:

 

Terézia Mora hat sich durchgesetzt gegen: Mirko Bonné (Nie mehr Nacht, Schöffling & Co.), Reinhard Jirgl (Nichts von euch auf Erden, Hanser), Clemens Meyer (Im Stein, S. Fischer), Marion Poschmann (Die Sonnenposition, Suhrkamp) und Monika Zeiner (Die Ordnung der Sterne über Como, Blumenbar).
 
Sie erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Preisträger wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben 201 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2012 und dem 11. September 2013 erschienen sind. Aus diesen Romanen wurde eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt. Daraus haben die Juroren sechs Titel für die Shortlist gewählt.
 
Mit dem Deutschen Buchpreis 2013 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Partner des Deutschen Buchpreises sind Paschen & Companie, die Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertrugen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, per Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+. Interessierte konnten die Preisverleihung per Video-Livestream unter www.deutscher-buchpreis.de mitverfolgen.
 
Die kostenlose App des Deutschen Buchpreises bietet Lese- und Hörproben aller nominierten Titel der Longlist. Sie ist unter bit.ly/dbp-ios über den iTunes App Store bzw. unter bit.ly/dbp-android über Google Play verfügbar. Exklusive englische Übersetzungen von Leseproben der sechs Shortlist-Titel sowie zu jedem Shortlist-Buch und -Autor ein englischsprachiges Dossier stehen unter www.new-books-in-german.com bereit.
 
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