wiener kaffeehausAuf die Schnelle: Gute Kulturliteratur, gebraucht, Teil 90

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt Orte, die von sich aus einfach Kultur verströmen, wobei für mich Kultur auch in der Art und Weise besteht, wie man zu einem schwarzen Kaffee ein Glas Wasser serviert erhält. Das war in Wien seit Jahrhunderten üblich und erst heute weiß man, wie wichtig dies für die positive Aufnahme von Kaffee für Magen und Darm ist. Und das Wiener Kaffeehaus steht einfach für all die Schriftsteller und Dichter, die in der Runde oder alleine inmitten der Menge schreiben und schreiben...und dort leben.

MELANGE DER POESIE. Wiener Kaffeehausmomente in Schwarzweiß von Alain Barbero & Barbara Rieger

Man sollte erst mal in aller Ruhe das Titelblatt und die Rückseite mit den vielen Fotografien studieren. Überwiegend weiblich, was in Kaffeehäusern an Tischen sitzt, Zeitung liest, fast immer in die Kamera guckt, oft ganz schön elegisch, zumindest nachdenklich wie Friederike Mayröcker und wenn einer den Kasper gibt, gleich zweimal, dann ist es ein Mann.

In den Umschlagseiten sind vorne in den Stadtplan von Wien die Kaffees eingetragen und

hinten die Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Und im Inhaltsverzeichnis kommt beides zusammen, so steht Elfriede Hammerl für das Amarcord, Petra Hartlieb für den Bräunerhof, Christine Huber für den Florianihof, Franzobel für das Hawelka (!), Susanne Gregor für Phil, das ich nicht kenne. Dagegen ist das Prückel einfach Tradition und wird von Robert Schindel kommentiert.

In der Einführung bringen die Verfasser die bis heute gültige Definition von Stefan Zweig über diese „Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglichen Klub, wo jeder Gast für für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann,“, absolut einzigartig auf der Welt. DAs ist wirklich so, nur daß die Schale Kaffee heute nicht mehr billig ist. Gesichert ist, daß am 17, Jänner 1685 das Ausschankprivileg für Kaffee und damit das erste Kaffeehaus an einen Johannes Diodato verbürgt ist. Über die anderen, vor allem die, die heute noch bestehen, gibt es einen historischen Abriß mit den Personen, die das jeweilige Café frequentierten.

Und dann wird erklärt, wie das Autorenpaar zusammenkam, dies Buch zu schreiben und zu gestalten. Natürlich will man dann erst einmal blättern, die Fotos anschauen. So geht es mir immer. Es sind schöne Fotos. Man kann also das Buch auch einfach als Fotoband anschauen. Schwarzweiß ist einfach ästhetisch eindrücklich. Zudem sind die jeweiligen Kaffeehäuser so ganz unterschiedlich abgelichtet, wenngleich der Hang zur Schräge zu konstatieren ist, aber einem angenehm ist.

Unmöglich, die 55 (!!) Kaffeehäuser mit den jeweiligen Texten vorzustellen, die schon durch ihre Individualität überhaupt nicht zusammenzufassen sind. Einige haben Gedichte geschrieben, aber manche auch die Geschichte des Cafés erzählt. Ein schönes Buch, über das, so denkt man, sich einfach jeder freuen muß.

P.S. Erst, als alles niedergeschrieben war, fiel mir der gewisse Thomas Bernhard ein, für den das Kaffeehaus eben auch das Non-plus-ultra war. Nur ist er ja leider tot und konnte kein Kapitel beitragen.

Foto:
Cover

Info:
Alain Barbero & Barbara Rieger, Melange der Poesie. Wiener Kaffeehausmomente in Schwarzweiß, Hardcover kaschiert, über 100 sw-Fotografien, Kremayr & Scheriau, 2017
ISBN 978 3 218 01082 5