camilleriSerie: Auf die Schnelle: Gute Unterhaltungsliteratur, gebraucht, Teil 39

Katharina Klein

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Heute geht es um zwei Schriftsteller, die beide Kult sind. Der eine, 1925 in Sizilien geboren, ist nach einem langen Leben gestorben und der zweite, 1948 in Aldershot zur Welt gekommen, lebt noch. Was beide eint, ist ihre ungeheure Produktivität und ihre Popularität bei Lesern.

BRIEF AN MATILDA. Ein italienisches Leben von Andrea Camilleri

Nein, wir wollen nicht aufzählen, wie viele Bücher der Sizilianer verfaßt hat und auch nicht, wieviele Millionen und in wie vielen Sprachen er übersetzt wurde. Seit wann kennen wir ihn eigentlich, haben wir beim Lesen seiner kleinen Lebensgeschichte gefragt, nein, nicht die Lebensgeschichte ist eigentlich klein, sondern er erzählt sie einer Kleinen, nämlich seiner Urenkelin. Doch, es war natürlich sein Commissario Montalbano. Mir ist so, als ob ich alle seine Fälle gelesen hätte. Und schon immer irre fand, daß Camilleri ihn nach dem spanischen Krimischriftsteller Manuel Vásquez Montalbán nannte. Irre deshalb, weil dieser doch erst 1939 geboren wurde, aber schon in jungen Jahren sich auf‘s Genre Krimi einließ. Für den Leser ein Geschenk. Und wir überlegen gerade, daß er heute keine Rolle mehr spielt. Aber das ist eine eigene Geschichte.

Und die von Camilleri ist genau von der Art, wie man im hohen Alter ganz frei mit dem eigenen Leben umgeht und auch die Form eigenwillig bestimmt, weil man im hohen Alter einfach erzählen kann und überhaupt nicht mehr darauf angewiesen ist, sich wichtig zu tun. Er ist also über 90 Jahre, als er beim Schreiben seine jüngste Urenkelin unter dem Schreibtisch spielend sieht und entscheidet, ihr sein Leben zu erzählen, also ihr einen Brief zu schreiben, weshalb das Buch anfängt: „Meine liebe Matilda“ , aber nicht endet „Dein Großvater“ oder „“Andrea“, sondern mit der Aufforderung „Und jetzt erzähl mir von dir. Rom, im August 2017

Man muß dazu wissen und das erzählt er seiner Urenkelin auch, daß er zu der Zeit schon kaum mehr sehen kann, auf keinen Fall schreiben und deshalb sein Leben diktiert. Jeder von uns weiß, daß gesprochene Sprache auch beim Aufschreiben eine andere Färbung annimmt, als die geschriebene. Das ist für eine Lebensgeschichte für die kleine Matilda natürlich sehr viel günstiger. Nur ist es trotzdem eine Fiktion. Denn seine Lebenserzählung wird kein bißchen infantil oder gewollt pädagogisch. Nein. Er schreibt ihr, damit sie, wenn sie das denn lesen und verstehen kann, weiß, wie die Welt um ihren Urgroßvater herum beschaffen war. Er ahnt nämlich, daß die Zeiten nicht besser werden und kann sich das Leben in zwanzig Jahren, wo sie dann groß ist, nicht vorstellen.

Von heute aus, wo wir Menschen des zweiten Teils des 19. und des ersten Teils des 20. Jahrhunderts etwas erleben, was das ganze bisherige Leben erschüttert, die Corona-Pandemie, liest man Camilleris Brief mit anderen Augen. Ja, es ist vielleicht albern, aber man empfindet sein Leben als gute alte Zeit. Dabei verschweigt er weder die politischen Krisen noch die persönlichen, die im Frühling 1942 zusammenfallen, als er an einem Treffen der internationalen nazifaschistischen Jugend teilnimmt und ab dem Zeitpunkt ein erklärter Antifaschist wird. So sind die äußeren Beweggründe mit den inneren immer wieder verbunden. Ein warmherziger Mensch hat gelebt.


MASCHINEN WIE ICH von Ian McEwan

Von völlig anderer Art ist dieser Roman, der zeigt, wie es mal werden kann, wenn es mit der Technisierung unseres Lebens, der digitalen und virtuellen Wirklichkeit weitergeht. Der Roman heißt, „Maschinen wie ich“ und nicht ‚Maschinen wie wir‘, also ist nicht die Gefahr der Mechanisierung der lebendigen Menschen das Problem, sondern die Sucht der Menschen, sich in Material zu reproduzieren, sprich Androiden zu erfinden und zu produzieren.

Für heute ist das ein bekanntes Thema, das vor allem in Filmen der letzten 20 Jahre immer wieder Thema war. Aber McEwan schlägt eine Volte und läßt die Handlung im Jahr 1982 spielen. Aber, wer die Achtziger mitbekommen hatte, wundert sich, weil er die Zeit neu erfindet, Personen noch leben läßt, die damals längst tot waren oder etwas den Falkland-Krieg Argentinien gewinnen läßt. Gleichzeitig ist die Technik weiter als heute, ein buntes Gemisch.

Die künstliche Intelligenz wird in Person vom Androiden Adam nicht so sehr intelligent, als vielmehr triebgesteuert geschildert. Denn – in so was ist der Erzähler McEwan einfach brillant – Charlie erhält den Adam gerade in dem Moment geliefert, als er mit der munteren Studentin Miranda schläft. Ach so, verliebt sind die beiden auch. Aber dann spannt ihm Adam doch die Freundin aus. Eine Dreiecksbeziehung oder wie geht das aus?

Eigentlich ist der Roboter doch recht brav. Oder?

Fotos:
Cover

Info:
Andre Camilleri, Brief an Matilda. Ein italienisches Leben, Kindler Verlag 2019
ISBN 978 3 463 00002 2

Ian McEwan, Maschinen wie ich, Diogenes Verlag 2019
ISBN 978 3 257 07068 2