Wulf Dorns „Phobia“ aus dem Heyne-Verlag
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Vor einigen Wochen erschien Wulf Dorns neuestes Buch „Phobia“, ein milder Psychothriller, den unser Kollege Hanswerner Kruse recht spannend, aber nicht so schrecklich herzinfarktgefährdend findet, wie etwa die Schriften Stephen Kings.
„Phobia“ kommt aus dem Englischen und meint Phobie, also die irrationale und übermäßige Angst vor bestimmten Situationen, Tieren oder anderen Menschen. Unter solchen Angstzuständen leidet plötzlich Sarah, eine bis dahin erfolgreiche Londoner Journalistin. Die mit dem Architekten Stephen verheiratete Mutter eines gemeinsamen Sohnes gibt deshalb ihren Job auf und arbeitet fortan nur noch zu Hause. Ihr Mann unternimmt viele Geschäftsreisen, kommt aber eines Nachts von einer eigentlich länger dauernden Reise frühzeitig zurück.
Die überraschte Sarah will Stephen fröhlich begrüßen, doch dieser Mann in der Küche ist nicht ihr Mann: Er hat ein grässlich entstelltes Gesicht, die Kleider ihres Mannes, die er trägt, sind ihm viel zu klein. Aber er weiß viel, ja, vielleicht sogar alles über die Gewohnheiten der kleinen Familie, in die er wie selbstverständlich eindringt: „Hallo Liebling, haben wir noch etwas von der Mortadella übrig?“
Ist er ein Irrer, der sich für Stephen hält? Hat er Stephen umgebracht und will seinen Platz einnehmen? Oder hat Sarah nicht nur Angstzustände sondern auch Wahnvorstellungen und erkennt ihren eigenen Mann nicht mehr?
Vor Entsetzen springt Sarah aus dem Fenster, bricht sich dabei ihren Arm - doch die Polizei glaubt ihr die ganze Geschichte nicht und stellt keine Ermittlungen an. Verzweifelt flieht Sarah mit ihrem Sohn Harvey zu einer Freundin, aber auch dort lässt der fremde Eindringling sie nicht in Ruhe. Der Unbekannte traktiert sie mit Anrufen und Briefen, während Stephen verschwunden bleibt. Lediglich ihr aus Deutschland angereister Freund Mark nimmt sie ernst, denn er ist Psychiater und kennt sich mit den Abgründen menschlichen Verhaltens aus.
Aber Mark ist Alkoholiker und ein berufliches Wrack, nachdem seine Frau ermordet wurde und will Sarah nicht helfen. Der Mord wird in diesem Buch zwar (noch) nicht aufgeklärt, aber Sarahs alter Freund reißt sich nach einem Alptraum zusammen, in dem seine tote Frau ihm zuflüsterte: „Hilf ihr, und du wirst dir selbst helfen.“ Gemeinsam machen Mark und Sarah sich auf die Suche, um den verschwundenen, möglicherweise von einem Geisteskranken entführten Stephen zu finden. Dabei geschehen eigenartige Dinge und die Geschichte nimmt eine überraschende Wendung, die hier natürlich nicht verraten wird!
„Phobia“ ist kein bluttriefender Thriller, aber auch kein authentischer „Fachroman“ wie etwa die Werke Oliver Sacks („Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“) oder Irvin D. Yaloms („Die rote Couch“). Der Thriller hat eher den „Suspens“ eines Hitchcockfilms, die Erwartung einer Spannung die nicht eintrifft, und besteht wohl nicht zufällig aus 82 filmartigen Szenen statt Kapiteln.
Nachdem Dorn lange Jahre in der Psychiatrie arbeitete, hatte er im Jahr 2009 mit dem Thriller „Trigger“ seinen ersten großen literarischen Erfolg in Deutschland - und bald darauf in halb Europa. Jedes Jahr folgten weitere spannende Romane, die, wie auch „Phobia“, immer die Verirrungen und dunklen Seiten der menschlichen Seele in den Blick nehmen.
Wulf Dorn „Phobia“, Heyne-Verlag, gebunden, 398 Seiten, 19,99 Euro