Serie Buchpreis: Die Autoren der kurzen Liste im Frankfurter Literaturhaus am 21. September, Teil 11

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Clemens Meyer wurde mit seinem Debütroman „Als wir träumten“ 2006 gleich Träger des Rheingau Literaturpreises, sein nächstes Buch „Die Nacht, die Lichter“, ein Erzählband erhielt den Leipziger Literaturpreis 2009. Meyer, schwer erkältet, wird von seinem Moderator Alf Mentzer, hr2-kultur als erstes gefragt, weshalb er den Begriff Rotlichtmilieu nicht mag.

 

 

Dieser Begriff geistert nämlich durch die Presse als Ortung für seinen 558 Seiten fassenden Roman, nicht der dickste, aber der schwerste dieser Buchpreissaison. Clemens Meyer antwortet aber deutlicher und grundsätzlicher als sich das der wohlerzogene Moderator wohl gedacht hatte. Er mag das Wort nicht und findet es als Aussagewert für seinen Roman überflüssig, ja schädlich. Sein literarisches Personal mag diesen Begriff Rotlichtmilieu erst recht nicht.

Mentzer versucht ab da, die Konfliktlinie niedrig zu halten und stellt Allerweltsfragen wie die, was die Initialzündung für diesen Roman war.

 

Da hätte Meyer viel erzählen können, denn es gab mehrere Zündungen. 1998 las er, von einem angeschossenen Vermieter, der Sexwohnungen vermietet hatte. Der Fall hatte im Detail dann für ihn schon Shakespearsche Dimensionen. Einer errichtet ein Imperium und fällt. Clemens Meyer interessieren die Frauen die in dem Milieu arbeiten, die in seinem Roman auch die Hauptrolle spielen. Darin kann man die ganze Welt , die ganze Gesellschaft beschreiben. Das Rotlichtmilieu ist nur der Sockel. Du kannst alles beschreiben...Die Stimmen der Frauen waren der Auslöser. Arno Aufstieg und Fall wird zwar wichtig, aber wichtiger bleiben die Stimmen der Frauen. Stark und fragil. Ursprünglich wollte Meyer im Roman nur innere Monologe sprechen lassen, aber ihm wurde klar, daß das nicht lange.

 

Etwas harsch fiel seine Reaktion auf das Amüsement des Publikums aus, allerdings auch etwas unpassend dessen Reaktion auf die Schriftstellerworte. Seinen Titel des schon 2008 angefangenen, aber erst einmal titellosen Romans, da er dazwischen einen anderen Roman schrieb, findet er selbst kryptisch. Er wollte solch kryptischen Titel, weil es ein kryptischer Buch ist. Stein und steinern ist die Stadt, die mitteldeutsche Metropolis Eden City. Er, der Autor arbeitet wie ein Archäologe, wenn er das im Fossil Steingewordene freilegt: im Stein sind Pflanzen, sind Tiere. In seinem Roman gibt es ebenfalls einen Steinmann, der ist der Immobilienhai, wie versteinerte Figuren schauen wir alle zu. Versteinerungen spielen seit je eine große Rolle. In der Literatur, der Musik: Der Steinerne Gast, das Steinerne Herz.

 

Meyer verflicht die inneren Monologe der Frauen mit dem Mythos und Gang in die Unterwelt, das mußte er verschmelzen. In einer Phase des Romans wachsen überlebensgroße Farne in der Stadt. Darum lehnt er auch die Kennzeichnung mit Rotlichtstudie so ab, eine solche Einengung wollte er nie. Es gibt Kapitel, wo tatsächlich klassisch erzählt wird. Aber auch dort verweben sich die Stimmen hinein. Als Gesamtkonstrukt gibt es keinen Erzähler, aber auch nicht nur innere Monologe. Am stärksten wurden seine Aussagen zum Zeitpunkt dieser Kommentierung seines Werks: „Ich muß es selbst erst greifen, ich habe es doch gerade erst zu Ende geschrieben. Was soll man als Schriftsteller so viel über seine Bücher sagen, vor allem, wenn sie gerade geschrieben worden sind und dann liest er aus dem Ersten Kapitel vom Bewußtseinstrom der Stadt und noch mehr.

 

Er kommentiert sich beim Lesen selbst und meint, das hält man auf zehn Seiten aus, diese Minikompression des Ganzen. „Es geht um einen Spiegel, der zerschlagen wird, also hat man nur Spiegelfragmente. Es gibt aber einen, der hinter dem Spiegel die Fäden zieht, dann erfährt man am Schluß vom Chef der Engel Gmbh, der beobachtet alles, spielt alles gegeneinander aus, wird von einer unbekannten Instanz interviewt. Die Strippenzieher kommen und gehen, das ist wie in der Politik. Und im Hintergrund ist wer?“ Als er dann noch: „Das Weltall“ sagt, lachen alle, Reinhard Jirgl am lautesten, der ihm gegenüber in der ersten Reihe sitzt, und als seine Antwort dieses gewissen Handzeichen zum Podium hin macht: das für Geld nämlich. Fortsetzung folgt.

 

Clemens Meyer, Im Stein, S. Fischer Verlag

 

 

P.S.

 

Diese Mitschrift kam nach einer Computermitschrift zusammen, die immer voller Rechtschreibfehler steckt, weil sich das beim schnellen Mitschreiben ergibt. Bevor noch die einzelnen Satzfetzen zu hoffentlich sinnvollen Einheiten zusammengefügt werden, lassen wir bei solcher Gelegenheit das Rechtschreibprogramm dran. Lange schon wollen wir wieder einmal einen Grundsatzartikel über die Ergebnisse mit diesen vorgefertigten Rechtschreibprogramm schreiben. Aber inzwischen ist es der Absurditäten so vieler geworden, daß wir lieber hin und wieder auch andere an den Vorschlägen dieses Rechtschreibprogramms teilhaben lassen möchten. Die Spitzen bestanden diesmal in SEMMELROTZ für Semmelroth und – bitte weitersagen – VERGIL für Jirgl. Wenn das nicht vorausgedacht ist.