Bildschirmfoto 2021 01 13 um 03.21.56Jürgen Neffe analysiert die USA und den Präsidenten im Roman: Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da muß ich mich aber beeilen, diesen Roman, der von Trump handelt, noch rasch vor dessen unrühmlichem Ende unters Volk zu bringen, was ich gerne tue. Denn es ist amüsant, was ich da lese. Wie so oft stellt sich ein intellektuelles Wohlbehagen ein, wenn man das, was man liest, schon kennt, also in seinem Wissensstand einerseits bestätigt wird, aber dennoch neue Informationen erhält, echtes Insiderwissen, das über Anekdoten hinausgeht.

Jürgen Neffe kennen Sie alle, auch wenn nicht alle den Namen kennen! Ganz einfach, er ist – was ich nicht wußte - promovierter Biochemiker, weshalb ihn Donald Trump in Privataudienz auch mit „Herr Doktor, ...“anspricht und hat drei bedeutende und immer gleich als Bestseller vermarktete, auf jeden Fall erfolgreiche Bücher über Einstein, Darwin und Marx geschrieben. Der 1965 geborene Schriftsteller ist aber in erster Linie Journalist gewesen, war bei GEO und zehn Jahre lang von 1993 – 2003 beim SPIEGEL, für den er zweieinhalb Jahre deren Büro in New York leitete, was der Hintergrund für diesen Roman bildet, der eine Satire, eine Humoreske auch, aber doch noch mehr eine Harlekinade, ja eine Hanswurstiade ist. Amüsant, wie gesagt und in der Substanz wahr. Und ein Abgesang auf diese vier Jahre einer unwürdigen Präsidentschaft.

Literarischer Trick des Autors ist das Buch, das er zum Lesen beim Flug und beim Warten auf allen Stellen, die ihn aufhalten wollen, immer bei sich hat und weiterliest. Und immer – so ist eben der literarische Zufall – paßt die Passage, die er liest, genau auf die Situation, in der er sich befindet. Welches Buch das ist? ‚Die Deutschstunde‘ von Siegfried Lenz. Für die interessierte Stewardess hatte er den Roman zusammengefaßt: „Das Malverbot gegen einen Künstler durch die Nazis, seine gnadenlose Durchsetzung seitens des pflichtvergessenen Dorfpolizisten, seines alten Freunds, aufgezeichnet von dessen Sohn Siggi als Strafarbeit im Schularrest.“

Beispiel: Der Icherzähler wird nach 24 Stunden Verhör und Verwahrung im Flughafen in ein benachbartes Airporthotel gebracht. Das ist Vorschrift. Beim Verhör spielt der Chef den Einpeitscher und verweist auf Regeln, an die sich alle zu halten hätten. „Ich erwidere: ‚Regeln sind dazu da, sie zu brechen.‘ Er protestierte und beschwor das drohende Chaos, wenn alle so dächten. Ich führte den Regelbruch als Motor des gesellschaftlichen Fortschritts ins Feld, für den es Einzelne brauche.

‚Pflicht‘, läßt Siegfried Lenz seinen Maler Nansen in der ‚Deutschstunde‘ sagen, ‚das ist für mich nur blinde Anmaßung. Es ist unvermeidlich, daß man etwas tut, was sie nicht verlangt.‘ Zu Delaney und Kollegin Lee sagte ich: ‚Wo stünden wir heute ohne Rosa Parks?‘“ Das war die schwarze Frau, die sich im Dezember 1955 in einem öffentlichen Bus geweigert hatte, für einen weißen Mann aufzustehen, was damals Vorschrift war, weshalb sie auch verhaftet wurde, und ins Gefängnis kam, was zum Fanal wurde. Gerade 65 Jahre her!

Ein weiterer literarischer Trick, oder doch zumindest eine geschickte Maßnahme, ist, daß er nicht eine kontinuierliche Erzählung liefert, sondern der äußere Rahmen die Einreise in New York wird, die sowieso für viele US-Ankommende in übler Erinnerung bleibt. Er wird in einen Spezialraum gebeten, wird durchsucht und zuerst von einer Frau, dann von zwei Männern, dann über Stunden von allen dreien verhört. Und gleich am Anfang hatte er die Wahrheit gesagt, daß er ein Geschenk für den Präsidenten habe. Das war‘s dann.

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Info:
Jürgen Neffe, Das Ding. Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl, Europa Verlag 2020
ISBN 978b3 95890 340 1