Serie: Schweizer Buchpreis und BuchBasel 2013, Teil 4/8

 

Claudia Schulmerich

 

Basel (Weltexpresso) – Als nächstes nahmen wir FRÜHLING DER BARBAREN von Jonas Lüscher aus dem Verlag C.H.Beck in die Hand. Ja, wie? Ist das auch ein Debüt? Auf jeden Fall bezeichnet es der Verlag als „Debütnovelle“ und die 125 Seiten unter dem leuchtend roten Umschlag haben es in sich, vernichten sie doch nicht nur die Hoffnungen all der jungen aus England zur Hochzeit eingeflogenen Bankerschnösel, sondern auch die des dortigen tunesischen Establishments.

 

 

Starke Geschichte. Denn so hart wie Licht und Schatten in Nordafrika aufeinanderprallen, so wird in dieser Geschichte das Vorher vom Nachher geschieden. Dazwischen liegt der Börsencrash von 2008. Das ist wirklich sinnlich dargestellt, wo doch auch nach Bert Brecht gilt: „Geld macht sinnlich - Wie uns die Erfahrung lehrt. “Da heiratet einer der jungen Londoner Banker standesgemäß in einem Luxusresort in einer Oase mitten in der tunesischen Wüste. Während der Champagner fließt, stürzt das Englische Pfund ab. Das wissen wir alles, weil der Schweizer Fabrikerbe Preising dabei ist, aus ganz anderen Gründen, von denen wir deshalb erfahren, weil er die Geschichte in der Geschichte in der Geschichte dem erzählt, der sie für uns aufgeschrieben hat und als gesichts-, aber nicht gedankenloser Icherzähler durchgeht.

 

Ganz schön raffiniert gemacht, wie Lüscher seine wahrscheinlich-unwahrscheinliche Geschichte konstruiert. Wir haben sie mit großem Vergnügen gelesen, weil uns solches literarisches Personal nicht oft unterkommt und die gegenwärtige Literatur in der Regel mehr mit den Beziehungskämpfen zwischen Zweien beschäftigt ist, als mit den Auswirkungen von Kapitalkämpfen. Nun gut, die Londoner Bankgesellschaft bleibt von oberflächlicher Gestalt. Zwar werden einige Personen individuell dargestellt, aber eigentlich nur, damit wir den Unterschied merken, zwischen den wohlerzogenen blassen Briten vom Anfang und den die Tiere mordenden Spießgesellen, zu denen sie werden, wenn das Geld, der Luxus, das Essen und Trinken vorbei und damit der Lack ab ist. Deshalb nämlich, weil das Englische Pfund abgestürzt ist und die Kreditkarten ihre Funktion verlieren.

 

Daß dabei recht handfeste ältere Personen diese eigentlich langweilige Hochzeitsgesellschaft von Jungen bevölkern, kommt uns zu Gute, denn Pippa, die Preising anrührende Mutter des Bräutigams, mit ihrem exzentrischen Ehemann Sanford, der erst Ausgrabungen in der Wüste liebt und sich dann eine jüngere Gespielin an Land zieht. Das wenige Land, das die Oase bietet, ist da schon weitgehend zerstört, denn Europäer lassen, wenn sie nicht siegen können, wenig übrig, ist eine der Erkenntnisse, die man beim Lesen mitnimmt. Aber natürlich gibt es nicht nur mehrere, sondern auch die Rückfrage an sich selbst, in wie weit Autor Lüscher hier Metaphern verwendet.

 

Über dem eigentlich schrecklichen Geschehen schwebt so etwas Johann Nepomuk Nestroy mit EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN, womit aber durchaus in gewissem Sinn hier auch der Autor gemeint ist, weil diese bitterböse Novelle zwar die Knochen unserer vorgefertigten Welt abnagt, aber wir mit dem Überlebenden Preising doch den haben, der jetzt Butter bei die Fische bringen muß, erfährt er doch, daß der Reichtum seiner Firma auch auf den Knochen von Kindern, den kindlichen Handknöchelchen in Tunesien beruht.

 

Aber das wäre morgen und wir sind heute ja mit der Beschreibung des Elends erst einmal zufrieden.

 

 

Jonas Lüscher, Frühling der Barbaren, C.H. Beck

 

 

 

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