Serie: 65. Frankfurter Buchmesse 2013, vom 9.bis 13. Oktober, Teil 11
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Direkt nach dem Gespräch mit Marialuise Thurner, die für die Pressearbeit des Folio Verlages zuständig ist, nahm unsere Praktikantin Viktoria Henning am Stand von FOLIO das Buch TOTAL ALLES ÜBER ÖSTERREICH in die Hand, woraus im Nu eine gemeinsame Besprechung dieses witzigen Bildbandes von Sonja Franzke u.a. wurde.
Victoria Henning: Was ist das denn für ein Buch? Das sieht ganz anders aus als andere.
Claudia Schulmerich: Das spricht Dich also schon vom Format an. Wie gefällt Dir der Titel?
H: Der gefällt mir auch gut. Man sieht sofort, oben auf Deutsch, unten auf Englisch etwas größer, in der Mitte Symbole, die Farben rot, weiß, schwarz sprechen an.
Sch: Da wollen wir bei einer jungen, gebildeten Frau doch einmal nachfragen, was diese Symbole, die ja abgebildete Gegenstände sind, bedeuten? (zeigt auf die erste Abbildung: einen Stuhl)
H: oh je, ein Stuhl, ein historischer Stuhl...
Sch: Wie heißt der denn, dieser gebogene Stuhl?
H: Nein, das weiß ich leider nicht.
Sch: Ein Thonetstuhl, weil einer der Thonetbrüder ihn kreiert hatte, die Firma Thonet hat ihn um 1900 hergestellt und als Wiener Kaffeehausstuhl ist er weltbekannt geworden. Wir haben auch einen zu Hause.
H: Thonet! Das werde ich aufrufen und nachlesen. Aber hier das Abbild einer dampfenden Tasse. Für mich wäre das ja eine heiße Schokolade mit Sahne, aber sicher ist das schon der Wiener Kaffee! Denn jedes Mal, wenn ich in einer besseren Konditorei einen Kaffee bestelle, werde ich gefragt, ob mit einem Glas Wasser wie in Wien. Ich weiß von früher, daß die Türken den Kaffee nach Europa brachten und wohl zurückgelassen hatten, als die große Schlacht am Kahlenberg die Türken aus Wien und den deutschen Landen vertrieb.
Sch: Na, das ist schon viel mehr als die meisten wissen. Die Schlacht am Kahlenberg, mit dem der Wienerwald beginnt, vor den Toren Wiens also fand im Jahr 1683 statt und ist ein wichtiges Datum, das wirklich europäische Geschichte beeinflußte. Wir schauen dann mal im Buch, ob das auch vorkommt. Aber hier die weiteren Bilder.
H: Der Typ da, der mit dem Zopf, das kann eigentlich nur Mozart sein, dessen Abbildung man genauso von den Mozartkugeln kennt, die wirklich sehr gut schmecken. Klar, das ist ein Geweih, aber da verstehe ich den Kontext nicht, soll das heißen, daß in Österreich viele Jagden stattfinden, oder das so etwas in den Wirtstuben hängt?, und die Straßenbahn, da hätte ich ja eher einen, wie heißen die, die mit den Pferden, einen Fiaker erwartet! Die Straßenbahn, das sehe ich eher für etwas Städtisches an und das Riesenrad, das muß der Prater sein. Aha und dann noch die Ski, dafür ist Österreich ja berühmt. Aber früher gab es mehr Olympiasieger von dort!
Ach, ich finde auf jeden Fall gut und wichtig, daß hier die österreichische Kultur thematisiert wird.
Marialuise Thurner: Wenn man über ein Land nicht so viel weiß und natürlich fragt, was macht Österreich aus, dann sind ganz schnell Mozart oder Sissi bei der Hand. Natürlich sind das Klischees, aber wenn man dann das Buch aufschlägt, hat man ganz gezielte Informationen. Da gibt es zum Beispiel eine politische Landkarte, wie sich Österreich seit dem Weltkrieg politisch entwickelt hat. Oder allein die Kaffeebezeichnungen!
