Bildschirmfoto 2021 01 03 um 22.08.47Serie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 24

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schade, eigentlich hätten wir diesen prächtigen Kunstband noch vor Weihnachten zum Verschenken anpreisen sollen. Denn er ist wirklich eine Augenweide und warum er nicht in der Serie GÄRTEN als vierter Teil folgt, sondern alleine steht, hat damit zu tun, daß dies ein Kunstkatalog ist, der einer Ausstellung an zwei Orten folgt, der aber – das haben wir ausprobiert – auch ohne die Ausstellungen ein Gewinn ist!

NEUE GÄRTEN! Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne

Seit ich in den 90er Jahren zweimal den Garten Sissinghurst besichtigen durfte, den die englische Schriftstellerin und Aristokratin Vita Sackville-West, beste Freundin von Virginia Woolf, Anfang der Dreißiger Jahre des vorherigen Jahrhunderts im Süden Londons angelegt hat, wirklich mit eigenen Händen, einen wunderschönen Landschaftsgarten, in dem vor allem die Stauden faszinieren, seitdem schaue ich bei jedem Buch über Gärten zuerst immer einmal nach, ob der Garten von Schloß Sissinghurst vorkommt.

JA! Zumindest heißt das vierte Kapitel von 15, die alle namentlich gekennzeichnet sind, was ich gerade einmal durchzählte und mir dabei die männlichen und weiblichen Verfasser notierte: fünf Männer, neun Frauen, einer gemeinsam geschrieben, die Herausgeber sind aber zwei Männer, das nur nebenbei, also der vierte Aufsatz von Laura C. Mayer lautet: Die Reform der Gartenkunst in Großbritannien um 1900. Damit weiß ich zwar noch nicht, ob Sissinghurst vorkommt, aber daß auch England ein wesentlicher Teil der Gartenrevolution war, ist schon einmal bestätigt. Nach dem Durchlesen von DIE REFORM DER GARTENKUNST IN GROßBRITANNIEN UM 1900 weiß ich nun zwar, daß – NEIN - Sissinghurst nicht vorkommt, dafür ist aber der Kontext beschrieben, ohne den Sackville-West nicht tätig gewesen wäre. Denn hier wird dargestellt, wie ausgehend von der Kritik am viktorianischen englischen Gartenwesen durch John Ruskin und William Morris der Garten der Zukunft mit dem Haus eine Einheit darstellen sollte, wie es beispielhaft dann der Hidcote Manor Garden in Gloucestershire seit 1907 zeigte.

Aber fangen wir noch einmal von vorne an. Da werden im Vorwort neben Joseph Maria Olbrich auch Hermann Muthesius und Peter Behrens mit ihren ästhetischen Vorgaben als die Paten der neuen Gartenbewegung genannt, die also dem Jugendstil verpflichtet sind und als Personen bestimmte Gegenden Deutschlands: neben Darmstadt und Düsseldorf sowie Berlin als Zentren der „Gartenreform zwischen 1900 und 1914“ repräsentieren. Woran liegt es, daß sich in England Hunderte von diesen Gärten erhalten haben, während in Deutschland nur wenige als öffentliche Gartenanlagen überlebten, private Gärten schon ganz selten noch vorhanden und dann zumeist Rekonstruktionen sind. Der Krieg, würde ich spontan als Erklärung sagen, besser: die Kriege.

Die bekannteste Gartenrekonstruktion ist der Garten des Malers Max Liebermann am Berliner Wannsee, dem der Beitrag von Martin Faass gilt. Alfred Lichtwark ist als Direktor der Hamburger Kunsthalle bekannt geworden, der aus guten Grund sehr viele Liebermanngemälde gehören, kam aber im Gegensatz zur bourgeoisen Familie der Liebermanns in Berlin aus einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen. Beide befreundeten sich, ergänzten sich und nach langer theoretischer Vorbereitung gestalteten sie den Garten am Wannsee, der gartenarchitektonisch den Reformgedanken versinnbildlicht. Gemälde von Liebermann, aber auch Fotografien und die ursprünglichen Pläne vervollständigen das Bild, das sich der Leser machen kann.

Wenn man die bisherigen Unterschiede von öffentlichen Parkanlagen, aber auch Schloß- und anderen Gärten in Deutschland qualifizierte, ist dem Normalbürger nur der französische und der englische Stil geläufig. Im Buch, das wie gesagt der Ausstellung in Schloß und Park Benrath, Düsseldorf, und der in der Liebermann-Villa am Wannsee in Berlin folgt, setzt man bei der Entwicklung des Einbezugs von Planzen ins menschliche Leben folgerichtig mit der Lebensreform um 1900, eigentlich virulent seit 1880, an; der neue Garten ist schließlich nur ein Ausfluß dessen, daß das gesamte Leben des durch die Industrialisierung beschädigten Menschen wieder natürlich werden sollte, was auch die Natur miteinschloß.

Was Gärten also mit dem Leben zu tun haben, daß sie Konsequenz der gedanklichen und architektonischen Beschäftigungen damit, wie der Mensch leben sollte, sind, wird im Band an vielen Beispielen konkret. Denn Gärten ist ein weiter Begriff, den man einengen kann und muß, und gewissermaßen alles meint, was zwischen Parkanlagen, Schloßgärten und dem Rosenbeet angesiedelt ist. Das alles wird in entsprechenden Kapiteln mit Beispielen aus dem ganzen Land dokumentiert. Darüberhinaus sind dann – historisch spannend – in einem eigenen Kapitel von Stefan Schweizer und Eva-Maria Gruber die Gartenausstellungen Düsseldorf 1904, Darmstadt 1905, Köln 1906, Mannheim 1907 dokumentiert, bei deren Darstellung man einigermaßen kleinlaut wird, was aus den damaligen konzeptionellen Überlegungen heute in Bundesgartenschauen geworden ist. Bunte Beliebigkeit.

Es kommen wirklich viele Aspekte der Gartenkunst zum Tragen, die farbenfrohen gemalten Hausgärten von Emil Nolde und anderen, aber auch die Pflanzen selbst, nämlich die Verwendung von Blumenzwiebeln und Knollenpflanzen – und dann die Stauden, die die Freiheit und Schönheit von Natur besonders farbenfroh dem Betrachter mitteilen.

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Info:
Hg. von Stefan Schweizer und Martin Fass, Neue Gärten! Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne, Ausstellungskatalog, Wienand Verlag 2017
ISBN 978 3 86 832 4