Vortrag und Lesung mit Dr. Markus Roth und Prof. Dr. Sascha Feuchert am Montag, 28. Oktober, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Klaus Hagert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Daß auch 80 Jahre nach dem Beginn der Diktatur der Nationalsozialisten immer noch Berichte auftauchen, die damalige Ereignisse entweder das erste Mal thematisieren oder eine neue Facette bekannter Ereignisse möglich machen, gehört zu dem, was wir Geschichtswissenschaftlern oder auch immer noch Überlebenden zu verdanken haben.
Hier ist es die Kombination von beidem. Denn das, was Konrad Heiden über die Reichspogromnacht aufschrieb, war schon lange bekannt, lag aber nicht auf Deutsch vor. Die Herren Roth und Feuchert haben seinen Bericht nun im Wallstein Verlag veröffentlicht, woraus am 28. Oktober um 18.15 Uhr ein Vortrag und Lesung, sicher auch eine Diskussion erfolgt. Die Geschichte der Reichspogromnacht wurde bereits wenige Wochen nach dem 9. November 1938 von dem Journalisten Konrad Heiden aufgezeichnet. In Paris erreichten den Exilanten die ersten Augenzeugenberichte von den Ereignissen in Deutschland. Er erkannte sofort die Bedeutung der Eskalation der Gewalt und verfaßte den Bericht, der 1939 in England unter dem Titel »The New Inquisition« erschien.
Diese frühe Gesamtdarstellung stützt sich auf Augenzeugenberichte von Juden und auf Zeitungsartikel der NS-Propaganda und der freien Welt. Heiden schildert diese Nacht und kommentiert die Rassenideologie mit bisweilen bissiger Ironie. 75 Jahre nach dem Ereignis liegt sein Bericht nun auch auf Deutsch vor. Konrad Heiden, der 1901 in München geboren wurde und 1966 in New York starb, war ein deutscher Sozialdemokrat, der als politischer Kopf zu den ganz frühen Beobachter der Nazi-Bewegung gehört. Als Münchner - was nicht ganz stimmt, denn der Vater war ein Frankfurter SPD-Funktionär und Stadtverordneter dazu und bis 1919 besuchte Heiden in Frankfurt das Gymnasium, ging aber dann als Student nach München - , konnte er Hitlers frühe Anfänge ab 1921 mitbekommen und als werdender Journalist sie früh öffentlich kommentieren.
Ab 1923 war er Korrespondent der Frankfurter Zeitung und war von 1930 bis 1932 Redaktionsmitglieder der Frankfurter in Berlin, wo er zusätzlich einen kritischen NS-Pressedienst herausgab und sich daher früh zum Feind der Nationalsozialisten eignete. Deshalb wußte er, daß das Jahr 1933 für ihn auch das Exil bedeutete, erst in die Schweiz nach Zürich, dann illegal ins Saarland, nach der Saarabstimmung dann Flucht nach Frankreich. Auch in dieser Zeit schrieb er Bücher über den Nationalsozialismus und eine Hitlerbiographie. Die Nazis bürgerten ihn aus, beschlagnahmten sein Vermögen und mit dieser erstmaligen Übersetzung der Novemberpogrome wird ein langjähriges Desiderat erfüllt. Bisher konnte man nur in der Zentralbibliothek Zürich ein deutschsprachiges Typoskript mit dem Arbeitstitel NÄCHTLICHER EID lesen. Alles Weitere, auch seine weitere Flucht in die USA und sein dortiger schriftstellerische Erfolg am 28. Oktober in der Frankfurter Universität.
INFO I:
Eine Nacht im November 1938: Ein zeitgenössischer Bericht
Vortrag und Lesung mit Dr. Markus Roth und Prof. Dr. Sascha Feuchert
Montag, 28. Oktober 2013, 18.15 Uhr
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend
Grüneburgplatz 1, Casino am IG-Farben Haus, Raum 1.801
INFO II:
Markus Roth ist promovierter Historiker und stellvertretender Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Universität Gießen. Sascha Feuchert ist Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur und Honorarprofessor an der Eastern Michigan University. Beide haben 2011 gemeinsam mit Robert Kellner, Erwin Leibfried und Jörg Riecke die Tagebücher von Friedrich Kellner Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne. Tagebücher 1939–1945 herausgegeben.
Nun erschien von ihnen ebenfalls im Wallstein Verlag der Augenzeugenbericht von Konrad Heiden.
Konrad Heiden
Eine Nacht im November 1938. Ein zeitgenössischer Bericht
Hrsg. von Markus Roth, Sascha Feuchert und Christiane Weber
Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, 192 S., 4 Abb., € 19,90