Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 25
Klaus Hagert
Berlin (Weltexpresso) – Wir halten durch, wir führen unsere Buchbesprechungen weiter, die meist, aber nicht immer, kurz gefaßt sind und das vorstellen, was bisher zu kurz kam oder noch gar nicht besprochen wurde. Ja, wir sind angesprochen worden, was das 'gebraucht' im Titel bedeuten soll. Ganz einfach. Fast immer sind es Bücher, die zwar neu sind, aber in den Jahren zuvor herausgekommen waren. Wir finden es falsch, daß Buchbesprechungen immer nur das Neueste bringen sollen. Dazu ein andermal mehr.
DER TAG DER ENTSCHEIDUNG von Rolf Westermann
Das ist nun wirklich ein Buch, das in den Zeiten von Corona auch die lesen können, die dazu in ‚normalen‘ Zeiten keine Zeit haben, die Manager, die hier bezogen sind auf die Spitzenhotels in der Bundesrepublik. „Es heißt ja, Bundestrainer oder Bundeskanzler sei der härteste Job der Republik. Falsch. Hotelier ist härter. Denn er oder sie muß die beiden anderen beherbergen, bei Laune halten oder womöglich in einem nächtlichen Therapiegespräch wieder aufbauen.“
Wir haben die ganzen 231 Seiten durchgelesen, aber dazu lange gebraucht. Das ist kein Roman, den man durchlesen kann, sondern ein Nachdenkbuch, das gespickt ist mit 14 Porträts genannten Artikeln, die von denen handelt, die entweder einzelne Hotels, Hotelanlagen verantworten oder ganze Hotelgruppen gegründet haben. Beispiele: Schloß Elmau Motel One, Bayerischer Hof, Interconti 25hours, Brenners Park-Hotel & Spa, Traube Tonbach.
Und was ist hier mit Albert Darboven? Richtig. Das ist der Kaffeekönig, da ist wohl das Managersein das Ausschlaggebende für die Aufnahme in diesen exklusiven Club.
Wir fanden das wirklich interessant, was die einzelnen über ihren Werdegang oder den ihres Hotels/ihrer Institution erzählen, aber es ist unmöglich, das in wenigen Worten wiederzugeben. Was auffällt ist, wie stolz einige auf ihr Werk, oft ihr Lebenswerk sind. Aber, das ist nicht verboten. Es fällt auch auf, daß der Autor Rolf Westermann wohl lobenswerter Weise versucht hat, auch Frauen zu beteiligen. Denn bei den Spitzenmanagern sind diese weniger vertreten. So sind von den 14 Verfassern immerhin vier weiblich. Das dachten wir uns, daß Frauen vor allem dann an der Spitze stehen, wenn es sich um Familienbetriebe handelt. Nur einmal ist es ein Ehepaar, das sich und ihr Unternehmen, das führende Unternehmen für Hotel-Innenarchitektur in Europa, vorstellt.
Der Verfasser ist Chefredakteur der Allgemeinen Hotel – und Gastronomie-Zeitung, was kein Fehler ist, so ist er doch vom Fach und hat einen direkten Zugang zu den Porträtierten. Anbiedernd ist er nicht, auch wenn natürlich manches doch sehr idealtypisch scheint.
GEHEN, OHNE JE DEN GIPFEL ZU BESTEIGEN von Paolo Cognetti
Das ist ein Buch in der Tradition von DER WEG IST DAS ZIEL. Hier heißt es „Der Weg ist kostbarer als das Erreichen des Gipfels. Finde einen Sinn in jedem Schritt, in der Konzentration darauf.“, heißt es auf dem Klappentext. Denn der italienische Autor ist ein bekannter Bergsteiger oder sollte man besser: Bergebewohner sagen?
Bergsteiger ist für dieses Buch schon richtig, denn er schenkt sich zu seinem vierzigsten Geburtstag mit zwei Freunden den Aufstieg, „Ziel ist das Dolpo, die entlegenste Region Nepals“, wo ein Fünftausender nach dem anderen kommt und das Ziel der Kristallberg ist.
Aber Sinn dieser Wegbeschreibung ist eben nicht das angegebene Ziel, sondern dem Autor wird auf seinem Weg klar, daß sein Ziel gar nicht der leuchtende Gipfel des Kristallbergs ist, sondern die Schritte auf dem Weg dahin. Er schärft seine Wahrnehmung und das, was mit Achtsamkeit beschrieben wird, ein Wort, das durch den Buddhismus eine neue Aufmerksamkeit erhalten hat.
Wenn man sich die Zeichnungen anschaut, die im Buch verstreut sind, was immer angenehm ist, dann sind sie hier deshalb hilfreich, weil nicht dazu auszugehen ist, daß jedermann ‚Dolpo‘ kennt. Wir sehen zwei Zeichnungen. Einmal in Groß das Gebiet vom Dolpo und die umliegenden Länder: Nepal, Tibet und das Königreich Mustang – und einmal in Klein das Großgebiet mit dem kleinen Dolpo und dem Himalaya in Nepal und den umliegenden Ländern, China und Indien.
Das ist ein Buch, das man gut bei einer eigenen Wanderung – es müssen ja nicht die hohen Berge sein – dabei haben kann und bei seiner jeweiligen Rast lesen kann, in der Ruhe und Abgeschiedenheit von der sein Inhalt handelt. Und der Inhalt handelt nicht nur vom Gehen, sondern eben auch von dem, was der Wanderer, hier der Bergsteiger unterwegs sieht. Am Schluß sieht man die Zeichnung vom Baum am Ende des Dolpo, hört sein Lachen vor Glück unter der Dusche und liest seine Gedanken: „Noch am selben Abend würde ich meine vegetarische Ernährung mit einem zwei Finger hohen Yak-Steak, mit Bergkartoffeln aus dem Ofen und einer Flasche australischem Rotwein unterbrechen und endlich viele Stunden am Stück tief schlafen.“
Fotos:
Cover
Info:
Rolf Westermann, Der Tag der Entscheidung, Matthaes Verlag
ISBN 978 3 87515 314 9
Paolo Cognetti, Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen, Penguin Verlag
ISBN 978 3 328 60108 1