Schauspieler Ulrich Tukur liest am 22. Oktober aus seiner Novelle im Frankfurter Literaturhaus

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Tukur ist nicht nur ein ausgezeichneter Schauspieler und Musiker, sondern auch ein preisgekrönter Literat. Soeben erschien sein neues Buch „Die Spieluhr“, das er ganz im Stil der Schwarzen Romantik schrieb. Der Schauspieler hatte 2008 „sonderbare Erfahrungen“ am Set des Films „Séraphine“ und fabulierte danach diese Novelle. „Die hat natürlich nur noch in Maßen mit den wirklichen Dreharbeiten zu tun“, erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

 

Ich habe mir beim Dreh zu ‚Séraphine’ viele Notizen gemacht, hauptsächlich im alten Schloss, in dem wir drehten, denn je mehr Details man zur Verfügung hat, desto glaubhafter kann man eine erfundene Geschichte erzählen. Schreiben ist etwas völlig anderes als Filme machen, es ist eine kreative Tätigkeit im eigentlichen Sinn, man erfindet selbst eine Welt, während man als Schauspieler reproduziert, was andere Menschen einem vorsetzen.“

 

Séraphine gehört zu den bekanntesten naiven Malerinnen des frühen 20. Jahrhunderts und wurde vom deutschen Kunstsammler Wilhelm Uhde entdeckt. Tukurs Erzählung beginnt mit der Begegnung der beiden: „So verbanden sich an diesem heißen Augustabend die Lebenslinien zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und sich doch trafen in ihrer Verlorenheit und Sehnsucht einer schöneren Welt.“

 

Dann berichtet der Ich-Erzähler, wie er, fast 100 Jahre später, die Filmrolle des Uhde spielte. Der Regieassistent entdeckte in einem herunter gekommenen Schloss das Atelier Séraphines und wurde durch seltsame Erlebnisse närrisch: Frauen traten aus einem Gobelin, grell geschminkte Gesichter küssten ihn mit rissigen Lippen, Wein rann wie giftiges Elixier seine Kehle runter. Er verliebte sich hoffnungslos in eine Schimäre, erreicht sie nie und brachte sich um.

 

Der Erzähler fand ebenfalls, lange nach den Dreharbeiten, das verwunschene Schloss und gerät „hinter die Bilder“: „Plötzlich fing das Gemälde an zu leuchten, ja es glühte geradezu, und mir schien, als löse sich die Frauengestalt von der Leinwand und schwebe wie ein geheimnisvolles Hologramm in den Raum.“ In diesem Pandämonium des Absurden erlebte er verwirrende Begegnungen, dramatische Zeitreisen - kann sich aber im letzten Moment wieder in seine eigene Wirklichkeit hinüberretten.

 

Tukur erzählt seine Fantasien in einer wunderbar altmodischen jedoch keineswegs kitschigen Sprache. Auch das Buch ist mit seinem grünlichen Leineneinband, der Jugendstil Vignette und dem dicken Papier passend „unmodern“ gestaltet.

 

INFO:

Ulrich Tukor, „Die Spieluhr“, 180 Seiten, gebunden, Ullstein-Verlag 2013, 18,00 €

Am 22. 10. 2013 liest Tukur, der auch hessischer Tatort-Kommissar ist, im Frankfurter Literaturhaus aus seiner Novelle