Auf die Schnelle: Gute Informationsliteratur, gebraucht, Teil 58
Klaus Hagert
Berlin (Weltexpresso) – Das vorherige Buch, das sich gut lesen ließ, macht Lust, weiter zu machen, wobei einem erst bei diesem zweiten Buch auffällt, daß Henning Jauernig einen echten Ratgeber geschrieben hatte, den man befolgen kann. Bei diesem Buch allerdings geht es schon um fachwissenschaftliche Kenntnisse und Erkenntnisse, die für den besonders sinnvoll sind, die laut Ratgeber schon Vermögen gebildet haben. Aber auch für alle anderen ist das Buch geeignet, die durchblicken wollen in dieser Welt, die unser Leben bestimmt.
DER PERFEKTE STURM. Was sich hinter Nullzins, Rekordverschuldung und Ordnungsverlust zusammenbraut und wie wir gegensteuern können von Wolfgang Steiger/Simon Steinbrück
Schauen wir uns, wie eben, erst einmal die Autoren an, die wir nicht kennen. Kein Wunder. Beide vertreten – und daraus machen die Umschlagsinformationen auch kein Geheimnis – als Mandatsträger die CDU. Wolfgang Steiger, geb. 1964 war von 1994 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Der gelernte Bankkaufmann machte sich als Unternehmer selbständig und ist seit 2009 Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU.
Simon Steinbrück, bei dem wir nicht herausbekommen haben, ob er seinen Namen mit einem gewissen Finanzfachmann der SPD teilt, wahrscheinlich nicht, denn sonst wäre das herausgestellt worden, ist 1979 geboren und Mitglied der Geschäftsleitung beim Wirtschaftsrat der CDU, wo er verantwortlich ist für die Bereiche Internationale Wirtschaftspolitik und Europäische Finanz- und Währungspolitik.
Vorgestellt wurde das Buch in Verbindung mit dem Handelsblatt und Friedrich Merz, den der Wirtschaftsrat auch als CDU Vorsitzenden favorisiert hatte, wie auch umgekehrt Merz meint, daß ökonomische Fragen wenig öffentlich diskutiert werden.
Als Nichtökonom, aber jemand, der damit großgeworden ist, muß ich doch erst einmal den Buchtitel klären. DER PERFEKTE STURM? Was soll das bedeuten? Da hilft es, sich umzuschauen und wenn man das tut, dann weiß man schon, was im Buch stehen wird. Außerdem muß man erst einmal froh sein, daß es nicht THE PERFEKT STORM heißt, denn es ist eine schlichte Übersetzung aus dem Englischen, der aber im Deutschen (noch) nicht die semantische Bedeutung hat. Es soll auf einen Bestseller zurückgehen, der von einem verheerenden Hurrikan und im Sinne des Hurrikan eben ‚perfekten‘ zurückgehen, der entstehen konnte, weil drei Wettererscheinungen zusammentrafen, was dann übrigens vom deutschen Regisseur Wolfgang Petersen als DER STURM verfilmt wurde.
Mehr braucht es nicht, um zu verstehen – und jetzt begreift man auch das Fragezeichen -, daß dieses Buch untersucht, welche Bedingungen in Politik und Finanzwirtschaft zusammentreffen müssen, damit die Jahrhundertkatastrophe da ist. Eine Situation die die denkbar allerschlimmste ist. Das wäre der perfekte Sturm. Na, da denkt man sich bei CDU-Mandatsträgern erst mal, das Schlimmste wäre, wenn die Linke die politische Macht übernähme und damit auch den Wirtschafts- und Finanzminister.
Aber nein, hier bleibt alles im vorgegebenen System. Und wenn man sich vorstellt, daß dies vor CORONA geschrieben wurde, dann sind die Auswirkungen auf die andauernde Finanzkrise sicher noch gewaltiger als zur Zeit der Buchentstehung. Ausgangspunkt sind die verstörenden Finanzeinbrüche, insbesondere der Zusammenbruch der Finanzsysteme 2008.
Auf jeden Fall ist 2008 Teil der Sturmwarnung, die – so die Autoren - in Deutschland nicht genug berücksichtigt werde: “Länder versinken im Schuldenkampf“ und es werde nichts getan, nach der dramatischen Schuldenkrise die Verbindlichkeiten zurückzuführen, stattdessen „in atemberaubende Tempo weiter hochgeschraubt“. Ist diese Einführung eine Analyse oder eine politische Philippika?, bleibt die Frage.
In vier große Bereiche wird das Thema eingeteilt, was Kapiteln mit vielen Untertiteln entspricht.
1. Der Weg des Euro
2. Die Epizentren der Eurokrise
3. Europäische Zentralbank
4. Verlust der Ordnung
Ausgangspunkt ist die europäische Einigung auf den Euro, der aber von Anfang an noch nicht gesichert, dann gleich in die Finanzkrise rutschte, die bis heute einen Krisenmodus erzeugt. Eine Warnung bedeutet den Autoren vor allem die Schere der Schulden. Aber auch die unterschiedlichen Wirtschaftskulturen und deren Kampf gegeneinander muß zur Analyse angesprochen werden. Gegenüber Macron besteht der Vorbehalt, daß er die europäische Welt zu stark französisieren wolle.
Gleichzeitig diskutieren die Autoren die Situation in den ersten 10 Jahren des gemeinsamen Geldes, die sie positiv sehen. Dann wird historisch aufgearbeitet, wie das mit Griechenland war und daß die Folge, nicht der Ursache: „Das wohl schwerste Erbe der Rettungsjahre ist die Teilung Europas in Gläubiger und Schuldner. Eine Konstellation, die die Gründungsväter explizit ausschließen wollten.“ Aber wie hätte das verhindert werden können. Denn sicher sind CDU-Leute nicht diejenigen, die die Schulden dieser armen Länder erlassen wollen. Was ja eine politische Forderung war, die ja genau dem zitatgemäßen Ziel entsprach, durch Schuldenerlassen wieder eine Gemeinschaft von Ländern Europas auf der gleichen Ebene zu haben.
Das ist aber nicht Ziel der Autoren, die der Meinung sind, daß dabei sogar zuviel des Guten getan worden sei. Zwar seien die Folgen abgemildert worden, aber die Probleme nur zugedeckt, aber nicht strukturell bereinigt worden.
Das Eigentliche kommt noch und auch die folgenden Kapitel und Ausführungen würde man gerne einmal von Fachleuten diskutiert haben, denn es verlieren sich zwischendurch die Ansätze des Möglichen und eine klare Forderung an die Politik. Schließlich ist die CDU ja führend in der gegenwärtigen Koalition. Wo war der Dissens innerhalb der CDU – oder hat sich das Programm des Wirtschaftsrates in dieser Partei durchgesetzt und was ist verändert worden durch einen Finanzminister Scholz (SPD). Wie sehen also auch andere Vorschläge aus. Das wäre hilfreich gewesen, um auch als Nichtökonom das Gebiet erfolgreich zu durchforsten.
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Cover
Info:
Wolfgang Steiger/Simon Steinbrück, Der perfekte Sturm. Was sich hinter Nullzins, Rekordverschuldung und Ordnungsverlust zusammenbraut und wie wir gegensteuern können, Econ Verlag 2010
ISBN 978 3 430 21019 5