Sch: Die stehen hier auf Seite 88. „Was darf’s sein, die Herrschaften?“
Th: Bei der Melange zum Beispiel, wissen wir alle, was das ist. Aber manche Bezeichnungen sind auch mir nicht geläufig, da freue ich mich, wenn ich etwas lerne. Also ist das Buch gar nicht nur für Nicht-Österreicher interessant, sondern grad für uns.
Sch: Aber hier steht bei der Melange als Kaffeebestandteil ESPRESSO! Das ist doch kein Wiener Ausdruck. Dafür muß man doch Schwarzer sagen, manche sagen auch Mokka.
Th: Da sind wir doch schon mittendrinnen, zu was dieses Buch über die Lebensgewohnheiten der Österreicher auch taugt. Sich auszutauschen und zu vergewissern, was sich ändert. Denn selbst hier sagt man jetzt immer Espresso, was früher der kleine und der große Schwarze oder der Mokka war.
H: Ha, und hier MISTER KAPPERL. Das finde ich witzig.
Th: Genau: Niki Lauda, da ist einfach grafisch das Leben von Niki Lauda dargestellt. Auf der Rennstrecke kann man verfolgen, daß er am 22.2. 1949 in Wien geboren wurde und…
H: Das ist ja krass, hier steht alles, was ich gerade in dem Film RUSH gesehen habe. Es war zwar der Daniel Brühl, der ihn spielte, aber den habe ich kaum wiedererkannt, denn seine Maske soll dem echten Niki von damals so ähnlich sein, daß auch der sich für sich selbst hielt.
Sch: Schade, daß es das Buch beim Drehen noch nicht gab, denn dann hätten die das gleich im Film loben können. Ist ja wirklich toll gemacht, wenn hier die Stationen, die ganzen Formel I-Starts , die WM-Titel, aber auch die schlimmen Verbrennungen am 1.8. 77 aufgelistet sind.
H: Das ist ja richtig übersichtlich. Das Leben als Rennbahn, also noch metaphorisch dazu. Das ist sehr überzeugend. Was gibt es denn noch?
Th: Der Kompaß für Genießer“ Das sind die typischen heimischen Gerichte kombiniert mit unseren österreichischen Weinen. Die eine Seite mit Rotweinen, auf der anderen die Weißweine.
Sch: Den BLAUFRÄNKISCHEN kenne ich noch von früher, wenn ich gegenüber im Lokal ein Vierte davon für meine Tante Senta holte. Früher hat man das in Hütteldorf nicht in den Läden in Flaschen verkauft, sondern in der nächsten Gaststube im Krügerl geholt.
H: Das sind mir witzige Namen, BLAUER WILDBACHER SCHILCHER. Hier steht, man ißt Backhendl dazu. Das kenne ich auch durch die Erzählungen meiner Eltern über den Wienerwald, das Lokal, das bekannter war als der echte Wald um Wien.
Sch: Deutsche Weißweintrinker schwören auf den GRÜNEN VELTLINER und wenn hier steht ALTWIENER LUNGENBRATEN soll man dazu essen, weiß ich gleich, was das ist, aber auch, was die Deutschen Befürchten. Nein, es ist nicht Lunge, die heißt in Österreich Beuschel und heute ist die sowieso kaum einer mehr.
Th: Auf den beiden nächsten Seiten sind dann die Weine noch einmal von den Anbauflächen her und den Rebsorten aufgeführt. Aha, nur 5 Prozent kaufen Touristen , 38 Prozent kaufen die Leute für zu Hause und 57 Prozent werden in österreichischen Gaststätten ausgeschenkt. Aber dann kommt PROST MAHLZEIT!
Sch: Das ist ja unglaublich, die Vielfalt und das viele Fleisch! So etwa Dreiviertel des Eßangebotes. Was machen eigentlich Veganer? (Herzhaftes Lachen von allen dreien)
Th: Da kann man nur sagen: PROST MAHLZEIT! (Lachen) Was aber hier so interessant ist, das sind die regionalen Besonderheiten, die in Österreich immer schon eine große Rolle spielten und jetzt auch durch die Bezeichnungen geschützt werden. g.g.A. heißt geschützte geographische Angabe und g.U. geschützte Ursprungsbezeichnung.
Sch: So nach und nach verliebe ich mich in dieses Buch, das man gut unter dem Arm durch die Welt tragen kann. Da steht ja alles drinnen. SONNTAGABEND: TATORT, das ist ja wie in Deutschland, aber das auch der Opernball analysiert wird: Mit 80 Lastwagen wird alles angekarrt, 1 800 Paar Würstl werden verspeist und ich fang gar nicht erst an, warum die Frankfurter in Wien Wiener und die Wiener Frankfurter heißen…
H: 600 Sektkübel braucht man in dieser Nacht. Der Opernball ist mir nicht so geläufig, aber das muß ja ein Superereignis sein, wenn 250 Sicherheitsleute gebraucht werden, damit 4 830 Ballgäste zufrieden sind und unbelästigt bleiben. Die 900 Flaschen Wein wären ja nicht viel, wenn man die 800 Flaschen Sekt nicht mitgezählt hätte. Und sicher auch Bier. Aber davon steht hier nichts, nur daß 280 für das Catering zuständig sind. Sicher lauter Junge. Wir Studentinnen werden auch immer wieder für so etwas angesprochen.
Sch: Inzwischen finde ich, daß es keine Zufälle gibt. Denn eigentlich hatte Viktoria das Buch in die Hand genommen und wir könnten jetzt stundenlang darin blättern, ohne alles sagen zu können. Hinter den vielen Grafiken stehen ja Hunderte von Worten. Allein hier auf Seite 18 ICH BIN DANN MAL WEG! weist auf, daß 140 358 Personen nach Österreich eingewandert sind.
H: Und ausgewandert sind auch welche?
Th: Natürlich. Hier steht „96 561 Personen wandern ins Ausland aus“ und dann ist genau unterteilt, daß nach Dänemark beispielsweise 130 auswanderten, nach Deutschland 11 545…
H: und eingewandert sind wieviel Deutsche? Ah ja, 17 774 steht hier, das ist größte Gruppe von Einwanderern, obwohl aus Rumänien sind es auch 13 362...
Sch: …und aus Ungarn ebenfalls über 13 000. Das muß man wirklich im Detail studieren. Aus welchem Jahr ist das denn? Finde ich nicht, vielleicht steht es hinten. Ach, hier auf Seite 126 steht: QUELLEN. Da gibt es ja ganz viele unterschiedlichen Angaben. Acht Mal haben die Herausgeber selber erhoben, aber überwiegend sind offizielle Zahlen der Regierung, der Ministerien oder www.statistik.at verwendet worden. Ach was, und vierzehn Mal wurde www.telefonabc.at und www.verwandt.at angegeben.
H: SAG MIR DEINEN NAMEN UND ICH SAGE DIR, WO DU HERKOMMST!, heißt es auf Seite 14. Das ist toll gemacht, da sind die 15 häufigsten Namen, an der Spitze GRUBER, so auf ganz Österreich verteilt, daß immer da, wo sie gehäuft vorkommen, sie größer geschrieben sind und man auf einen Blick sieht, was los ist.
Th: Darum ist das Besondere an diesem Buch auch die Verbindung von Grafik und Aussage…
Sch: Liebe Leute, hier hören wir auf, das muß man einfach in Ruhe studieren und mit anderen darüber reden können, am besten bei einem der Weine oder dem gewünschten Kaffee, auf jeden Fall mit den MANNERSCHNITTEN von Seite 94, die haben mir es besonders angetan …und es sind ja auch nur 232 800 000 000 kcal in ihnen. Das ist wohl die Gesamtproduktion, aber von welchem Zeitraum und entspricht dem Energiebedarf von 318 904 Menschen. Au weia, das muß ich mir genau anschauen…